Du kennst sie bestimmt: diese ewige Leier. „Mit Jura wirst Du Anwalt oder Richter.“ Und wenn Du keine Lust auf Paragrafenreiterei in der Kanzlei oder Urteilsverkündung im Gerichtssaal hast? Dann heißt es oft: „Tja, dann war das wohl nix.“
Aber Moment mal. Wer behauptet eigentlich, dass ein abgeschlossenes Jurastudium automatisch mit einer lebenslangen Verpflichtung zur Robe einhergeht? Klar, die Klassiker sind und bleiben Richteramt, Anwaltschaft und Staatsanwaltschaft – logisch, dafür ist das Studium gemacht. Doch wenn wir ehrlich sind, dann führt der Weg nach dem Examen heute für viele gar nicht (mehr) automatisch ins Gericht. Warum auch? Das Jura-Studium bietet Dir ein Skillset, das weit über Gerichtssäle hinaus gefragt ist. Und wenn Du das einmal richtig verstanden hast, geht Dir nicht nur ein Licht auf – da brennt gleich die ganze Glühbirne durch.
Jura – mehr als nur Paragrafenblätter
Lass uns kurz aufräumen: Was lernst Du im Jura-Studium wirklich? Du lernst, komplexe Sachverhalte zu durchdringen. Du trainierst, abstrakte Regeln auf konkrete Situationen anzuwenden. Du schärfst Deine Sprache, wirst klarer in Deinen Gedanken, präziser im Ausdruck. Und Du entwickelst die Fähigkeit, Unklarheiten auszuhalten, bis Du sie systematisch aufgelöst hast. Das klingt jetzt erstmal wie ein trockenes Kompetenzprofil aus einem Bewerbungscoaching – aber wenn Du’s Dir mal auf der Zunge zergehen lässt, ist es Gold wert.
Denn genau diese Fähigkeiten brauchen Entscheider in Unternehmen, Behörden, NGOs, Start-ups, Thinktanks, Redaktionen, Verlagen, Ministerien, internationalen Organisationen, Personalabteilungen, Compliance-Teams, Verbänden, Hochschulen, Produktentwicklungen oder der Politik. Ja, sogar in der Werbung. Klingt nach Buzzword-Bingo, ist aber knallharte Realität. Und genau da kommen wir zu den Optionen, die Dir offenstehen – jenseits von Gerichtssaal und Gesetzestext.
Option 1: Wirtschaft – wo das Geld lockt (aber auch die Verantwortung)
Unternehmen lieben Juristen. Nicht nur in den Rechtsabteilungen, sondern überall dort, wo’s kompliziert wird. Verträge aufsetzen? Klar. Risikoanalysen machen? Auch. Strategisch beraten? Noch besser. Inhouse-Juristen (also die Rechtsabteilung von Unternehmen) sind längst keine Bedenkenträger mehr, sondern Business Partner. Die reden mit, wenn es um Deals, Fusionen, Datenschutz oder Markenrechte geht.
Und selbst wenn Du gar nicht in die juristische Ecke willst, stehen Dir mit einem guten Abschluss viele Türen offen: Business Development, Personalführung, Public Relations, CSR (Corporate Social Responsibility), Produktregulierung, Lobbyarbeit – Du bringst den Methodenkoffer mit, der überall gebraucht wird.
Pro-Tipp: Wenn Du schon im Studium merkst, dass Dich wirtschaftliche Zusammenhänge reizen, schnupper mal in einen Schwerpunkt wie Handels- oder Gesellschaftsrecht rein. Oder mach Praktika in Unternehmen. Netzwerken hilft, gerade hier.
Option 2: Verwaltung – der unterschätzte Riese
Die öffentliche Hand ist einer der größten Arbeitgeber Deutschlands. Und ja, wir Juristen werden dort händeringend gesucht – nicht nur in klassischen Ministerien. Städte, Kommunen, Bundesbehörden, Landesämter, Rundfunkräte, Kammern oder Bildungsinstitute – überall wird strukturiertes Denken gebraucht. Hier bist Du oft nicht nur Umsetzer, sondern Mitgestalter.
Du kannst dort zum Beispiel als Referent im Justiziariat arbeiten, Gesetzgebungsverfahren begleiten oder Verwaltungsprozesse modernisieren. Oder Du wirst Teil eines interdisziplinären Teams, das neue Verwaltungssoftware einführt – und achtest darauf, dass sie auch rechtlich funktioniert.
Klingt trocken? Ist es oft gar nicht. Vor allem, wenn Du gerne planst, organisierst, steuerst. Und wenn Du auf eine gewisse Sicherheit im Leben Wert legst, findest Du hier den berüchtigten „sicheren Hafen„. Der muss nicht langweilig sein – es kommt wie immer drauf an, was Du draus machst.
Option 3: Medien, Kommunikation & Kultur – kein typischer Weg
Wenn Du schon immer einen Hang zur Sprache hattest, zur Bühne oder zu gesellschaftlichen Debatten, dann ist dieser Abschnitt für Dich. Denn genau hier brauchst Du die rhetorische Finesse, das strukturierte Denken und die Argumentationslust, die Dir Jura beibringt.
Ob als Redakteur, als Kommunikationsberater, in einer NGO, im Kulturbetrieb, als Podcaster, Drehbuchautor oder sogar im Journalismus – überall sind Leute gefragt, die präzise formulieren können, Sachverhalte verständlich aufdröseln und vor allem: die nicht so schnell die Nerven verlieren, wenn’s komplex wird.
Gerade die Mischung aus rechtlicher Tiefe und gesellschaftlichem Blick macht hier den Unterschied. Und Du musst kein Volontariat mehr machen, um Fuß zu fassen. Wer etwa juristische Erklärvideos produziert, einen Blog schreibt oder einen TikTok-Kanal zu Grundrechten betreibt, kann Reichweite UND Relevanz schaffen.
Fun Fact: Viele Juristen arbeiten auch in den Rechtsabteilungen von Medienhäusern oder als Lizenzmanager bei Streaming-Diensten. Auch da geht’s um Rechte – aber eben andere.
Option 4: Wissenschaft, Lehre, Politik – die Welt von morgen mitgestalten
Du willst mehr? Du willst tiefer rein? Vielleicht sogar die Welt ein bisschen besser machen? Dann denk mal über Lehre und Forschung nach. Universitäten, Hochschulen, Institute oder internationale Organisationen suchen kluge Köpfe, die mitdenken, schreiben, diskutieren. Klar, eine Promotion hilft oft – aber der Einstieg gelingt auch über wissenschaftliche Mitarbeit, Werkstudentenjobs oder Nebenforschungsprojekte.
Oder Du willst in die Politik? Auch das ist kein Traum für die Wenigen. Viele Abgeordnete haben Jura studiert. Und wer die Mechanismen des Staates kennt, kann auch an ihnen mitarbeiten – als Abgeordneter, als Referent, als Ministerialbeamter oder einfach als Impulsgeber in einem Thinktank.
Der Trick: Kombiniere Dein juristisches Know-how mit einem gesellschaftlichen Anliegen. Dann öffnest Du Türen, die andere gar nicht sehen.
Okay – aber wie finde ich meinen Weg?
Jetzt wird’s persönlich. Denn am Ende hilft Dir all das Wissen über mögliche Wege nur, wenn Du weißt, was Du selbst willst. Deshalb hier ein paar kleine, aber feine Anstöße, die Dir helfen können, Deinen eigenen Kompass zu kalibrieren:
Erstens: Achte im Studium auf Deine Energie. Wann bist Du motiviert, wann eher leer? Liebst Du Gutachten oder Präsentationen? Magst Du Teamarbeit oder das stille Knobeln? Diese Hinweise sind Gold wert.
Zweitens: Nimm jedes Praktikum ernst – auch das, bei dem Du nach drei Tagen weißt: „Hier will ich nie wieder hin.“ Warum? Weil Du lernst, was Du NICHT willst. Und das ist genauso wichtig.
Drittens: Sprich mit echten Menschen. Ruf Leute an, die dort arbeiten, wo Du hinwillst. Frag sie, wie ihr Alltag aussieht. Die meisten freuen sich, wenn sich jemand ehrlich interessiert – und oft bekommst Du genau die Insights, die Dir kein Karriereportal liefert.
Viertens: Lass Dich nicht von Prestige blenden. Der „beste“ Job ist der, der zu Deinem Leben passt. Du musst nicht die krasseste Kanzlei schaffen, um glücklich zu sein. Aber wenn Du’s willst – go for it.
Fünftens: Denk quer. Kombiniere Jura mit Deinen Interessen. Wenn Du Hunde liebst, gründe eine Kanzlei für Tierrecht. Wenn Du Musik machst, arbeite im Urheberrecht. Wenn Du reisen willst, denk international. Die Kombi macht’s.
Fazit: Jura ist ein Werkzeugkasten
Also, was bleibt unterm Strich? Jura ist kein Tunnel mit nur einem Ausgang. Es ist eher wie ein riesiger Werkzeugkasten, den Du aufklappst – und je nachdem, welches Projekt Du angehen willst, greifst Du zu einem anderen Tool.
Du willst gestalten, verstehen, verändern? Jura bringt Dir das Handwerkszeug dafür. Und das Beste daran: Ob Du damit ein Haus baust, ein Gesetz formulierst, ein Unternehmen berätst oder einen Blog schreibst – das liegt ganz bei Dir.
Denn am Ende ist Jura nicht das Ziel. Es ist das Sprungbrett. Und wohin Du springst, bestimmst Du. Ganz ohne Robe. Aber mit Rückgrat.
