Früh im Studium redet niemand drüber. Später im Studium will plötzlich jeder eine Meinung dazu. Und am Ende fragt man sich: Warum hat eigentlich niemand erklärt, was dieser Schwerpunkt genau soll?

Willkommen im Bermudadreieck des Jurastudiums: dem Schwerpunktbereich.

Das ist der Teil, den viele Studierende erstmal ignorieren – bis sie plötzlich wählen müssen. Und dann beginnt das Rätselraten: Ist der wichtig? Zählt der überhaupt fürs Examen? Wann muss man sich entscheiden? Und wie soll man wissen, was zu einem passt, wenn man bis dahin kaum weiß, wie „BGB AT“ funktioniert?

Dieses Kapitel bringt Ordnung ins Wirrwarr. Denn der Schwerpunkt ist kein Anhängsel, sondern ein Drittel der Endnote – und kann Dir im besten Fall sogar richtig Spaß machen. Vorausgesetzt, Du weißt, was auf Dich zukommt.

Was ist der Schwerpunkt überhaupt?

Der Schwerpunktbereich ist der Teil des Jura-Studiums, in dem Du eine individuelle Vertiefung wählst. Während das Pflichtprogramm (Zivilrecht, Strafrecht, Öffentliches Recht) für alle gleich ist, erlaubt Dir der Schwerpunkt, Deinen eigenen Akzent zu setzen.

Je nach Uni hast Du dabei die Wahl aus verschiedensten Themenfeldern: Medienrecht, Völkerrecht, Steuerrecht, Kriminologie, Umweltrecht, Medizinrecht, Unternehmensrecht, Rechtsphilosophie, IT-Recht und vieles mehr.

Du kannst also entweder tiefer in etwas einsteigen, das Du spannend findest – oder strategisch wählen, was Dir liegt.

Warum der Schwerpunkt mehr ist als nur ein „Anhängsel“

Manche tun den Schwerpunkt als „Bonus“ ab – schließlich zählt er nicht fürs staatliche Examen. Aber Vorsicht: In der Gesamtnote des Ersten Examens macht er etwa 30 Prozent aus. Und die sind nicht zu unterschätzen.

Denn in vielen Bundesländern ist der Schwerpunkt: voll benotet, inklusive Hausarbeit und mündlicher Prüfung, in die Endnote integriert, teilweise sogar vor dem staatlichen Teil zu absolvieren, eine Möglichkeit, sich von der Masse abzuheben – mit einem Thema, das nicht alle anderen auch haben.

Wer hier gut plant, kann seine Gesamtleistung deutlich aufwerten. Und wer hier schlampt, hat später das Nachsehen – selbst mit guten Klausuren im Pflichtteil.

Wann muss man sich entscheiden?

Auch das hängt von Deiner Uni ab. Manche verlangen die Wahl schon nach dem Grundstudium, andere erst nach dem Abschluss der großen Übungen. Typisch ist der Einstieg nach dem vierten Semester, wobei viele Studierende sich erst viel zu spät Gedanken machen.

Unser Tipp: Fang frühzeitig an, Dich zu orientieren. Lies Dir die Schwerpunkt-Broschüren Deiner Uni durch. Besuch mal eine Vorlesung „zum Reinschnuppern“. Sprich mit älteren Semestern oder Lehrstühlen. Denn wer zu spät wählt, hat nicht nur weniger Zeit zum Lernen – sondern oft auch weniger Auswahl.

Wie wählt man den „richtigen“ Schwerpunkt?

Spoiler: Es gibt keine perfekte Wahl. Aber es gibt eine, die zu Dir passt. Und dafür lohnt sich ein kleiner Selbstcheck: Interessieren Dich eher internationale Themen – oder nationale Dogmatik? Liebst Du Theorie und Grundlagen – oder praktische Anwendung? Bist Du jemand, der gerne viel liest und schreibt – oder jemand, der auf Klausur-Training setzt?

Und dann: Vertrau ein bisschen Deinem Bauchgefühl. Der beste Schwerpunkt ist der, bei dem Du dranbleibst, auch wenn’s mal schwierig wird. Denn Hausarbeiten schreibt man nicht aus Pflicht, sondern aus Interesse.

Hausarbeit, Seminar, mündliche Prüfung – was kommt auf Dich zu?

Der Schwerpunkt ist oft das erste Mal, dass Jura nicht nur Klausur heißt. Stattdessen erwartet Dich: eine wissenschaftliche Hausarbeit, oft über 20–30 Seiten,
ein Seminar, bei dem Du ein Thema präsentierst und diskutierst, eine mündliche Prüfung, je nach Uni mehr oder weniger gewichtet.

Das klingt erstmal nach viel – und ist auch nicht ohne. Aber: Es ist auch eine Gelegenheit. Du kannst zeigen, dass Du mehr kannst als Schema F. Du kannst Dich mit einem Thema richtig tief auseinandersetzen. Und: Du kannst dabei auch endlich etwas schreiben, das nicht nur eine Lösungsskizze ist.

Schwerpunkt und Karriere – bringt das was?

Auch hier gilt: Es kommt drauf an. Wer später in einem Spezialgebiet arbeiten will – etwa im Medienrecht, im Steuerrecht oder im Umweltrecht – der kann mit einem passenden Schwerpunkt früh Expertise aufbauen. Das ist nicht nur gut für Bewerbungen, sondern auch für die Motivation.

Aber auch, wenn Du noch keine Ahnung hast, was Du später machen willst: Der Schwerpunkt kann Dir helfen, herauszufinden, was Dir liegt. Und er zeigt späteren Arbeitgebern, dass Du Interessen entwickelst – und nicht nur Schema-Klausuren schreibst.

Fazit: Der Schwerpunkt ist kein Nebenschauplatz – sondern Deine Bühne

Viele unterschätzen den Schwerpunkt – bis sie mittendrin stecken. Dabei ist er nicht nur ein Drittel Deiner Note, sondern auch ein Drittel Deiner Studienzeit, das Du selbst gestalten kannst. Und genau deshalb lohnt es sich, ihn ernst zu nehmen.

Du musst nicht heute wissen, was Du willst. Aber Du solltest heute anfangen, darüber nachzudenken. Denn der Schwerpunkt ist wie ein Kompass: Er sagt nicht, wo Du landen wirst – aber er zeigt Dir, wo Du gerade hinsteuerst.

Und manchmal ist das der entscheidende Unterschied.