Manchmal reicht es nicht, nur der Täter oder das Opfer zu sein. § 231 StGB wirft einen besonderen Blick auf das Getümmel dazwischen: Wer sich an einer Schlägerei oder einem gemeinschaftlichen Angriff beteiligt, kann schon allein deshalb bestraft werden – selbst wenn unklar bleibt, wer genau welchen Schaden verursacht hat. Warum? Weil solche Massenschlägereien oft außer Kontrolle geraten und nicht nur die Beteiligten, sondern auch Unbeteiligte in Gefahr bringen können. Der Gesetzgeber will da nicht erst warten, bis man mit Sicherheit sagen kann, wessen Faust welche Nase gebrochen hat.

Damit haben wir es bei § 231 StGB mit einem abstrakten Gefährdungsdelikt zu tun. Schon die Beteiligung ist strafwürdig – allerdings nur dann, wenn eine besonders schwere Folge eingetreten ist: also ein Tod oder eine Verletzung, wie sie in § 226 StGB beschrieben wird (zum Beispiel Verlust des Augenlichts oder einer Gliedmaße).

Hinter dem Paragrafen steht aber auch ein praktisches Anliegen: In der Hitze des Gefechts ist es oft kaum noch möglich, genau zu rekonstruieren, wer wem was angetan hat. Damit diese Beweisschwierigkeiten nicht dazu führen, dass am Ende niemand zur Verantwortung gezogen wird, greift § 231 StGB ein.

Aber keine Sorge – nicht jede wüste Rangelei führt gleich zur Strafbarkeit. Schauen wir genauer hin:

Schlägerei oder gemeinschaftlich verübter Angriff

Fangen wir mit der Schlägerei an: Damit ist nicht das zünftige Schubsen auf dem Volksfest gemeint, sondern eine körperliche Auseinandersetzung, an der mindestens drei Personen aktiv mitwirken.

Und zwar wirklich körperlich – bloßes Anfeuern am Rand zählt nicht. Wenn also zwei sich prügeln und der Dritte ruft „Gib ihm!“, reicht das nicht. Wenn aber der Dritte mitmischt, sieht die Sache anders aus – dann sind wir mittendrin in der Schlägerei.

Wenn einer der Beteiligten aus dem Geschehen aussteigt, bevor es zur schlimmen Folge kommt, reduziert sich die Zahl der aktiv Mitwirkenden. Dann kann es sein, dass gar keine Schlägerei mehr vorliegt – weil eben nur noch zwei aktiv beteiligt sind.

Die zweite Variante ist der gemeinschaftlich verübte Angriff. Der ist dann gegeben, wenn mindestens zwei Personen sich zusammentun, um eine andere Person körperlich anzugehen.

Dabei müssen sie sich nicht zwingend gleichzeitig auf sie stürzen oder in klassischer Mittäterschaft handeln – wichtig ist, dass der Angriff auf dasselbe Ziel gerichtet ist und ein gemeinsamer Angriffswille erkennbar ist.

Beispiel gefällig? Zehn Leute bewaffnen sich und fahren gemeinsam los, um eine Feier zu überfallen. Noch bevor alle ausgestiegen sind, sticht einer von ihnen auf ein Opfer ein – tödlich. Auch wenn nicht alle selbst zugestochen haben, haben sie sich gemeinsam zu dem Angriff entschlossen. Und damit: Beteiligung – zack, § 231 StGB.

Beteiligung

Jetzt zur Beteiligung selbst: Man kann sich auch dadurch an einer Schlägerei „beteiligen“, dass man als dritte Person überhaupt erst dafür sorgt, dass eine Schlägerei entsteht. Aktiv mitmachen ist also das Schlüsselwort – nur Zuschauen oder Zurufen reicht nicht.

Dabei ist es egal, ob man aus Notwehr handelt oder nicht – wer körperlich aktiv mitmischt, wird vom Tatbestand erfasst. Ob man dabei selbst ein Messer zieht oder nur seinem Kumpel eins reicht, spielt keine große Rolle. Selbst wer nur psychisch anfeuert, kann sich strafbar machen – allerdings nur, wenn schon mindestens drei aktiv Körperliche dabei sind und man sich deutlich einbringt.

Vorsatz

Wie immer bei Vorsatzdelikten muss der Täter wissen, was er da tut – also, dass er an einer Schlägerei oder einem gemeinschaftlichen Angriff teilnimmt. Ein „Oh, ich dachte, das ist ein Flashmob“ zieht hier also nicht.

Objektive Bedingung der Strafbarkeit

§ 231 StGB ist kein Freifahrtschein, jeden Rempler strafrechtlich zu verfolgen. Strafbar ist die Beteiligung nur, wenn durch die Schlägerei oder den Angriff eine schwere Folge eintritt – also jemand stirbt oder eine schwere Körperverletzung im Sinne des § 226 StGB entsteht.

Wichtig dabei: Der Täter muss das nicht gewollt oder vorhergesehen haben. Diese schwere Folge ist eine objektive Bedingung der Strafbarkeit. Es reicht, dass sie da ist und ursächlich auf die Schlägerei oder den Angriff zurückgeht.

Ein Zuschauer, der vom Schrecken der Szene einen Herzinfarkt bekommt? Das ist meistens nicht zurechenbar – denn das ist nicht die typische Gefahr einer Schlägerei. Stirbt aber einer der Beteiligten – selbst wenn er in Notwehr gehandelt hat – sieht das ganz anders aus. Dann hat sich das typische Risiko der Schlägerei verwirklicht.

Beispiel: A, B und C hauen sich gegenseitig die Köpfe ein. Als B den A würgt, zieht dieser ein Messer und sticht zu – B stirbt. Zwar handelt A aus Notwehr und ist deswegen nicht wegen Totschlags strafbar. Aber er war Teil der Schlägerei – und hat durch seine Beteiligung mit dafür gesorgt, dass es so weit kommen konnte. Also: Strafbar nach § 231 StGB.

Jetzt wird’s spannend: Was ist mit einem Täter, der sich erst nach Eintritt der schweren Folge an der Schlägerei beteiligt? Hier sagen viele Stimmen im Schrifttum: Das geht nicht! Denn er hat mit der gefährlichen Entwicklung, die zur schweren Folge geführt hat, gar nichts zu tun. Er hat kein Risiko geschaffen, das sich dann im Schaden niederschlug. Und der Zweck des § 231 StGB – nämlich Beweisschwierigkeiten zu überbrücken – rechtfertigt nicht, ihn trotzdem zu bestrafen.

Rechtswidrigkeit und Schuld

Jetzt kommt ein interessanter Filter: Wer in nicht vorwerfbarer Weise mitmacht – also gerechtfertigt oder entschuldigt ist –, kann sich nicht nach § 231 StGB strafbar machen. Das ist der Inhalt von Abs. 2.

Wenn Du Dich also nur verteidigt hast, weil Dich jemand angegriffen hat, oder in einer Panikreaktion ohne Schuld gehandelt hast, dann wird Dir das nicht als Beteiligung vorgeworfen.

Konkurrenzen

§ 231 StGB steht oft nicht allein im Raum. Wenn zusätzlich noch ein Totschlag oder eine Körperverletzung im Raum steht, kommt es zur Idealkonkurrenz – das bedeutet: Beide Tatbestände nebeneinander, keine Verdrängung. Aber: Wenn sich der ganze Angriff auf ein Opfer konzentriert und in einer individuellen Körperverletzung aufgeht, kann es sein, dass § 231 StGB im konkreten Fall zurücktritt.