§ 226 StGB ist keine kleine Nummer. Hier geht’s nicht mehr um eine Ohrfeige oder einen blauen Fleck. Wer sich diesen Tatbestand einhandelt, hat nicht nur jemanden verletzt, sondern das mit Folgen, die das Leben des Opfers ernsthaft verändern. Die Vorschrift nennt sich offiziell „schwere Körperverletzung“ – und genau das ist sie auch.

Grunddelikt

Aber bevor wir uns die einzelnen Varianten im Detail anschauen, kurz ein juristischer Blick aufs große Ganze: § 226 StGB ist ein erfolgsqualifiziertes Delikt. Das bedeutet: Wir haben ein Grunddelikt – in diesem Fall eine einfache Körperverletzung nach § 223 StGB – und einen besonders schweren Erfolg, der obendrauf kommt. Für den Grundtatbestand brauchst Du Vorsatz, für den qualifizierenden Erfolg reicht auch Fahrlässigkeit (§ 18 StGB). Typisch also: Vorsatz-Fahrlässigkeits-Kombi. Und weil § 11 Abs. 2 StGB sagt, dass solche Kombis als Vorsatztaten gelten, kannst Du § 226 StGB auch versuchen – und andere können sich daran beteiligen.

Wichtig: Das Grunddelikt muss ein vollendeter und strafbarer § 223 StGB sein. Eine fahrlässige Körperverletzung nach § 229 StGB reicht nicht aus – das ist hier keine Basis. Und für die schwere Folge, wie gesagt: Fahrlässigkeit reicht. Wenn der Täter sogar absichtlich oder wissentlich auf die schwere Folge hinarbeitet, wird’s richtig dicke – dann bist Du bei § 226 Abs. 2 StGB.

Qualifizierende Erfolge

Hier geht’s nicht mehr nur ums Wie, sondern vor allem ums Was danach: Die schwere Körperverletzung knüpft an besonders gravierende Folgen an – etwa wenn jemand ein Auge verliert, gelähmt bleibt oder dauerhaft entstellt ist. Diese sogenannten qualifizierenden Erfolge machen aus einer ohnehin schon strafbaren Körperverletzung ein Verbrechen mit deutlich höherem Strafrahmen. Wir schauen uns an, welche Folgen erfasst sind – und worauf es bei der Prüfung ankommt.

Verlust bestimmter Funktionsfähigkeiten

Du verlierst nicht irgendeine Kleinigkeit, sondern etwas, das für Dein Leben fundamental ist (§ 226 Abs. 1 Nr. 1 StGB): Sehen, Hören, Sprechen oder Deine Fortpflanzungsfähigkeit. Weg ist weg – und „wertlose Reste“ zählen nicht mehr. Sehvermögen: Wenn Du auf einem Auge nichts mehr erkennen kannst – nicht mal grobe Formen –, ist Schluss mit Sehen. Ein bisschen Licht oder Schatten hilft nicht. Hörvermögen: Artikulierte Sprache muss noch verstanden werden können. Fünf Prozent Resthörfähigkeit auf einem Ohr? Reicht nicht – das zählt als verloren. Sprechvermögen: Wer nicht mehr artikuliert sprechen kann, hat es verloren. Und keine Sorge: Die Vorschrift ist geschlechtsneutral – „Fortpflanzungsfähigkeit“ gilt für alle.

Entscheidend ist, dass die Einschränkung dauerhaft ist. Bedeutet: Keine Aussicht auf vollständige Heilung, auch wenn Prothesen oder Hilfsmittel das Problem technisch kaschieren können. Eine Brille hilft zwar beim Sehen, ändert aber nichts an einem zerstörten Auge. Es geht um den organischen Schaden.

Verlust oder Gebrauchsunfähigkeit eines wichtigen Gliedes

Jetzt wird’s konkret – körperlich konkret. Hier geht es um äußerliche Körperteile (Nr. 2), die der Körper hat – und zwar solche, die nicht nur rumhängen, sondern tatsächlich was tun.

Glied

Die klassische Meinung sagt: Glied ist nur, was außen ist, mit Gelenk am Körper hängt und eigenständig funktioniert – also Arm, Bein, Finger, Zeh. Die Nase? Nur nach der weiteren Ansicht. Eine Niere? Nur nach der ganz weiten Ansicht.

Die Rechtsprechung sagt zwar meistens Nein zu inneren Organen, aber so ganz überzeugt das nicht – vor allem, wenn man bedenkt, dass bei illegalen Organentnahmen genau solche Körperteile betroffen sind. Deshalb spricht vieles dafür, auch innere Organe als Glieder zu zählen, wenn sie eine eigenständige Funktion im Gesamtorganismus haben. Zähne und Hautstücke sind damit aber raus – keine eigenständige Funktion.

Wichtig

Hier kommt die Bewertung ins Spiel: Es zählt nicht jedes Körperteil, sondern nur solche, die wirklich was ausmachen. Das kann objektiv der Fall sein – wie bei der Hand – oder sich aus der konkreten Lebenssituation ergeben. Der kleine Finger eines Konzertpianisten? Wichtig. Der linke Daumen eines Tischlers? Wichtig. Es geht darum, ob der Verlust wesentliche Körperfunktionen beeinträchtigt – im Alltag, im Beruf, im Leben.

Der BGH sieht das ähnlich: Er lehnt die rein objektive Sichtweise („nur was für jeden wichtig ist“) ab und bezieht auch individuelle Umstände ein – zumindest körperliche. Bei beruflichen Folgen ist man vorsichtiger, aber: Wer wegen zwei tauber Finger seinen Beruf verliert, könnte trotzdem unter § 226 StGB fallen – wenn die Dauer und Schwere stimmen.

Folge

Verloren heißt: wirklich physisch weg. Abgetrennt. Da hilft auch keine Prothese. Unbrauchbar heißt: dauerhaft nicht mehr einsetzbar – etwa weil das Glied versteift ist. Auch das zählt, wenn es die Funktionen so stark einschränkt, dass sie einem physischen Verlust gleichkommen. Die Abgrenzung ist fließend – entscheidend ist eine wertende Gesamtbetrachtung.

Und wenn das Opfer medizinische Hilfe nicht in Anspruch nimmt? Dann kommt’s drauf an: War die Behandlung zumutbar? Hätte sie den Schaden sicher gemildert? Wenn ja, kann das den Zurechnungszusammenhang kappen – der Täter haftet dann möglicherweise nicht für die volle Folge.

Dauerhafte Entstellung in erheblicher Weise

Das hier ist der ästhetische Tiefschlag (§ 226 Abs. 1 Nr. 3 Alt. 1 StGB). Wer jemandem das äußere Erscheinungsbild ruiniert – dauerhaft und erheblich –, erfüllt auch § 226 StGB. Eine Narbe allein reicht aber nicht. Es braucht eine Verunstaltung, die das soziale Erscheinungsbild ernsthaft verändert. Und zwar so sehr, dass sie in ihrer Bedeutung mit den anderen schweren Folgen mithalten kann.

Kleine Narben – selbst im Gesicht – reichen meistens nicht. Was zählt: Entstellungen, die Proportionen verzerren oder dauerhaft auffallen, wie etwa der Verlust eines Nasenflügels, ein verschobener Kiefer oder ein schlaffes Augenlid.

Dauerhaft“ heißt hier: nicht mehr zu beseitigen – oder nur mit unzumutbarem Aufwand. Künstliche Verbesserungen wie Prothesen oder Kosmetik zählen mit – aber nur, wenn sie wirklich helfen. Wenn das Opfer nichts unternimmt, obwohl es leicht möglich wäre? Dann kann der Tatbestand unter Umständen trotzdem nicht erfüllt sein – wenn die Folgen nicht als dauerhaft zu werten sind.

Verfallen in Siechtum, Lähmung usw.

Zum Schluss noch der medizinische Hammer: Wer jemanden in einen chronischen Zustand bringt, der das Leben komplett umkrempelt, landet ebenfalls in § 226 StGB (Nr. 3 Alt. 2). Siechtum: ein Zustand allgemeiner Hinfälligkeit. Klingt altmodisch, ist aber ernst. Chronisch krank, ständig erschöpft, immer wieder im Bett – das ist gemeint. Lähmung: bedeutet nicht nur, dass ein Arm nicht mehr bewegt werden kann. Es reicht, wenn die Bewegungsfähigkeit so eingeschränkt ist, dass der ganze Körper darunter leidet.

Spezifischer Gefahrverwirklichungszusammenhang

Wie bei der Körperverletzung mit Todesfolge.