Wenn wir über die Falschbeurkundung im Amt sprechen, dann schauen wir direkt auf zwei Vorschriften, die unzertrennlich zusammengehören: § 348 StGB und § 271 StGB. Die beiden regeln nämlich ein ganz besonderes Phänomen – die schriftliche Lüge im Behördengewand. Im Unterschied zur „klassischen“ Urkundenfälschung nach § 267 StGB geht es hier nicht darum, ob das Dokument echt oder unecht ist. Vielmehr steht die inhaltliche Wahrheit im Fokus – und zwar bei öffentlichen Urkunden. Das sind Urkunden, die ein besonderes Vertrauen des Rechtsverkehrs genießen, wie zum Beispiel Personalausweise, Reisepässe oder Einträge in öffentlichen Registern.

Wenn ein Amtsträger also in seinem Verantwortungsbereich bewusst eine falsche Tatsache in ein solches Dokument aufnimmt, dann ist er bei § 348 StGB gelandet. Und wenn ein Externer diese falsche Beurkundung initiiert, obwohl der Amtsträger selbst gutgläubig handelt, dann kommt § 271 StGB ins Spiel. Beide Vorschriften schließen § 267 StGB aus – es geht also entweder um das eine oder das andere. Ausnahme: Wenn für die Täuschung auch eine unechte oder verfälschte Urkunde verwendet wird, kann § 267 neben § 271 oder § 348 StGB in Tateinheit stehen.

Ein Beispiel, das das Zusammenspiel gut zeigt: B bastelt sich eine Promotionsurkunde, auf der steht, dass ihm die Uni Konstanz den Titel „Dr. jur.“ verliehen hat – was natürlich nicht stimmt. Diese Urkunde legt er dem Einwohnermeldeamt vor, als er seinen neuen Personalausweis beantragt. Der zuständige Amtsträger A sieht das Dokument, schöpft keinen Verdacht und trägt den Doktortitel brav in den Ausweis ein. Die Folge: A hat in einer öffentlichen Urkunde eine falsche Tatsache beurkundet – nämlich den Titel – und damit ist die Bühne frei für unsere §§ 348 und 271 StGB.

Falschbeurkundung im Amt

Zunächst widmen wir uns der Falschbeurkundung im Amt.

Täter

Hier ist die Sache ganz klar: § 348 StGB ist ein echtes Amtsdelikt. Das heißt, nur wer Amtsträger im Sinne von § 11 Abs. 1 Nr. 2 StGB ist, kann überhaupt Täter sein.

Für Nicht-Amtsträger ist an dieser Stelle Schluss – zumindest als unmittelbare oder mittelbare Täter (mangels Täterqualität). Die können höchstens als Anstifter oder Gehilfen zur Verantwortung gezogen werden, und auch das nur, wenn sie genau wissen, was sie tun (Teilnahmevorsatz). In dem Fall greift dann § 28 Abs. 1 StGB (besondere persönliche Merkmale), weil es sich um ein Sonderdelikt handelt, bei dem die Täterrolle an eine besondere Stellung – eben das Amt – geknüpft ist.

Zurück zu unserem Promotionsbeispiel: (1) Wenn Amtsträger A sich vom guten B 1.000 Euro dafür zahlen lässt, dass er den Doktortitel in den Ausweis einträgt, dann ist A bösgläubig und erfüllt § 348 Abs. 1 StGB. Nebenbei flattert ihm § 332 StGB (Bestechlichkeit) rein – beide in Tateinheit. Wenn A die Fälschung erkennt, aber trotzdem einträgt, weil B ihm sympathisch ist, bleibt es ebenfalls bei § 348 StGB. Wenn B davon ausgeht, dass A die Fälschung erkennen und trotzdem eintragen wird, A das aber nicht tut, weil er nichts merkt, ist nur § 271 StGB erfüllt – dazu gleich mehr.

Ein Klassiker in der Rechtsprechung war übrigens der Fall, in dem ein Beamter einem Nichtdeutschen einen deutschen Pass mit Fantasienamen ausstellte. Obwohl der Name ausgedacht war, erschien nach außen hin die Passbehörde als Ausstellerin – also keine unechte Urkunde im Sinne des § 267 StGB, sondern eine echte Urkunde mit falschem Inhalt. Bingo: § 348 StGB.

Tatobjekt

Die Urkunde muss für und gegen jedermann Beweiswirkung entfalten (öffentliche Urkunde). Es reicht nicht, wenn sie intern oder informell eine Rolle spielt – sie muss den Rechtsverkehr überzeugen können. Personalausweise, Führerscheine, Registereintragungen: genau solche Urkunden sind gemeint.

Tathandlung

Wichtig ist, dass sich der Amtsträger nicht nur verschreibt oder verrechnet – es muss eine relevante Tatsache sein, die rechtliche Bedeutung hat und die mit der besonderen Beweiskraft der Urkunde ausgestattet ist. Außerdem verlangt die herrschende Meinung, dass die Urkunde entweder tatsächlich in den Rechtsverkehr gelangt oder der Täter zumindest die Absicht hat, das zu erreichen. So ähnlich wie beim § 267 StGB.

Mittelbare Falschbeurkundung

Was tun, wenn der Amtsträger keine bösen Absichten hat, sondern schlicht gutgläubig handelt? Genau dafür ist § 271 StGB gemacht. Die Norm schließt eine Lücke: Sie greift, wenn ein Dritter einen gutgläubigen Amtsträger als Werkzeug benutzt, um eine falsche Tatsache in eine öffentliche Urkunde einzuschleusen.

Zurück zu unserem Beispiel: B weiß, dass der Doktortitel falsch ist. Amtsträger A durchschaut das aber nicht und trägt ihn ein. A scheidet aus § 348 StGB aus – ihm fehlt der Vorsatz. B könnte jetzt theoretisch als mittelbarer Täter angesehen werden. Das Problem: Für § 348 StGB fehlt ihm die Amtsträgereigenschaft – das Delikt ist ein Sonderdelikt. Deshalb springt § 271 StGB ein und sagt: Wer eine falsche Beurkundung „bewirkt„, macht sich strafbar. Genau das hat B getan.

Wichtig: Man darf an dieser Stelle nicht zurückfallen auf § 267 StGB. Warum? Weil die Urkunde weiterhin von der Behörde stammt – Eitel hat niemanden über die Identität des Ausstellers getäuscht. Die Behörde bleibt erkennbar diejenige, die den Personalausweis ausstellt.

Tatobjekt

Was zählt als öffentliche Urkunde? Da hilft ein Blick ins Zivilprozessrecht: § 415 ZPO gibt den Takt vor. Eine Urkunde ist öffentlich, wenn sie von einer Behörde oder einer Person mit öffentlichem Glauben (Notar, Gerichtsvollzieher) in ihrer Zuständigkeit und in der vorgeschriebenen Form aufgenommen wurde.

Aber: Nicht jede falsche Angabe in so einem Dokument fällt automatisch unter § 271 StGB. Die Norm greift nur dann, wenn sich die erhöhte Beweiskraft – also der öffentliche Glaube – genau auf die beurkundete Tatsache bezieht. Woher weiß man, worauf sich der öffentliche Glaube erstreckt? Manchmal steht’s im Gesetz – zum Beispiel in § 892 BGB (Grundbuch), § 2365 BGB (Erbfolge) oder § 274 StPO (Strafprozess). Manchmal muss man den Sinn und Zweck der Vorschrift herleiten. Dabei ist der Maßstab streng: Die Beweiswirkung muss sich eindeutig und zweifelsfrei auf die jeweilige Tatsache beziehen, sonst greift § 271 StGB nicht.

Was fällt typischerweise darunter? Bei Personalausweisen etwa: Identität, akademischer Grad, Geburtsdatum – alles, was die Behörde prüft und bestätigt, genießt öffentlichen Glauben. Beim Führerschein: Der öffentliche Glaube erstreckt sich nicht nur auf die Fahrerlaubnisklassen, sondern auch darauf, dass die Urkunde dem richtigen Menschen gehört – also Identitätsnachweis inklusive.

Was nicht drunterfällt: Wenn der Ausweis einen Hinweis enthält wie „Angaben beruhen auf eigenen Angaben der betroffenen Person“, ist klar: Hier will sich die Behörde gerade nicht festlegen. Solche Angaben stehen nicht unter öffentlichem Glauben – und dann ist § 271 StGB raus.

Bewirken der Falschbeurkundung

Jetzt wird’s spannend: Der § 271 StGB richtet sich nicht an die Amtsstuben selbst, sondern an Personen von außen – Leute wie Du und ich, die keinen Dienstausweis im Portemonnaie haben. Der Kernvorwurf lautet: Jemand bringt einen Amtsträger dazu, eine öffentliche Urkunde falsch zu beurkunden. Oder anders gesagt: Der Amtsträger beurkundet eine Tatsache, die so nicht stimmt – und das liegt daran, dass jemand Drittes ihn genau dazu gebracht hat.

Dieses „Bewirken“ ist der Clou an der Sache. Es meint kein schlichtes Bitten, kein höfliches Anstoßen oder eine zufällige Kettenreaktion. Gemeint ist, dass der Täter das Geschehen steuert, bewusst Einfluss nimmt – also das klassische Modell eines mittelbaren Täters, der im Hintergrund die Fäden zieht. Der Amtsträger wird dadurch zu seinem Werkzeug. Aber Achtung: Der Amtsträger selbst muss gutgläubig sein. Hat er selbst böse Absichten und weiß, dass er gerade etwas Falsches unterschreibt, dann sind wir mitten im § 348 StGB – und für § 271 StGB ist dann kein Platz mehr. Beide Vorschriften schließen sich gegenseitig aus, jedenfalls in Bezug auf dieselbe Urkunde.

Beispiel gefällig? E bastelt sich eine gefälschte Promotionsurkunde, legt sie bei der Beantragung seines Ausweises vor und hofft, dass der Beamte sie glaubt. Der Beamte ist gutgläubig und trägt den Doktortitel in den Ausweis ein. Zack – das war’s. E hat das falsche Beurkundungsverhalten bewirkt, ohne selbst Amtsträger zu sein. Der Amtsträger hat objektiv falsch gehandelt, aber mangels Vorsatz nicht rechtswidrig im Sinne des § 348 StGB. Genau hier greift § 271 StGB.

Wer also § 271 StGB erfüllt, agiert quasi als Regisseur einer urkundlichen Unwahrheit – und zwar nicht auf einer privaten Bühne, sondern mitten in der Welt der öffentlichen Dokumente. Dass der Amtsträger selbst gutgläubig ist, macht das Ganze nicht harmloser, sondern öffnet erst die Tür zur Strafbarkeit nach § 271 StGB.

Gebrauchen der Urkunde

Und wie geht’s weiter, wenn die falsch beurkundete Urkunde einmal das Licht der Welt erblickt hat? Genau hier kommt Abs. 2 ins Spiel: Wer eine solche Urkunde gebraucht – also sie im Rechtsverkehr verwendet – macht sich ebenfalls strafbar.

Das Gebrauchen meint dabei keine feierliche Enthüllung vor Publikum, sondern schon das schlichte Vorlegen, Einreichen oder sonstige Verwerten gegenüber Dritten, damit diese den Inhalt zur Kenntnis nehmen und als echt und richtig ansehen. Derjenige, der die Urkunde gebraucht, muss zwar nicht selbst die Beurkundung bewirkt haben, aber er muss wissen, dass die Urkunde falsch ist – und dass es sich um eine öffentliche Urkunde mit besonderer Beweiswirkung handelt.

Zurück zum Beispiel mit E: Er hat nicht nur die falsche Beurkundung angestoßen, sondern nutzt den neuen Personalausweis nun auch, um sich bei einer Anwaltskanzlei zu bewerben. Der Doktortitel macht Eindruck – und erfüllt gleichzeitig den Tatbestand des § 271 Abs. 2 StGB. Die falsche Urkunde wird im Rechtsverkehr eingesetzt, mit dem Ziel, Vertrauen zu gewinnen. Die rechtliche Bewertung ist eindeutig: Es liegt ein Gebrauch vor.

Dabei ist wichtig: Auch hier ist wieder nur derjenige erfasst, der nicht selbst Amtsträger ist. Amtsträger, die eine von ihnen selbst falsch beurkundete Urkunde verwenden, sind allein nach § 348 StGB zu beurteilen.

Ein häufiger Irrtum: Manche denken, § 271 Abs. 2 StGB sei nur ein Anhängsel zum ersten Absatz. Stimmt nicht. Auch ohne dass jemand die Beurkundung selbst bewirkt hat, kann er sich strafbar machen, wenn er wissentlich eine objektiv falsche öffentliche Urkunde einsetzt. Es handelt sich also um einen eigenständigen Straftatbestand.