Willkommen in der Welt des Straßenverkehrsstrafrechts, wo’s nicht nur um Blechschäden, sondern gleich um Leib, Leben und fette Sachwerte geht. § 315c StGB ist nicht einfach nur der große Bruder von § 316 StGB (Trunkenheit im Verkehr) – er ist ein echtes Schwergewicht im Reigen der konkreten Gefährdungsdelikte. Anders als der kleine Bruder, der sich mit Trunkenheitsfahrten schon zufrieden gibt, will § 315c StGB mehr: Es muss wirklich gefährlich werden. Und zwar so, dass man sagen kann: „Uff, das ist grad noch mal gut gegangen.“

Strukturell haben wir es mit einem Delikt zu tun, das sich aus zwei Zutaten zusammensetzt: einem Verhaltensteil – also dem, was die Person im Straßenverkehr angestellt hat – und einem Gefährdungsteil, der prüft, ob’s auch wirklich gefährlich wurde. Im Gesetzestext steht es klar: Wenn durch das Verhalten „Leib oder Leben eines anderen Menschen oder fremde Sachen von bedeutendem Wert gefährdet“ wurden, dann wird’s ernst.

Und wichtig: Das Ganze ist kein abstraktes Gefährdungsspiel. Es reicht nicht, dass etwas potenziell gefährlich sein könnte. Es muss wirklich etwas passieren, das man mit gutem Gewissen „konkret gefährlich“ nennen kann. In der Juristensprache: ein Erfolgsdelikt, bei dem der Erfolg eben in der Gefahr liegt.

Noch ein Abgrenzungshäppchen: § 315c StGB betrifft ausschließlich das verkehrswidrige Verhalten im regulären Straßenverkehr, egal ob fließend oder ruhend. Greift das nicht, ist oft Schluss mit Strafbarkeit – dann bleibt’s bei einer Ordnungswidrigkeit. Eine Strafbarkeit nach § 315b StGB (Gefährliche Eingriffe in den Straßenverkehr) kommt nur in Betracht, wenn der Eingriff von außen kommt – also verkehrsfremd ist, zum Beispiel wenn jemand eine Ölspur auf die Straße kippt. § 315c StGB hingegen schützt quasi von innen heraus – vor den Gefahren, die Verkehrsteilnehmer selbst erzeugen.

Auch die subjektive Seite ist fein aufgedröselt: Vorsatz in beiden Teilen? Willkommen bei § 315c Abs. 1 StGB. Vorsatz nur bei der Handlung, aber die Gefährdung war fahrlässig? Dann schau bei § 315c Abs. 1 Nr. 1 StGB rein. Alles nur fahrlässig? Dann ist § 315c Abs. 3 Nr. 2 StGB Deine neue Adresse.

Handlungsteil

Bevor jemand im Straßenverkehr andere gefährdet, muss erstmal eine gefährliche Handlung vorliegen – und genau da setzt der erste Prüfungspunkt an. Ob Alkohol am Steuer, riskantes Überholen oder schlicht völlige Fahruntüchtigkeit: Der Handlungsteil beschreibt das konkrete Fehlverhalten im Straßenverkehr, das später zur Gefahr führt. Wir schauen uns an, welche Fahrfehler hier strafrechtlich relevant werden – und warum es nicht auf den Blechschaden, sondern auf die Handlung davor ankommt.

Rauschbedingte Fahruntüchtigkeit

Wenn’s um Alkohol geht, ist § 315c Abs. 1 Nr. 1a StGB am Start. Er dockt direkt an § 316 StGB an, zieht diesen aber mit in eine Stufe höher – sobald durch die Trunkenheitsfahrt auch noch andere gefährdet wurden. Im Prüfungsaufbau startest Du also mit § 315c StGB und prüfst dann § 316 StGB nur noch ganz knapp, um zu sagen: „Der tritt zurück – hat sich erledigt, weil § 315c StGB spezieller ist.“

Geistige oder körperliche Mängel

Weniger prominent, aber immer noch im Spiel: § 315c Abs. 1 Nr. 1b StGB. Der kümmert sich um Leute, die aufgrund geistiger oder körperlicher Mängel nicht mehr fahrtüchtig sind – ganz gleich, ob dauerhaft oder nur auf Zeit. Vom eingegipsten Bein über massive Übermüdung bis zur epileptischen Anfallsbereitschaft – hier ist alles drin. Wenn Alkohol im Spiel ist, geht allerdings wieder Nr. 1a vor. Wer den Schnaps im Blut hat, wird also nicht über Nr. 1b belangt, sondern bleibt beim Alkoholtatbestand hängen.

Sieben Verkehrssünden

Jetzt wird’s biblisch: Sieben Todsünden des Straßenverkehrs, aufgelistet in § 315c Abs. 1 Nr. 2 StGB. Vom Überholen trotz Unübersichtlichkeit bis zur Missachtung roter Ampeln – diese Delikte sind quasi das Who-is-Who der groben Verkehrsverstöße. Wichtig ist: Es reicht nicht, bloß einen dieser Fehler zu begehen. Der Täter muss das Ganze auch noch grob verkehrswidrig und rücksichtslos durchziehen. Was bedeutet das?

Grob verkehrswidrig ist ein besonders schwerwiegender Verstoß gegen Verkehrsvorschriften – also nichts, was mal eben so passiert. Und rücksichtslos bedeutet, dass der Täter entweder bewusst egoistisch oder aus Gleichgültigkeit gegenüber anderen handelt. Beides muss feststellbar sein – und letzteres gehört sogar zur subjektiven Seite.

Gefährdungsteil

Jetzt kommen wir zum Herzstück des § 315c StGB: der konkreten Gefahr. Und hier geht’s um mehr als nur ein komisches Gefühl oder ein bisschen Nervenkitzel auf der Rückbank. Konkret gefährlich wird’s nur, wenn ein Schaden so unmittelbar bevorstand, dass nur noch der Zufall die Katastrophe verhindert hat.

Stichwort: Beinahe-Unfall. Es muss also vom Zufall abhängen, ob ein Rechtsgut verletzt wird oder nicht.

Das Ganze wird mit einer ex post-Prognose geprüft – also: Wie gefährlich war das Ganze wirklich, wenn man auch nachträglich nochmal auf alle Umstände schaut? War das so kritisch, dass es jederzeit hätte krachen können? Damit es konkret wird, müssen zwei Dinge erfüllt sein: Es braucht eine Situation, in der’s wirklich fast geknallt hätte. Und ein anderer Mensch oder eine fremde Sache muss konkret betroffen gewesen sein.

Leib oder Leben eines anderen Menschen

Auch hier gibt’s Streitstoff. Gehören Beifahrer oder Mitfahrer zum Kreis der „anderen Menschen“? Nach dem Wortsinn ja – schließlich steht im Gesetz nicht: „außer Beifahrer“. Trotzdem sagt der BGH: Nein, wer auf der Täterseite steht, ist nicht geschützt. Aber das überzeugt nicht. Auch bei anderen Delikten – wie Körperverletzung oder Tötung – sind Beteiligte ja sehr wohl tatbestandlich geschützt. Warum also hier nicht?

Ein zweites heißes Eisen: die Einwilligung. Was ist, wenn der gefährdete Beifahrer gesagt hat: „Fahr ruhig, ich vertraue Dir!“? Gilt das als Freifahrtschein? Die herrschende Meinung sagt: Nein. Der Zweck von § 315c StGB ist schließlich auch der Schutz der allgemeinen Verkehrssicherheit – und darüber kann niemand disponieren. Selbst wenn jemand mit seinem eigenen Leben spielen will, darf der Fahrer das nicht zulassen. Die Gegenmeinung sagt: Doch, warum eigentlich nicht? Wenn jemand bewusst ein Risiko eingeht, ist das seine Sache.

Fremde Sachen von bedeutendem Wert

Kommen wir zum zweiten Schutzgut in § 315c StGB: Dinge. Aber nicht irgendwelche. Die müssen schon fremd sein – also nicht im Alleineigentum des Täters – und von bedeutendem Wert. Und was genau bedeutet „bedeutend“? Keine Sorge, das meint nicht gleich einen Oldtimer für 150.000 Euro. Die Grenze liegt laut Rechtsprechung irgendwo zwischen 750 und 1.300 Euro – je nach Bundesland, Inflation und Laune des Gerichts. Meist pendelt sich’s um die 1.000 Euro ein.

Ein zerkratzter Spiegel vom E-Roller fällt also eher raus. Aber ein angefahrener Neuwagen, ein hochwertiges Fahrrad oder ein beschädigter Bauzaun? Die können den Tatbestand locker erfüllen.

Auch wichtig: Das Gesetz schützt nur konkrete Sachen. Eine bloße Gefährdung „irgendeiner fremden Sache“ reicht nicht – sie muss identifizierbar und tatsächlich gefährdet sein. Also zum Beispiel: Das Auto, das der Täter fast gerammt hätte, als er ohne Sicht überholte. Reine „Abstraktkandidaten“ zählen nicht.

Zurechnungszusammenhang

Zwischen dem Fehlverhalten und dem Gefahrerfolg muss ein Zurechnungszusammenhang („und dadurch„) bestehen.

Subjektiver Tatbestand

Jetzt geht’s ans Eingemachte: Was ging im Kopf des Täters vor? Der Gesetzgeber unterscheidet hier fein säuberlich drei Varianten, die Du im Aufbau unbedingt auseinanderhalten solltest:

Vorsatz-Vorsatz

Der Klassiker (Abs. 1): Der Täter handelt vorsätzlich, sowohl im Verhaltensteil (also etwa beim grob verkehrswidrigen Überholen) als auch im Gefährdungsteil (er erkennt, dass es beinahe gekracht hätte – und nimmt’s in Kauf).

Diese Variante ist strafrechtlich die härteste – und im Zweifel auch die mit dem größten Strafrahmen. Also immer zuerst prüfen: Könnte es sich um eine voll vorsätzliche Tat handeln?

Und Achtung: Wenn Du Vorsatz bejahst, darfst Du die fahrlässigen Varianten nicht mehr prüfen – die treten dann zurück.

Vorsatz-Fahrlässigkeit

Jetzt wird’s subtiler (Abs. 3 Nr. 1): Der Täter handelt vorsätzlich bei der Verkehrsregelverletzung, aber fahrlässig hinsichtlich der konkreten Gefahr. Typisch bei Leuten, die’s eigentlich besser wissen müssten, aber denken: „Wird schon gutgehen.“

Fahrlässigkeit-Fahrlässigkeit

Und schließlich die ganz große Schusseligkeit (Abs. 3 Nr. 2): Der Täter verstößt fahrlässig gegen die Verkehrsregeln und gefährdet dabei fahrlässig andere. Also: keine Rücksichtslosigkeit, kein egoistisches Verhalten – nur pure Unachtsamkeit.

Diese Variante ist die mildeste – aber immer noch strafbar. Viele Unfälle auf deutschen Straßen landen genau hier. Der Klassiker: Schulterblick vergessen, Spur gewechselt, fast jemanden touchiert.

Versuch

Der Versuch ist ausdrücklich geregelt (Abs. 4) – und zwar strafbar. Aber: Nur bei den voll vorsätzlichen Taten, also nach § 315c Abs. 1 StGB. Bei den fahrlässigen Varianten macht ein Versuch logischerweise keinen Sinn – wie soll man fahrlässig etwas versuchen?