Du fragst Dich vielleicht: Was passiert eigentlich, wenn im Job etwas schiefgeht? Wer haftet, wenn ein Schaden entsteht – der Arbeitgeber, der Arbeitnehmer oder am Ende beide? Genau hier setzt das Arbeitsrecht ein und versucht, einen fairen Ausgleich zu schaffen.

Arbeitgeberhaftung

Grundsätzlich kann der Arbeitgeber für Schäden haften, die er dem Arbeitnehmer zufügt – sei es aus Vertrag oder aus Delikt. Klingt logisch: Wenn er seine Pflichten verletzt, muss er auch einstehen. Aber im Arbeitsrecht läuft das Ganze nicht so geradlinig wie im allgemeinen Zivilrecht. Hier gibt es nämlich Spezialregeln, die einiges durcheinanderwirbeln.

Haftungsablösung nach §§ 104 f. SGB VII

Ein echtes Schwergewicht ist die gesetzliche Unfallversicherung. Sie verfolgt ein klares Ziel: Streit und Prozesse zwischen Chef und Belegschaft sollen möglichst draußen vor dem Werkstor bleiben.

Das Prinzip: Der Arbeitgeber zahlt brav seine Beiträge in die Unfallversicherung. Passiert ein Unfall im Betrieb, springt nicht er selbst, sondern der Versicherungsträger ein. Arbeitnehmer bekommen also ihre Leistungen sicher – und der Betriebsfrieden bleibt gewahrt. Klingt nach Win-win, oder?

Aber Vorsicht: Die Haftungsablösung deckt nur Personenschäden ab. Sachschäden oder Vermögensschäden? Die fallen weiterhin in die normale Haftung.

Und was ist mit Schmerzensgeld? Man könnte meinen: „Na klar, das bleibt doch beim Arbeitgeber hängen!“ Aber die herrschende Meinung – und sogar das Bundesverfassungsgericht – sagen: Nein, auch Schmerzensgeldansprüche sind durch § 104 SGB VII ausgeschlossen. Begründung: Die Unfallversicherung funktioniert wie eine Zwangshaftpflichtversicherung des Arbeitgebers. Er zahlt – dafür wird er auch vollständig freigestellt. Dass Arbeitnehmer dadurch beim Schmerzensgeld leer ausgehen, sei zumutbar, so das Argument, weil sie immerhin einen solventen, sicheren Schuldner in der Unfallversicherung haben.

Eigenschaden

Jetzt wird’s spannend: Was, wenn der Arbeitnehmer sich selbst verletzt, also quasi „Eigenschaden“ erleidet? Vertragliche oder deliktische Ansprüche gegen den Arbeitgeber scheiden da meist aus – schließlich hat der ja keine Pflicht verletzt.

Trotzdem sagt das BAG: Ganz leer ausgehen soll der Arbeitnehmer nicht. Deshalb gibt’s analog § 670 BGB einen Ersatzanspruch für Aufwendungen – und dazu zählen eben auch Eigenschäden, die im engen Zusammenhang mit der Arbeit stehen. Denk an kaputte Brillen bei der Arbeit oder private Gegenstände, die bei einem Unfall Schaden nehmen. Das Ganze läuft verschuldensunabhängig, der Arbeitgeber muss also zahlen, auch wenn er nichts falsch gemacht hat.

Kleinere Bagatellen wie abgenutzte Kleidung oder dreckige Schuhe? Nein, die sind vom normalen Arbeitsrisiko gedeckt. Aber sobald’s um außergewöhnliche Schäden geht, greift die Analogie.

Schädigt der Arbeitnehmer einen Dritten bei Verrichtung seiner Arbeit, haftet er diesem gegenüber zwar nach allgemeinen Grundsätzen. Allerdings erhält er analog §§ 670, 257 BGB einen Freistellungsanspruch gegen den Arbeitgeber.

Arbeitnehmerhaftung

Drehen wir den Spieß mal um: Was ist, wenn der Arbeitnehmer Mist baut? Nach dem allgemeinen Zivilrecht müsste er für jede Fahrlässigkeit gerade stehen – auch für kleine Fehler. Das wäre allerdings existenzgefährdend, wenn man bedenkt, dass Maschinen oder Fahrzeuge im Betrieb schnell mal Werte im sechsstelligen Bereich erreichen.

Innerbetrieblicher Schadensausgleich

Und hier hat die Rechtsprechung eingegriffen: Die Lehre vom innerbetrieblichen Schadensausgleich. Warum überhaupt Schadensausgleich? Schau mal: Fehler passieren – und zwar jedem, auch den Besten. Der Arbeitgeber organisiert den Betrieb und bestimmt die Abläufe. Damit trägt er auch ein Stück weit das Risiko. Er profitiert von der Arbeit – also soll er auch Nachteile mitschultern. Und: Würde man Arbeitnehmer bei jedem Schaden voll haften lassen, wären sie finanziell schnell ruiniert. Deshalb hat das BAG Regeln entwickelt, die die Haftung abmildern. Die Faustformel:

  • Leichte Fahrlässigkeit: Arbeitnehmer haften gar nicht.
  • Mittlere Fahrlässigkeit: Schaden wird geteilt, je nach Situation.
  • Grobe Fahrlässigkeit oder Vorsatz: Arbeitnehmer haften voll – wobei bei „nur grober“ Fahrlässigkeit manchmal auch noch eine Teilung erfolgt, wenn der Schaden extrem hoch ist.

Das Ganze gilt nur im Verhältnis zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer. Dritten gegenüber haftet der Arbeitnehmer grundsätzlich voll, kann sich aber intern beim Arbeitgeber entlasten (Stichwort Freistellungsanspruch, siehe oben).

Wichtig: Die Haftungsprivilegierung gibt’s nur, wenn die Tätigkeit betrieblich veranlasst war. Heißt: Wenn Du etwas machst, das Dein Arbeitgeber Dir übertragen hat oder das zumindest seinem Betrieb dient. Ein privater Umweg mit dem Dienstwagen? Fällt raus. Eine Spaßfahrt mit dem Gabelstapler? Auch raus.

Gestörte Gesamtschuld

Ganz kompliziert wird es, wenn neben Arbeitnehmer oder Arbeitgeber noch Dritte im Spiel sind – Stichwort gestörte Gesamtschuld. Hier versucht die Rechtsprechung, eine Balance zwischen Arbeitnehmer-, Arbeitgeber- und Drittinteressen zu finden. Oft läuft es darauf hinaus, dass der geschädigte Dritte weniger verlangen kann, weil der Arbeitnehmer privilegiert ist und der Arbeitgeber nach dem SGB VII ganz außen vor bleibt.

Mankoabreden

Und noch ein spezieller Fall: der Umgang mit Geld oder Waren. Wenn ein Arbeitnehmer eine Kasse oder ein Lager verwaltet, will der Arbeitgeber natürlich, dass das alles vollständig zurückkommt. Hier gibt es die Mankoabrede, also eine Vereinbarung, dass der Arbeitnehmer für Fehlbestände haftet.

Aber: Das BAG ist hier streng. Eine solche Vereinbarung ist nur in engen Grenzen zulässig, weil sie sonst den Arbeitnehmerschutz unterlaufen würde.