Auch im Arbeitsverhältnis läuft nicht immer alles glatt. Genau wie in jedem anderen Dauerschuldverhältnis können hier Störungen auftreten – meistens durch Pflichtverletzungen. Das kann die klassische Nichtleistung sein, eine Schlechtleistung oder der Schuldnerverzug. Kurz gesagt: Einer macht nicht das, was er soll, und schon knallt’s im Synallagma.
Primär- und Sekundäransprüche
Fangen wir mit den Primäransprüchen an, also den Hauptleistungspflichten. Die Arbeitsleistung des Arbeitnehmers ist eine absolute Fixschuld. Heißt: Du kannst die Arbeitszeit nicht einfach verschieben. Wer am Freitag von 9 bis 17 Uhr arbeiten soll, kann nicht am Montag nachliefern – die Arbeit ist weg, Punkt. Deswegen geht der Anspruch des Arbeitgebers auf die Arbeitsleistung wegen Unmöglichkeit nach § 275 Abs. 1 BGB unter, wenn der Arbeitnehmer die Arbeit zu diesem Zeitpunkt nicht erbringt. Und zwar völlig egal, ob er das zu vertreten hat oder nicht.
Und die Kehrseite? Ohne Arbeit kein Lohn. Das ist der Grundsatz aus § 326 Abs. 1 S. 1 BGB. Der Vergütungsanspruch des Arbeitnehmers entfällt, wenn er die Arbeit nicht bringt.
Natürlich gibt es Ausnahmen: bestimmte Lohnerhaltungsnormen wie § 615, § 616 BGB oder § 3 EFZG. Die retten in solchen Fällen den Lohnanspruch (Lohn ohne Arbeit, siehe unten).
Spannend wird es, wenn der Arbeitnehmer die Arbeit berechtigt verweigert (§ 275 Abs. 2, Abs. 3 BGB). Dann musst Du prüfen: Wie wirkt sich die Leistungsverweigerung auf den Lohn aus?
Wenn Primärpflichten verletzt werden, kommen die Sekundäransprüche ins Spiel – also Schadens- und Aufwendungsersatz. Und hier gelten die allgemeinen schuldrechtlichen Regeln:
- Arbeitgeber verletzt seine Pflicht (z. B. zahlt Gehalt zu spät oder gar nicht) – Arbeitnehmer kann Schadensersatz statt der Leistung verlangen (§§ 280 Abs. 1, Abs. 3, 281 BGB) oder Verzugsschaden (§§ 280 Abs. 1, Abs. 2, 286 BGB).
- Arbeitnehmer verletzt seine Pflicht (z. B. keine oder schlechte Arbeitsleistung) – Arbeitgeber kann Schadensersatz statt der Leistung (§§ 280 Abs. 1, Abs. 3, 283 BGB) oder neben der Leistung (§ 280 Abs. 1 BGB) verlangen – sofern Verschulden vorliegt.
Leistungsverweigerungsrechte des Arbeitnehmers
Jetzt zu einem heißen Eisen: Wann darf ein Arbeitnehmer sagen „Ich mache das nicht“?
Unmöglichkeit
Klarer Fall: Ist die Arbeit unmöglich (§ 275 Abs. 1 BGB), erlischt die Pflicht. Typisches Beispiel: krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit.
Unzumutbarkeit
Besonders wichtig im Arbeitsrecht, weil der Arbeitnehmer die Arbeit persönlich erbringen muss (§ 613 S. 1 BGB). Stell Dir vor, der Arbeitgeber verstößt gegen Arbeitsschutzpflichten (§ 618 BGB) und gefährdet damit massiv die Gesundheit des Arbeitnehmers – dann ist es schlicht unzumutbar, dort weiterzuarbeiten. Oder die angestellte Sängerin soll auftreten, während ihr Kind im Krankenhaus um Leben und Tod ringt. Auch das: unzumutbar.
Merke: § 275 Abs. 3 BGB gibt dem Arbeitnehmer ein Recht zur Leistungsverweigerung – er darf, muss aber nicht. Wenn er sich trotzdem entscheidet zu arbeiten, muss der Arbeitgeber das akzeptieren.
Grobes Missverhältnis
Hier geht’s um den Aufwand. Wenn der Einsatz des Arbeitnehmers (Zeit, Geld, Energie) in einem krassen Missverhältnis zum Nutzen des Arbeitgebers steht, kann er ebenfalls verweigern. Wichtig: § 275 Abs. 2 BGB steht selbstständig neben § 275 Abs. 3 BGB.
Zurückbehaltungsrechte
Auch spannend und in Klausuren beliebt. Beispiel: Der Arbeitgeber zahlt den Lohn nicht. Muss der Arbeitnehmer trotzdem weiter malochen? Nein. Er kann seine Arbeit verweigern, bis der Rückstand ausgeglichen ist. Manche sehen § 273 BGB, andere § 320 BGB als einschlägig – streitige Nummer, aber vertretbar.
Wichtig ist, dass Treu und Glauben (§ 242 BGB) Grenzen setzt: Bei kleinen Lohnrückständen kann es unverhältnismäßig sein, sofort die Arbeit niederzulegen.
Lohn ohne Arbeit
Das Prinzip kennst Du schon: Ohne Arbeit kein Lohn.
Lohnerhaltungsnormen
Aber das Arbeitsrecht wäre nicht das Arbeitsrecht, wenn es nicht haufenweise Ausnahmen gäbe, die den Lohnanspruch trotzdem retten.
- § 615 BGB (Annahmeverzug): Arbeitgeber nimmt die Arbeit nicht an – Lohn gibt’s trotzdem.
- § 615 S. 3 BGB (Betriebsrisiko): Wenn im Betrieb die Technik versagt oder Lieferketten reißen, trägt das Risiko der Arbeitgeber. Lohn bleibt.
- § 616 BGB (persönliche Verhinderung): Kurzfristige, persönliche Gründe (z. B. Todesfall in der Familie, notwendige Kinderbetreuung) – Vergütung bleibt bestehen.
- § 3 EFZG (Entgeltfortzahlung bei Krankheit): Sechs Wochen Lohnfortzahlung bei Krankheit ohne Verschulden.
- § 1 BUrlG (Urlaubsentgelt): Auch im Urlaub gibt’s Geld.
Spezialfall: Pandemie
Die Corona-Pandemie hat diese Fragen in der Praxis auf die Spitze getrieben.
- Betriebsrisiko: Fällt der Betrieb wegen gestörter Lieferketten aus – Arbeitgeber zahlt weiter.
- Behördliche Schließung: Wenn die Schließung nur ein bestimmtes Unternehmen betrifft (z. B. Fleischfabrik wegen Infektionsgefahr) – Betriebsrisiko.
Aber: Bei einem allgemeinen Lockdown sieht das BAG das anders – hier trägt der Staat das Risiko, nicht der Arbeitgeber.
Kinderbetreuung: Muss ein Arbeitnehmer wegen Kita-Schließung die Kinder selbst betreuen, greift oft § 616 BGB – allerdings problematisch, wenn die Betreuung länger dauert, weil § 616 BGB nur „kurze Zeit“ schützt.
Krankheit: Wer selbst an COVID-19 erkrankt ist, fällt unter § 3 EFZG – Lohnfortzahlung.
