Stell Dir vor, eine Verfügung ist so etwas wie ein direkter Eingriff ins Recht selbst. Du nimmst ein bestehendes Recht und schiebst es rum: Du kannst es übertragen, belasten, ändern oder komplett wegwischen. Klassische Beispiele findest Du überall im BGB – im Erbrecht etwa bei der Erbteilsübertragung (§ 2033 Abs. 1 BGB).
Jetzt kommt aber die Besonderheit im Erbrecht: Anders als bei den meisten Verfügungen tritt die Wirkung hier nicht sofort ein. Erbrechtliche Verfügungen zünden erst, wenn der Erblasser verstirbt. Bis dahin ist alles vorbereitet, aber schwebt noch in der Schwebe.
Wenn wir von Verfügungen von Todes wegen sprechen, kann das zwei Dinge meinen: Die verschiedenen Rechtsgeschäfte, mit denen der Erblasser seinen Nachlass regeln kann. Das Gesetz kennt drei Klassiker: Testament (§ 1937 BGB), Erbvertrag (§ 1941 BGB) und das gemeinschaftliche Testament.
Im Gesetz findest Du das Testament übrigens auch als „letztwillige Verfügung“. Auch einzelne Anordnungen innerhalb eines Testaments bezeichnet das Gesetz als „Verfügungen“ (§§ 2085, 2253 BGB). Heißt: Verfügung ist mal das ganze Testament, mal nur die kleine Zutat darin – etwa eine Erbeinsetzung.
Die Möglichkeit, Verfügungen von Todes wegen zu treffen, ist nichts anderes als die Ausprägung der Testierfreiheit. Das ist die Freiheit des Erblassers, sein Vermögen nach eigenem Gusto zu verteilen. Klingt grenzenlos – ist es aber nicht. Drei große Bremsklötze:
- Pflichtteilsrecht (§§ 2303 ff. BGB): Die nächste Familie kriegt immer ein Stück vom Kuchen. Auch wenn der Erblasser sie enterbt, haben sie Anspruch auf den Pflichtteil – und der ist ein reiner Geldanspruch in Höhe der Hälfte des gesetzlichen Erbteils (§ 2303 Abs. 1 S. 2 BGB).
- Selbstbindung durch Erbvertrag oder gemeinschaftliches Testament: Wer sich einmal vertraglich festgelegt hat, kann später nicht mehr einfach frei entscheiden. In Deutschland erlaubt das Recht diese Selbstbindung – Stichwort Privatautonomie. In anderen Ländern ist das völlig undenkbar, weil man Testierfreiheit dort bis zum letzten Atemzug will.
- Nichtigkeitsgründe (§§ 134, 138 BGB): Manche Verfügungen sind schlicht verboten oder sittenwidrig. Ein Heimträger darf sich z. B. kein Vermächtnis ins Testament seiner Bewohner reinschreiben lassen. Auch Geliebtentestamente oder Behindertentestamente standen lange auf der Kippe. Heute sagt die h. M.: Behindertentestamente sind ok, solange sie sozialhilfeschonend gestaltet sind. Geliebtentestamente gelten nur noch in krassen Ausnahmefällen als sittenwidrig.
Die Arten von Testamenten:
- Ordentliche Testamente
- Öffentlich (notariell) nach §§ 2231 Nr. 1, 2232 BGB
- Eigenhändig nach §§ 2231 Nr. 2, 2247 BGB
- Außerordentliche Testamente (halten nur 3 Monate, § 2252 Abs. 1 BGB):
- Notlage-Testament beim Bürgermeister (§ 2249 BGB)
- Drei-Zeugen-Testament bei akuter Todesgefahr (§ 2250 Abs. 2 BGB)
- Absperrungstestament (§ 2250 BGB), wenn man keinen Notar erreichen kann
- Seetestament (§ 2251 BGB), wenn der Erblasser auf hoher See unterwegs ist
Allgemeines
Das Testament ist ein einseitiges Rechtsgeschäft. Voraussetzung: Der Erblasser ist testierfähig (§ 2229 BGB) und will auch wirklich testieren. Wirksam wird das Ganze erst mit dem Tod – vorher hat der Bedachte also keinen Anspruch.
Beispiel: E schreibt seinem Neffen N einen handgeschriebenen Brief: „Wenn ich sterbe, kriegst Du meinen Porsche.“ Frage: Testament oder nur nette Ankündigung? Entscheidend ist, ob E wirklich mit Testierwillen gehandelt hat. § 2084 BGB (die Auslegungsregel pro Wirksamkeit) greift hier noch nicht, weil es erstmal darum geht, ob überhaupt ein Testament vorliegt. Stattdessen schaut man auf § 133 BGB: den wirklichen Willen des Erblassers.
Wichtig: Das Testament ist nicht empfangsbedürftig. Es gibt keinen Empfängerhorizont, den man schützen müsste. Alles dreht sich allein um den wahren Willen des Erblassers (§ 133 BGB).
Und: Widerruf geht immer. Der Erblasser kann jederzeit umschwenken (§§ 2253, 2302 BGB).
Eigenhändiges Testament
§ 2247 Abs. 1 BGB verlangt: Der Erblasser muss selbst schreiben und unterschreiben. Kein Computer, keine Schreibmaschine. Grund: Beweissicherung. Nach dem Erbfall kann man ihn ja nicht mehr fragen. Die Unterschrift gehört ans Ende. Sie signalisiert: „Das, was da steht, meine ich ernst.“ Gleichzeitig schützt sie vor späteren Ergänzungen.
Du „sollst“ mit Vor– und Zunamen unterschreiben (§ 2247 Abs. 3 BGB). Aber auch ein Kosename oder „Dein Onkel“ kann reichen, wenn klar ist, von wem es stammt. Ort und Zeit sollen auch genannt werden (§ 2247 Abs. 2 BGB). Das ist wichtig, wenn mehrere Testamente existieren oder es Streit um die Testierfähigkeit in einem bestimmten Zeitraum gibt. Fehlen die Angaben, ist das Testament trotzdem wirksam – solange sich Ort und Zeit notfalls anders feststellen lassen (§ 2247 Abs. 5 BGB).
Beispiel: E hinterlässt zwei widersprüchliche Testamente ohne Datum. A und B sind jeweils eingesetzt. § 2258 BGB sagt: Das spätere Testament verdrängt das ältere. Da man nicht beweisen kann, welches neuer ist, sind beide unwirksam. Folge: gesetzliche Erbfolge.
Der Charme des eigenhändigen Testaments: Es ist kostenlos, jederzeit machbar und genauso leicht widerrufbar. Genau deswegen ist es Ausdruck purer Testierfreiheit.
Öffentliches Testament
Hier kommt der Notar ins Spiel (§ 2232 BGB). Drei Varianten:
- Erklärung vor dem Notar,
- Übergabe einer offenen Schrift,
- Übergabe einer verschlossenen Schrift – jeweils mit dem Zusatz: „Das ist mein letzter Wille.“
Der Notar schreibt ein Protokoll, liest es vor und alle unterschreiben. Vorteil: Rechtssicherheit und Beratung. Der Erblasser kann sogar seine Testierfähigkeit dokumentieren lassen.
Das öffentliche Testament landet in amtlicher Verwahrung (§ 34 Abs. 1 S. 4 BeurkG) und wird im zentralen Testamentsregister erfasst. Manipulation oder „Verschwindenlassen“? Praktisch unmöglich. Und im Grundbuchverkehr kann es den Erbschein ersetzen (§ 35 Abs. 1 S. 2 GBO).
