Das Handelsregister ist im Grunde das Herzstück der unternehmensrechtlichen Transparenz. Wenn Du wissen willst, wer hinter einem Unternehmen steckt oder wie es wirtschaftlich dasteht, bist Du dort genau richtig.

Über das Unternehmensregister kann sich nämlich jeder über die wirtschaftlichen Verhältnisse informieren.

Das Transparenzregister hingegen hat eine engere Zielgruppe – dort findest Du nur die registerpflichtigen Personen- und Kapitalgesellschaften mitsamt ihren wirtschaftlich Berechtigten.

Funktionen

Das Handelsregister erfüllt gleich mehrere Aufgaben. Zunächst dient es der Publizität, also der Information der Allgemeinheit. Es sorgt dafür, dass Du Dich auf bestimmte rechtliche Tatsachen im Geschäftsverkehr verlassen kannst – etwa, wer Prokura hat oder wer die Gesellschaft vertritt. Das spart Zeit, Geld und Nerven, denn niemand muss sich mühsam durch interne Unterlagen kämpfen, um Rechtssicherheit zu erlangen. Diese Informationsfunktion ist in § 9 und § 10 HGB verankert: Jeder darf Einsicht nehmen, und die Eintragungen werden elektronisch abrufbar gemacht. Auf dieser formellen Publizität baut auch der Vertrauensschutz Dritter nach § 15 Abs. 1 und 3 HGB auf – wer auf den Registerinhalt vertraut, darf das grundsätzlich auch.

Doch das Register dient nicht nur dem Geschäftsverkehr, sondern auch dem Staat. Über die Kontrollfunktion prüft das Registergericht nämlich, ob das, was eingetragen werden soll, überhaupt rechtlich Bestand hat. Besonders wichtig ist das bei Kapitalgesellschaften – hier schaut das Gericht genau hin, ob die gesetzlichen Gründungsvoraussetzungen erfüllt sind. Das ist Teil der staatlichen Aufsicht.

Und schließlich hilft das Register auch dem Kaufmann selbst: Mit einem beglaubigten Auszug aus dem Handelsregister kann er im Streitfall leicht beweisen, dass bestimmte rechtliche Voraussetzungen vorliegen – zum Beispiel, dass er Prokurist ist oder dass eine Gesellschaft tatsächlich besteht. Juristisch spricht man hier von der Beweisfunktion. Allerdings – und das ist typisch Juristendeutsch – gilt dabei kein „Beweis mit Umkehr der Beweislast“, sondern nur ein Anscheinsbeweis. Wenn also die Gegenseite Zweifel streut, muss sie nur plausibel machen, dass es anders war – nicht gleich das Gegenteil beweisen. Außerdem schützt eine wahrheitsgemäße Eintragung vor späterem Rechtschein: Nach § 15 Abs. 2 HGB kann sich niemand mehr auf das Gegenteil berufen, sobald die Eintragung 15 Tage bekannt ist. Praktisch bedeutet das: Der Kaufmann spart sich viele lästige Einzelmitteilungen an Geschäftspartner.

Registerverfahren

Das Handelsregister wird – wie das Grundbuch – von den Amtsgerichten geführt. Es gehört zur freiwilligen Gerichtsbarkeit (§ 8 HGB, §§ 374 ff. FamFG). Seit Jahren läuft alles vollständig elektronisch, geregelt in der Handelsregisterverordnung (HRV). Wenn Du also eine Firma gründest oder Änderungen anmeldest, läuft das heute ausschließlich digital über das gemeinsame Registerportal der Länder. Nur: Die Unterschrift muss immer noch beglaubigt werden – dafür braucht es einen Notar (§ 12 HGB). Damit sollen Missbrauch und Fälschungen verhindert werden.

Die Anmeldung selbst kann von verschiedenen Personen vorgenommen werden: beim Einzelkaufmann der Inhaber, bei einer GmbH die Geschäftsführer, bei einer AG die Gründer oder der Vorstand und bei einer OHG oder KG grundsätzlich alle Gesellschafter. Wenn jemand die Mitwirkung verweigert, greift § 16 HGB.

Und falls Du mal etwas Falsches anmeldest: Anfechten geht nicht – nur widerrufen, und das auch nur bis zur Eintragung. Danach hilft nur noch eine Amtslöschung (§ 395 FamFG) und eine korrekte Neuanmeldung.

Der Registerführer – also das Gericht – prüft dabei nicht nur formal, ob alle Unterlagen da sind, sondern auch inhaltlich, ob das, was eingetragen werden soll, rechtlich stimmt. Das nennt man das materielle Prüfungsrecht. Nur wenn Zweifel bestehen, darf das Gericht die Eintragung aussetzen oder ablehnen (§§ 21 FamFG, § 25 HRV). Fehler können sogar Staatshaftungsansprüche auslösen – allerdings nur, wenn der Registerführer völlig unvertretbar entschieden hat (§ 839 BGB i.V.m. Art. 34 GG). Denn er handelt in einem öffentlichen Amt.

Seit 2022 ist die Veröffentlichung der Eintragung übrigens ganz einfach: Sobald sie elektronisch abrufbar ist, gilt sie als bekannt gemacht (§ 10 HGB). Dennoch unterscheidet das Gesetz weiterhin zwischen der eigentlichen Eintragung (also der Speicherung im System) und der Bekanntmachung (der Abrufbarkeit). Eine Eintragung gilt am Ende des Eintragungstags als bekannt gemacht, es sei denn, man kann nachweisen, dass sie früher oder später abrufbar war.

Registerinhalt

Das Register ist zweigeteilt:

  • Abteilung A führt Eintragungen über Einzelkaufleute, OHG, KG, EWIV und juristische Personen des öffentlichen Rechts.
  • Abteilung B ist für Kapitalgesellschaften und Versicherungsvereine auf Gegenseitigkeit zuständig.

Daneben gibt es eigene Register für Genossenschaften, Partnerschaftsgesellschaften und seit Kurzem auch für die rechtsfähige Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR).

Wichtig: Nicht alles, was für den Geschäftsverkehr interessant wäre, darf eingetragen werden. Der Gesetzgeber entscheidet, was „eintragungsfähig“ ist. Eingetragen werden also nur solche Tatsachen, die ausdrücklich im Gesetz vorgesehen sind – wie etwa die Erteilung einer Prokura (§ 53 HGB). Nicht eintragungsfähig ist z. B. die Handlungsvollmacht, obwohl sie praktisch sehr bedeutsam ist. Die Rechtsprechung hat diesen Katalog teilweise erweitert. So können etwa die Befreiung eines Geschäftsführers von § 181 BGB oder die Ausdehnung einer Prokura ebenfalls eingetragen werden. Die Eintragung kann auch Pflicht sein – etwa, wenn sich die Vertretungsverhältnisse ändern. In manchen Fällen, etwa bei GmbHs, ordnet das Gesetz alternativ eine Veröffentlichung in Gesellschaftsblättern an.

Registerpublizität

Nach § 9 HGB darf jeder kostenlos Einsicht ins Handelsregister nehmen – auch online. Du brauchst kein besonderes Interesse, anders als beim Grundbuch. So kannst Du etwa prüfen, ob Dein Vertragspartner tatsächlich existiert, wer Geschäftsführer ist oder welche Gesellschaftsform vorliegt. Die Daten werden über das Registerportal abrufbar gemacht, und bei Bedarf kannst Du einen beglaubigten Ausdruck beantragen – das gilt dann als öffentliche Urkunde (§ 415 ZPO).

Diese formelle Publizität ist die Grundlage für die materielle Publizität in § 15 HGB – das Vertrauen des Rechtsverkehrs auf den Registerinhalt. Sie funktioniert in zwei Richtungen:

Negative Publizität

Du darfst darauf vertrauen, dass etwas, das nicht eingetragen und bekannt gemacht wurde, auch nicht besteht (§ 15 Abs. 1 HGB).

Beispiel: Wenn der Widerruf einer Prokura noch nicht im Register steht, kannst Du darauf vertrauen, dass sie fortbesteht – selbst wenn sie in Wahrheit schon widerrufen wurde.

Eintragungspflichtige Tatsache

Damit die negative Publizität greift, muss es sich um eine eintragungspflichtige Tatsache handeln – egal, ob primär (z. B. Prokura-Erteilung) oder sekundär (z. B. Widerruf der Prokura).

Auch konstitutive oder deklaratorische Eintragungen spielen eine Rolle. § 15 Abs. 1 HGB kann also schon in der kurzen Zeit zwischen Eintragung und Bekanntmachung Bedeutung haben.

Auch die Veränderung einer nicht eingetragenen eintragungspflichtigen Tatsache (sekundäre Unrichtigkeit) zählt nach herrschender Meinung, damit niemand die fehlende Eintragung als Ausrede nutzen kann. Ausnahme: reine interne Vorgänge, die niemandem bekannt werden können, z. B. wenn Klotz einem Pfeiffer die Prokura erteilt und ihn sofort wieder entlässt, bevor Pfeiffer überhaupt nach außen tritt. Dann wäre das Eintragungsgebot purer Formalismus.

Fehlende Eintragung oder Bekanntmachung

Es reicht nicht, dass die Eintragung theoretisch erfolgt ist – sie muss auch abrufbar gemacht worden sein (§ 10 Abs. 1 HGB).

Ein Verschulden spielt keine Rolle.

§ 15 Abs. 1 HGB schützt auch bei Verzögerungen durch das Registerverfahren.

Angelegenheit des Betroffenen

Negativpublizität schützt nur gegenüber demjenigen, in dessen Angelegenheiten die Eintragung hätte erfolgen müssen – also typischerweise der Kaufmann oder die Gesellschaft.

Gutgläubigkeit des Dritten

Nur wer gutgläubig ist, profitiert. Gutgläubig heißt: er kennt die wahre Rechtslage nicht. Vertrauen muss nicht konkret sein; die bloße Möglichkeit, Vertrauen zu entwickeln, genügt. Wer von der wahren Rechtslage weiß, verliert den Schutz. Gesellschafter oder Organe gelten nicht als Dritte.

Beispiel: Ein Dritter darf auf die Vertretungsmacht eines im Handelsregister eingetragenen GmbH-Geschäftsführers vertrauen, selbst wenn er weiß, dass dieser sich gerichtlich gegen seine Abberufung wehrt – solange die Abberufung noch nicht wirksam ist.

Handeln im Geschäfts- oder Prozessverkehr

§ 15 Abs. 1 HGB gilt nur, wenn der Dritte im Geschäfts- oder Prozessverkehr handelt. Reiner deliktischer Verkehr fällt raus.

Beispiel: Otto Mayer wird von einem LKW der Klotz-OHG angefahren. Er will einen ausgeschiedenen Gesellschafter belangen. Keine Chance – abstraktes Vertrauen auf die Gesellschafterstellung kann er hier gar nicht entwickeln.

Rechtsfolge

Wenn alles passt, kann der Dritte sich auf die verschwiegenen Tatsachen berufen.

§ 15 Abs. 1 HGB schützt ausschließlich den Dritten; er kann auch wählen, ob er sich auf den Rechtsschein oder die wahre Rechtslage beruft (Rosinentheorie).

Beispiel: Pfeiffer schließt einen Vertrag, bevor Klotz den Widerruf der Prokura bekannt macht. Läufer kann Klotz zunächst verklagen (§ 15 Abs. 1 HGB). Später, wenn Klotz zahlungsunfähig wird, kann er Pfeiffer verklagen (§ 179 Abs. 1 BGB).

Zerstörung eines gegenteiligen Rechtsscheins

§ 15 Abs. 2 HGB tritt dann in Kraft, wenn eine wahre Tatsache eingetragen und bekannt gemacht wurde. Sie verhindert, dass Dritte sich auf gegenteilige Vorstellungen berufen – selbst wenn sie gutgläubig waren. Damit schützt die Vorschrift den Eintragenden.

Beispiel: Reich ist aus der Klotz-OHG ausgeschieden und das ist eingetragen. Ein Gläubiger kann ihn nicht mehr belangen, selbst wenn er dachte, Reich sei noch Gesellschafter. Ausnahme: innerhalb von 15 Tagen nach Bekanntmachung kann der Dritte nachweisen, dass er die Änderung nicht kannte (§ 122 Abs. 2 BGB).

Ein anderes Beispiel: Klotz widerruft Pfeiffers Prokura, trägt es ein, aber duldet weiterhin, dass Pfeiffer als Prokurist auftritt. Dann bleibt der Vertrauensschutz bestehen – das Rechtsscheinzerstörende des Registers tritt hinter dem bereits aufgebauten Vertrauen zurück.

Positive Publizität

Umgekehrt darfst Du Dich auf das verlassen, was eingetragen und bekannt gemacht ist – selbst wenn es objektiv falsch ist (§ 15 Abs. 3 HGB).

Beispiel: Wenn ein angeblicher Prokurist im Register steht, obwohl er nie wirksam bestellt wurde, schützt das den gutgläubigen Dritten, der auf die Eintragung vertraut hat.

Diese Regelungen sorgen für Rechtssicherheit im Geschäftsverkehr: Niemand muss nachforschen, was intern vielleicht anders geregelt ist – das Register gilt als maßgebliche Informationsquelle.

Eintragungspflichtige Tatsache

Die Tatsache muss eintragungspflichtig sein, egal ob konstitutiv oder deklaratorisch. Hypothetisches Prüfen: Wäre die Tatsache richtig, müsste sie eingetragen werden.

Bekannt gemachte Tatsache

Die Eintragung muss abrufbar sein (§ 10 Abs. 1, Abs. 4 HGB). Erst dann entfaltet sich der Rechtsschein.

Unrichtig eingetragene Tatsache

Die Tatsache muss unrichtig sein. Ändert sich die Wahrheit nach Bekanntmachung (z. B. Widerruf der Prokura), greift nur noch § 15 Abs. 1 HGB, nicht § 15 Abs. 3 HGB.

Unkenntnis des Dritten

Der Dritte darf die Unrichtigkeit nicht kennen. Ein konkretes Vertrauen muss nicht nachgewiesen werden.

Handeln im Geschäfts- oder Prozessverkehr

Wie bei der negativen Publizität: Nur Handlungen im Geschäfts- oder Prozessverkehr zählen.

Zurechenbarkeit der Eintragung

Die Eintragung muss dem Betroffenen zurechenbar veranlasst worden sein. Hier geht es nicht um Schuld, sondern darum, dass der Betroffene überhaupt Einfluss auf die Eintragung hatte.

Beispiel: Reich wird durch einen Fehler als Gesellschafter eingetragen, obwohl er nichts damit zu tun hat. Die Gläubiger können ihn nicht belangen – er hatte ja keine „Angelegenheit“, die eingetragen wurde.

Rechtsfolge

Der Dritte kann sich auf den unrichtig eingetragenen Inhalt berufen, genau wie bei § 15 Abs. 1 HGB hat er ein Wahlrecht: Rechtsschein oder wahre Rechtslage.

Verhältnis zur allgemeinen Rechtsscheinlehre

§ 15 Abs. 3 HGB ist ein spezieller Sondertatbestand der Rechtsscheinhaftung. Es gelten besondere registerrechtliche Voraussetzungen, und Dritte werden auch bei grober Fahrlässigkeit geschützt.

Beispiel: Gaus wird als Geschäftsführer eingetragen, ist aber geschäftsunfähig. Läufer kann sich nicht auf § 15 HGB berufen – geschützt wird nur das Vertrauen in die Geschäftsführerstellung, nicht die persönliche Geschäftsfähigkeit.