Wenn man sich fragt, wer eigentlich der rechtliche „Träger“ aller Rechte und Pflichten eines Unternehmens ist, dann ist die Antwort überraschend unspektakulär: Nicht das Unternehmen selbst, sondern derjenige, der dahintersteht – also der Unternehmensträger.
Trotzdem spielt im Alltag das Unternehmen die Hauptrolle: Es tritt als Leistungsempfänger auf, steht im Zentrum des Geschäftsverkehrs, ist Objekt der Haftung – kurz, der sichtbare Teil des Ganzen. Wer im Laden kauft oder online bestellt, interessiert sich in der Regel wenig dafür, wer genau im Hintergrund Eigentümer oder Inhaber ist. Und genau diese Diskrepanz – zwischen rechtlicher Zuordnung und wirtschaftlicher Wahrnehmung – ist es, die die §§ 25 ff. HGB ausgleichen wollen. Sie greifen ein, wenn ein Unternehmen den Besitzer wechselt, um die Interessen der Geschäftspartner während dieser heiklen Übergangsphase zu schützen.
Allerdings ist man sich bis heute nicht einig, was die §§ 25 ff. HGB eigentlich genau bezwecken. Unstreitig ist nur: Sie sollen den Verkehrsschutz stärken – also denjenigen, der in gutem Glauben mit dem Unternehmen Geschäfte macht. Ob das nun durch die Sicherung der Gläubigerrechte beim Inhaberwechsel geschieht oder durch den Schutz des Erwerbers vor unklaren Forderungslagen, darüber wird gestritten. Einen einheitlichen Gedanken, der alle Vorschriften dieser Regelungsgruppe verbindet, sucht man vergeblich. Kein Wunder also, dass man ihnen gelegentlich Systemwidrigkeit, Inkonsequenz und Reformbedürftigkeit vorwirft.
Inhaberwechsel unter Lebenden
Okay, schauen wir uns zuerst an, wie ein Inhaberwechsel unter Lebenden stattfindet.
Inhaberwechsel mit Firmenfortführung
Es gibt zwei Varianten: Den Inhaberwechsel mit und den ohne Firmenfortführung. Nehmen wir also zunächst an, die Firma wird fortgeführt.
Haftungskontinuität für Altgläubiger
Damit § 25 Abs. 1 S. 1 HGB überhaupt greift, muss zunächst ein Handelsgeschäft im Sinne des HGB vorliegen – und sei es nur nach § 5 HGB fingiert. Eine analoge Anwendung auf nichtkaufmännische Betriebe lehnt die herrschende Meinung strikt ab.
Als Nächstes braucht es einen Inhaberwechsel unter Lebenden, also einen tatsächlichen Betreiberwechsel. Dabei spielt es keine Rolle, wem das Unternehmen gehört, sondern wer es faktisch führt. Deswegen fällt auch der Fall darunter, dass ein Pächter sein Unternehmen auf einen neuen Pächter übergehen lässt. Ob der Erwerb rechtlich wirksam ist, ist egal – entscheidend ist allein die tatsächliche Fortführung des Handelsgeschäfts. Wichtig ist nur: Es muss sich um den wesentlichen Kern des Unternehmens handeln, nicht um einen einzelnen Betriebsteil.
Nicht erfasst sind dagegen Erwerbe vom Insolvenzverwalter oder im Rahmen der Eigenverwaltung. Das Gesetz will nämlich gerade vermeiden, dass insolvente Betriebe unverkäuflich werden. Außerhalb der Insolvenz gilt § 25 HGB jedoch auch für verschuldete Unternehmen – solange die Fortführung tatsächlich erfolgt, selbst wenn sie nicht vom Insolvenzverwalter ausgeht.
Ein zentrales Element ist die Fortführung der Firma – und zwar im Wesentlichen unverändert. Maßgeblich ist der Eindruck, den die angesprochenen Verkehrskreise gewinnen. Ob die Firmenbezeichnung handelsrechtlich zulässig ist, spielt dabei keine Rolle. Auch § 22 HGB muss nicht zwingend erfüllt sein, und die Einwilligung des alten Inhabers ist hier nicht erforderlich. Schon die Weiterverwendung des Namens auf der Website oder am Geschäftsschild kann reichen – solange die Firma den Unternehmensträger bezeichnet und nicht bloß als Marke dient. Eine bloße Geschäftsbezeichnung genügt dagegen nicht, weil sie lediglich den Betrieb oder ein Ladenlokal kennzeichnet, nicht aber den Rechtsträger selbst. Kleinere Änderungen – etwa ein Rechtsformzusatz oder der Wegfall des Vornamens – schaden nicht, solange der prägende Gesamteindruck bleibt. Beispiel: Die „Karl Klotz Schreibwaren GmbH“ verkauft ihr Geschäft an eine Kommanditgesellschaft, die unter „Klotz Schreibwaren KG“ weitermacht. Trotz geändertem Rechtsformzusatz und Wegfall des Vornamens liegt weiterhin eine Firmenfortführung vor.
Der neue Inhaber haftet vollumfänglich für alle Verbindlichkeiten, die aus dem übernommenen Geschäft stammen – egal ob vertraglich, deliktisch oder aus ungerechtfertigter Bereicherung. Nicht betroffen sind nur private Schulden des Altinhabers oder solche aus anderen Betrieben. Fraglich ist, ob das auch für öffentlich-rechtliche Schulden gilt. Während etwa § 75 AO dies für Steuerschulden ausdrücklich regelt, ist es im Übrigen umstritten.
Der Erwerber kann sich aber auf alle Einreden berufen, die entweder ihm selbst oder schon dem Altinhaber zustanden. Bestehende Titel können nach § 729 Abs. 2 ZPO auf ihn umgeschrieben werden.
Die herrschende Meinung sieht in § 25 Abs. 1 S. 1 HGB einen gesetzlichen Schuldbeitritt. Das bedeutet: Auch der alte Inhaber bleibt weiterhin voll haftbar – beide haften als Gesamtschuldner (§§ 421 ff. BGB).
Diese Nachhaftung ist allerdings auf fünf Jahre begrenzt (§ 26 HGB), gerechnet ab Eintragung des Inhaberwechsels.
Natürlich können Alt- und Neuinhaber vereinbaren, dass der Erwerber nicht für Altschulden haftet. Aber: Gegenüber Dritten wirkt dieser Ausschluss nur, wenn er ins Handelsregister eingetragen und bekanntgemacht oder dem Gläubiger direkt mitgeteilt wurde (§ 25 Abs. 2 HGB). Alles andere bleibt interne Abrede – selbst wenn der Gläubiger irgendwie davon erfahren hat. Der Gesetzgeber wollte einen abstrakten Verkehrsschutz, kein „man-hätte-es-ja-wissen-können“-Prinzip.
Forderungsübergang mit relativer Wirkung
Normalerweise muss der neue Inhaber Forderungen abgetreten bekommen (§§ 398 ff. BGB), um Gläubiger zu werden. Weil das oft unklar bleibt, schützt § 25 Abs. 1 S. 2 HGB die Schuldner, die nicht wissen, wem sie leisten sollen.
Dafür gelten dieselben Voraussetzungen wie bei § 25 Abs. 1 S.I 1 HGB: eine tatsächliche Fortführung des Handelsgeschäfts unter im Wesentlichen gleicher Firma.
Die Vorschrift greift nur bei formfrei übertragbaren Forderungen – also keine Hypotheken oder ähnliches. Außerdem muss der alte Inhaber in die Firmenfortführung eingewilligt oder sie zumindest wissentlich geduldet haben.
Fehlt eine gegenteilige Vereinbarung, dann gelten die alten Forderungen gegenüber den Schuldnern so, als wären sie auf den neuen Inhaber übergegangen. Der Schuldner kann also mit befreiender Wirkung an den neuen Inhaber zahlen (§ 362 Abs. 1 BGB). Der alte Inhaber bleibt Gläubiger, hat aber nur noch Ausgleichsansprüche gegen den neuen (nämlich nach § 816 Abs. 2 BGB).
Für Gläubiger ändert sich dadurch nichts – sie können weiter gegen den alten Inhaber vollstrecken. § 25 Abs. 1 S. 2 HGB schützt also ausschließlich die Schuldnerseite.
Inhaberwechsel ohne Firmenfortführung
Wird die alte Firma nicht fortgeführt, greift § 25 HGB nicht. Dann gelten nur § 25 Abs. 3 HGB und die allgemeinen BGB-Regeln. Der neue Inhaber haftet für Altverbindlichkeiten insbesondere, wenn:
- er die Übernahme der Schulden bekanntmacht (§ 25 Abs. 3 HGB),
- ein Schuldbeitritt (§§ 311 Abs. 1, 241, 421 ff. BGB) vereinbart wurde,
- eine befreiende Schuldübernahme (§§ 414 f. BGB) oder
- eine Vertragsübernahme (§§ 563 ff., 613a BGB) vorliegt,
- eine Umwandlung nach dem UmwG erfolgt oder
- § 75 AO bei Betriebsübernahme greift.
In diesen Fällen haften Alt- und Neuinhaber ebenfalls gemeinsam – mit fünfjähriger Nachhaftungsbegrenzung nach § 26 HGB.
Inhaberwechsel von Todes wegen
Wenn der Inhaber stirbt, unterscheidet man zwei Haftungsebenen: die erbrechtliche (§§ 1922 Abs. 1, 1967 BGB) und die handelsrechtliche (§ 27 HGB).
Nach dem Erbrecht geht das Handelsgeschäft durch Universalsukzession auf den oder die Erben über. Damit übernehmen sie automatisch alle Rechte und Pflichten. Die Haftung ist grundsätzlich unbeschränkt, kann aber auf den Nachlass begrenzt werden – etwa durch Nachlassverwaltung oder Dürftigkeitseinrede.
Daneben greift § 27 HGB, wenn der Erbe das Geschäft fortführt. Diese handelsrechtliche Haftung lässt sich im Gegensatz zur erbrechtlichen nicht beschränken. Sie setzt voraus:
- ein einzelkaufmännisches Handelsgeschäft,
- die tatsächliche Fortführung durch den Erben (auch vertreten möglich),
- keine Einstellung des Betriebs innerhalb der dreimonatigen Bedenkzeit (§ 27 Abs. 2 HGB).
Die Frist beginnt, sobald der Erbe vom Erbfall weiß, und soll ihm Zeit geben, sich über das Unternehmen klarzuwerden. Stellt er den Betrieb innerhalb dieser Zeit ein, entfällt die Haftung.
§ 27 HGB verweist umfassend auf § 25 HGB – also auch auf die Möglichkeit, die Haftung durch Eintragung eines Haftungsausschlusses ins Handelsregister zu begrenzen. Tut der Erbe das, kann er sich den erbrechtlichen Haftungsschutz bewahren.
Einbringung eines Handelsgeschäfts in eine Personenhandelsgesellschaft
§ 28 HGB betrifft den Fall, dass ein Einzelkaufmann sein Handelsgeschäft in eine OHG oder KG einbringt. Das Gesetz spricht zwar vom „Eintritt“ in das Geschäft, gemeint ist aber die Gründung einer Personenhandelsgesellschaft, an der der bisherige Inhaber beteiligt ist. Inhaltlich ist § 28 HGB also ein Sonderfall des § 25 HGB. Die Vorschrift greift, wenn:
- ein (auch fiktiver) Einzelkaufmann ein Handelsgeschäft betreibt,
- dieses in eine OHG oder KG eingebracht wird (nicht bloß in eine GbR),
- das Geschäft von der neuen Gesellschaft tatsächlich fortgeführt wird.
Die Einbringung kann auch durch Pacht oder Nutzung erfolgen, nicht nur durch Übertragung. Eine spätere Geschäftsausweitung ist unschädlich, nur eine sofortige Stilllegung schließt die Anwendung aus. Eine Firmenfortführung ist hier – anders als bei § 25 HGB – nicht erforderlich.
Schließlich dürfen keine abweichenden Vereinbarungen bestehen, die Dritten entgegengehalten werden können (§ 28 Abs. 2 HGB).
Rechtsfolge: Die neue Gesellschaft haftet unbeschränkt und gesamtschuldnerisch neben dem früheren Einzelkaufmann für alle Altschulden. Damit haften auch die eintretenden Gesellschafter persönlich (§§ 128, 161 Abs. 2, 171 ff. HGB).
