So, Freunde, jetzt geht’s ans Eingemachte: Der Herausgabeanspruch aus § 985 BGB, auch liebevoll Vindikationsanspruch genannt. Klingt sperrig, ist aber eigentlich simpel: Wenn Du Eigentümer einer Sache bist und jemand anderes die gerade in seinen Händen hält, darfst Du die Herausgabe verlangen – sofern der Besitzer kein Recht zum Besitz (§ 986 BGB) hat. Genau diese Lage nennt man Vindikationslage. Und weil Juristen nie genug Abkürzungen haben können, spricht man einfach von „Vindikation“.
Aber aufgepasst: Nicht nur der Eigentümer kann sich auf § 985 BGB stützen. Auch Nießbraucher (§ 1065 BGB), Pfandgläubiger (§ 1227, 1257 BGB) und Erbbauberechtigte (§ 11 Abs. 1 ErbbauRG) haben dank Gesetz eine Art Herausgabejoker im Ärmel. Warum? Weil auch ihre Rechte den Besitz an einer Sache mit einschließen.
Das Ganze ist ein dinglicher Anspruch. „Dinglich“ bedeutet: Der Anspruch hängt direkt an der Sache, nicht an einem Vertrag oder Gefallen. Juristen nennen das auch einen Rechtsverwirklichungsanspruch, weil er den Zustand herstellen will, den das Recht vorgibt: Der Eigentümer soll die Sache tatsächlich in den Händen halten – so wie es § 903 BGB vorsieht.
Und das Beste: Es ist völlig egal, ob der Besitzer überhaupt weiß, dass er unrechtmäßig besitzt – es kommt also nur auf die objektive Vindikationslage an. Unwissenheit schützt hier nicht. Seine innere Einstellung zählt erst bei den Folgeansprüchen (§§ 987 ff. BGB).
Anwendbarkeit
Jetzt wird’s knifflig: Darf man den Herausgabeanspruch auch dann auspacken, wenn man als Eigentümer zusätzlich noch einen schuldrechtlichen Rückgabeanspruch hat – etwa aus Mietvertrag (§ 546 BGB) oder Leihvertrag (§ 604 BGB)?
Nach der Subsidiaritätslehre tritt § 985 BGB hinter die vertraglichen Rückgabeansprüche zurück. Begründung: Wer freiwillig Besitz durch Vertrag hergibt, schränkt sein Eigentum eben selbst ein – und bleibt dann auf die vertraglichen Ansprüche beschränkt, auch nach Vertragsende.
Die herrschende Meinung sagt: Anspruchskonkurrenz! Die Einschränkung gilt nur, solange ein Besitzrecht besteht (§ 986 BGB). Ist der Vertrag beendet, lebt die Vindikation wieder auf. Danach kannst Du also auch gegen den Ex-Mieter oder Ex-Leiher mit § 985 BGB vorgehen.
Anspruchsgegenstand
Ganz wichtig: § 985 BGB ist kein All you can eat-Buffet. Herausverlangt werden kann immer nur eine individualisierte Sache – beweglich oder unbeweglich.
Abgrenzung zum Erbschaftsanspruch
Eine Sachgesamtheit (z. B. die komplette Münzsammlung als „Block“) geht über § 985 BGB nicht. Hier musst Du Stück für Stück vorgehen.
Ausnahme: Der Erbe kann nach § 2018 BGB den ganzen Nachlass herausverlangen. Das ist dann ein Gesamtanspruch, weil er alle Einzelsachen bündelt. Achtung: Erst § 2018 BGB prüfen, bevor Du in die §§ 987 ff. BGB springst – § 2029 BGB ändert sonst die Folgeansprüche.
Vindikation von Geld
Ja, auch Geld kann rausgegeben werden – aber nur, wenn die konkreten Scheine oder Münzen noch identifizierbar sind. Wenn alles schon in der Kaffeekasse vermischt wurde (§ 948 Abs. 2 BGB), ist der dingliche Anspruch futsch. Dann bleibt Dir nur der Umweg über schuldrechtliche Ansprüche (§§ 816, 823 BGB).
Die alte Idee einer „Geldwertvindikation“ (also Herausgabe nach Wert, egal welche Scheine) ist längst tot.
Anspruchsteller
Klar, Eigentümer sind am Zug. Aber: Auch der Sicherungseigentümer oder Leasinggeber darf Vindikation geltend machen, selbst wenn er wirtschaftlich gar keinen Zugriff auf die Sache hat. Eigentum ist Eigentum.
Gleiches gilt für Wohnungseigentümer in Bezug auf ihr Sondereigentum (§ 13 Abs. 1 WEG).
Miteigentümer: Jeder einzelne darf klagen, aber nur auf Herausgabe an alle bzw. auf Mitbesitz (§§ 1011, 432 BGB). Gesamthandseigentümer: Müssen in der Regel gemeinsam auftreten, außer jemand hat Vertretungsmacht (§§ 709, 714 BGB etc.).
Anwartschaftsberechtigter: Hier streiten sich die Geister. Eine Ansicht – analog § 985 BGB anwendbar, weil das Anwartschaftsrecht dinglich fast wie Eigentum wirkt. Andere Ansicht – unnötig. Es gibt genug Schutz über §§ 1007 Abs. 1, Abs. 2, 861 BGB.
Anspruchsgegner
Grundsätzlich: Jeder Besitzer. Egal ob Eigen– oder Fremdbesitz.
Mittelbarer Besitzer: Umstritten, wie weit der Anspruch hier reicht.
Besitzdiener (§ 855 BGB): Nicht passivlegitimiert – er hat gar keinen eigenen Besitz.
Gesamthandsgemeinschaften: Bei OHG und KG anerkannt, dass sie selbst Besitzer sein können. Bei der GbR streiten sich die Juristen. Der BGH sagt mittlerweile: Ja, auch die GbR ist parteifähig und kann verklagt werden.
Maßgeblicher Zeitpunkt
Normalerweise müssen die Voraussetzungen (Eigentum, kein Recht zum Besitz) bis zur Erfüllung bestehen.
Aber: Für die Klage reicht es, wenn bei Rechtshängigkeit eine Vindikationslage da war.
Danach greift § 265, 266 ZPO – selbst wenn während des Prozesses die Sache weiterverkauft wird (Veräußerung der streitbefangenen Sache). Die Praxislösung: Der Kläger muss dann seinen Antrag anpassen („Herausgabe an den Erwerber“). Tut er das nicht, droht Klageabweisung. Ausnahme: Grundstücke (§ 266 ZPO) – hier gibt’s sogar eine Pflicht zur Übernahme des Prozesses durch den Erwerber. Weitere Ausnahme nach § 265 Abs. 3 ZPO: Wenn der Dritte gutgläubig erworben hat (§ 325 Abs. 2 ZPO), entfaltet das Urteil zwischen Kläger und Beklagtem keine Rechtskraft gegen den Rechtsnachfolger und der Beklagte kann das Fehlen der Aktivlegitimation des Klägers einwenden (= Klage wird unbegründet). Lösung dafür ist die gewillkürte Prozessstandschaft für den Dritten (also der Kläger ändert dann mit dessen Ermächtigung die Klage auf Leistung an ihn).
Kein Recht zum Besitz
Jetzt der Klassiker: Der Anspruch aus § 985 BGB geht nur durch, wenn der Besitzer kein Recht zum Besitz hat (§ 986 BGB).
Besitzrechte gibt’s viele: Schuldrechtliche Verträge (Miete, Leihe …), rechtsgeschäftsähnliche Handlungen (§ 185 BGB analog), dingliche Rechte (Pfand, Nießbrauch …), Verwaltungsbefugnisse (§ 80 InsO, §§ 2205, 1985 BGB …), gesetzliche Besitzrechte (z. B. Mitbesitz des Ehegatten, gesetzliche Pfandrechte).
Wichtig: Bei relativen Besitzrechten muss das Recht gerade gegenüber dem Eigentümer bestehen.
Einwendung oder Einrede
Die erste große Frage, die hier im Raum steht: Ist § 986 BGB nun eigentlich eine Einwendung oder eine Einrede? Klingt trocken, ist aber wichtig, weil’s im Prozess einen ziemlichen Unterschied macht.
- Einwendung: pufft den Anspruch direkt weg, egal ob jemand sie rügt oder nicht. Das Gericht muss sie also von Amts wegen berücksichtigen.
- Einrede: gibt dem Schuldner nur das Recht, die Leistung zu verweigern – aber er muss selbst drauf kommen und sie ausdrücklich bringen.
Jetzt schau mal auf den Wortlaut von § 986 BGB: „kann verweigern“. Hört sich stark nach Einrede an, oder? So wie wir’s von § 320 oder § 273 BGB kennen. Genau das sagt auch eine Ansicht: Das sei eine Einrede – und der Besitzer muss selbst entscheiden, ob er sein Recht in den Ring wirft.
Die h. M. (also das, was die meisten vertreten) sieht das aber anders: Für sie ist § 986 BGB eine Einwendung. Warum? Erstens knüpft die Norm nur an den schon in § 903 BGB angelegten Vorbehalt der Rechte Dritter an – der Eigentümer hat eben nicht die alleinige Allmacht. Zweitens sind §§ 1007 Abs. 3 und 861 Abs. 2 BGB genauso gestrickt und die gelten zweifellos als Einwendungen. Drittens wär’s ziemlich schräg, wenn ein Beklagter einfach nur, weil er im Prozess mal pennt, plötzlich herausgeben müsste (§ 331 ZPO), obwohl schon aus dem klägerischen Vortrag klar wird, dass er ein Besitzrecht hat. Das wäre doch unfair.
Einzelfälle
Nun sehen wir uns in Ruhe ein paar Einzelfälle dazu an.
Fremdbesitzerexzess
Klingt spektakulärer, als es ist: Darunter versteht man Fälle, in denen jemand eigentlich berechtigt im Besitz ist, aber sein Recht „überzieht„. Beispiel: Mieter macht die Wohnung nicht nur unordentlich, sondern fackelt sie ab.
Manche sagen: Zack, neue Vindikationslage! Weil er quasi über seinen Rahmen hinausgeht („nicht so berechtigter Besitzer„).
Andere – und das ist wieder die herrschende Ansicht – winken ab: Besitzrecht bleibt Besitzrecht. Nur weil jemand Mist baut, verliert er nicht automatisch seinen rechtlichen Titel. Eigentümer sind dann eben auf Vertrags- oder Deliktsansprüche verwiesen – reicht ja auch.
Wichtig ist: Nicht zu verwechseln mit dem „nicht mehr berechtigten Besitzer„, also demjenigen, dessen Recht irgendwann schlicht endet.
Rückwirkender Wegfall
Noch ’ne Variante: Das Besitzrecht fällt nicht jetzt weg, sondern rückwirkend – als hätte es nie existiert. Paradebeispiel: Anfechtung des zugrunde liegenden Vertrags (§ 142 BGB). Dann war das Besitzrecht nie da. Praktisch knallt das vor allem bei §§ 987 ff. BGB rein, weil deren Ansprüche von Anfang an laufen.
Jederzeitige Kündigungsmöglichkeit
§ 985 BGB entsteht automatisch, sobald das Besitzrecht fällt. Punkt. Es braucht keine Geltendmachung durch den Eigentümer. Besonders tricky wird’s bei Verwahrung und Leihe: Da kann der Hinterleger (§ 695 BGB) oder Verleiher (§ 604 Abs. 3 BGB) jederzeit zurückverlangen (schwebende Vindikationslage: lediglich „Recht zum Haben“, nicht „zum Behalten“). Bedeutet: Das Besitzrecht kippt sofort ex nunc, also ab jetzt.
Der BGH haut hier noch eins drauf und sagt: Diese Leute sind im Grunde wie unrechtmäßige Besitzer zu behandeln – mit allen Haftungsfolgen (§ 989 BGB). Teile der Literatur halten dagegen: Der Besitz war ja vertraglich eingeräumt, also rechtmäßig – bis der Eigentümer zurückruft. Folge: §§ 989 ff. greifen erst ab diesem Zeitpunkt.
Lieferung unbestellter Ware
Der Klassiker: Du kriegst was zugeschickt, hast es aber nie bestellt. § 241a BGB sagt: Kein Anspruch gegen Dich. Aber was heißt das? Nur keine Kaufpreisforderung oder auch kein Herausgabeanspruch?
Eine Seite: Klar, Herausgabe ausgeschlossen, sonst macht die Vorschrift keinen Sinn. Andere Seite: Vorsicht – Eigentum ohne Herausgabeanspruch? Dann könnte der Verbraucher die Sache behalten, gegen Wegnahme sogar mit Besitzschutz klagen und das Eigentum wäre faktisch entleert. Wäre schon krass.
Der Gesetzgeber wollte aber genau diesen Abschreckungseffekt: Wer ungefragt Zeug verschickt, soll Pech haben. Das führt zwar zu einem „Eigentum-light“ (Art. 14 GG lässt grüßen), war aber bewusst so gewollt. Trotzdem: Ein echtes Besitzrecht entsteht dadurch nicht – man darf nur behalten, weil der Anspruch fehlt.
Anwartschaftsrecht
Streitthema Nummer 5: Gibt das Anwartschaftsrecht ein dingliches Recht zum Besitz?
Pro: Ja, logisch, ist doch ein Minus zum Eigentum. Wenn der Käufer schon fast Eigentümer ist, soll er auch ein Besitzrecht haben. Contra (BGH und h. M.): Nope. Anwartschaft ist nur eine Vorstufe zum Eigentum. Besitzrecht daraus abzuleiten, geht zu weit. Der Erwerber wird durch seinen schuldrechtlichen Vertrag abgesichert – das reicht.
Relevanz hat das Ganze fast nur, wenn ein Dritter ins Spiel kommt und das Anwartschaftsrecht vom Nichtberechtigten erwirbt. Dann greift zum Schutz manchmal § 242 BGB mit der dolo agit-Einrede.
Vorbehaltskäufer und verjährter Kaufpreisanspruch
Kompliziert, aber spannend: Beim Eigentumsvorbehalt hat der Käufer ein Besitzrecht. Normalerweise endet das mit Rücktritt des Verkäufers. Problem: Ist der Kaufpreisanspruch verjährt, wäre ein Rücktritt eigentlich gesperrt (§ 218 BGB). Ergebnis: Eigentum und Besitz hängen für immer auseinander. Damit das nicht passiert, gibt’s § 216 Abs. 2 S. 2 BGB – Spezialregel, die den Rücktritt trotz Verjährung erlaubt.
Zurückbehaltungsrechte
Frage: Reicht ein Zurückbehaltungsrecht, um ein Besitzrecht im Sinne von § 986 BGB zu begründen? BGH: Ja, zumindest bei § 273 BGB. Aber dann nur Zug um Zug und einredeweise – also doch irgendwie halbgar. Literatur: Hä? Das ist inkonsequent. Ein Zurückbehaltungsrecht ist kein Besitzrecht, sondern nur ein Druckmittel zur Gleichzeitigkeit.
Und was ist mit § 1000 BGB? Da ist man sich ziemlich einig: kein Besitzrecht. Sonst würde sich das Schuldverhältnis der §§ 987 ff. BGB selbst auflösen (Teufelskreis!). Ausnahme: Wenn der Besitzer § 1003 BGB nutzt und eine Befriedigungsbefugnis hat – dann ja.
Einwendungen des unmittelbaren Besitzers
§ 986 Abs. 2 BGB sorgt dafür, dass der unmittelbare Besitzer auch gegenüber dem neuen Eigentümer geschützt bleibt, wenn die Übereignung über Abtretung (§ 931 BGB) läuft. Er kann also Einwendungen aus dem Verhältnis zum alten Eigentümer geltend machen.
Beispiel: A verleiht sein Auto an B. Währenddessen verkauft er es an C über § 931 BGB. C will vor Ende der Leihzeit das Auto. B sagt: „Nö, ich hab ein Recht zum Besitz – auch Dir gegenüber.“ Und das ist richtig.
Analoge Anwendung
Analog gilt das Ganze auch, wenn der mittelbare Besitzer betroffen ist (§ 929 S. 2 BGB). Die Idee: Niemand soll schlechter stehen, nur weil Eigentum über seinen Kopf hinweg übertragen wird.
Und nochmal Analogie: Auch bei § 930 BGB (Übereignung mit Besitzmittlungsverhältnis) greift § 986 Abs. 2 BGB. Der Gedanke ist derselbe: Besitzrechte sollen beim Übergang respektiert werden.
Rechtsfolge
Wenn alles passt: Herausgabe. Punkt. Der Besitzer muss die Sache in dem Zustand herausgeben, wie sie ist – mitsamt dem unmittelbaren Besitz. Auch eine teilweise Herausgabe (z. B. bei Grundstücksteilen) ist möglich.
Anwendbarkeit schuldrechtlicher Vorschriften
Jetzt mal Butter bei die Fische: Wie viel Schuldrecht steckt eigentlich im Sachenrecht? Klar ist: Der Allgemeine Teil gilt voll durch – Verjährung, Selbsthilfe (§§ 229 ff. BGB) und Co. greifen auch beim Herausgabeanspruch. Aber sobald wir ins Schuldrecht AT/BT schauen, wird’s tricky. Dingliche und schuldrechtliche Ansprüche haben einfach einen unterschiedlichen Job. Das Schuldrecht regelt Pflichten zwischen Personen, das Sachenrecht knüpft direkt an der Sache an – das „dingliche Band“.
Heißt: Schuldrechtliche Regeln dürfen nicht quer ins Sachenrecht reingrätschen, wenn sie dessen Grundideen sprengen würden. Aber: Wenn dieselbe Interessenlage besteht und kein sachenrechtlicher Grund dagegen spricht, ist eine Analogie zu schuldrechtlichen Vorschriften drin. Und weil die Vindikation im Ergebnis wie ein Herausgabeanspruch aus Vertrag funktioniert, sagt die h. M.: Schuldrechtliche Vorschriften kann man grundsätzlich mit in die Abwicklung reinziehen.
Abtretbarkeit des Vindikationsanspruchs
Hier wird’s spannend: Der Vindikationsanspruch selbst hängt wie eine Klette am Eigentum. Dinglich heißt: Anspruch und Stammrecht sind untrennbar. Deshalb sagt die h. M.: nicht abtretbar. Wenn das Eigentum übergeht, entsteht beim Erwerber einfach ein neuer Anspruch.
Aber: Die schuldrechtlichen Folgeansprüche aus §§ 987 ff. BGB (z. B. Nutzungs- oder Schadensersatz) lassen sich normal nach § 398 BGB abtreten.
Und wie kommt man trotzdem dazu, dass Dritte klagen dürfen? Über eine Ausübungsermächtigung (BGH, h. M.). Per § 185 Abs. 1 BGB analog darf ein Dritter im eigenen Namen den Anspruch geltend machen (Ausübungsermächtigung). Eine gescheiterte Abtretung kann man übrigens regelmäßig in eine Einziehungsermächtigung umdeuten (§ 140 BGB).
In der Praxis ist das vor allem bei der Pfändung wichtig: Der Gläubiger kann den Herausgabeanspruch pfänden (§§ 857 Abs. 3, 847 ZPO).
Erfüllung und Erfüllungsort
Hier kommt Schuldrecht direkt ins Spiel: § 362 Abs. 1 BGB passt – Erfüllung durch Herausgabe.
Beim Ort (§ 269 BGB) streiten die Meinungen: Nach der h. M. ist da herauszugeben, wo die Sache bei Rechtshängigkeit oder beim Eintritt der Bösgläubigkeit lag. Andere sagen: Herausgabe einfach dort, wo die Sache sich aktuell befindet. Wenn der bösgläubige Besitzer sie aber zwischendrin verlegt, muss er die Transportkosten als Schadensersatz zahlen (§§ 989, 990 BGB analog).
Schuldnerverzug
Klar, §§ 286 ff. BGB passen auf die Vindikation – aber mit Einschränkung. § 990 Abs. 2 BGB privilegiert den redlichen Besitzer: Er haftet nicht für Verzögerungsschäden. Nur der bösgläubige Besitzer muss voll für Verzugsschäden einstehen (§§ 280 Abs. 1, Abs. 2, 286 BGB). Das geht über die Früchte (§ 987 Abs. 2 BGB) hinaus und kann bis zu entgangenem Gewinn (§ 252 BGB) reichen. Auch § 287 S. 2 BGB (Haftung für Zufall) trifft nur den Bösgläubigen.
Unmöglichkeit
Wenn die Sache weg ist, regeln §§ 989 ff. BGB (Eigentümer-Besitzer-Verhältnis) speziell, was passiert.
§ 285 BGB (Ersatzherausgabe bei Unmöglichkeit) gilt nicht. Warum? Stell Dir vor, jeder Besitzer müsste den Erlös herausrücken, den er irgendwann mal erzielt hat – und der Eigentümer könnte sich an alle halten. Das führt zu einer Anspruchskette ohne Ende, völlig unvereinbar mit den §§ 987 ff. BGB. Außerdem ist das Erlangte bei Weiterverkauf (Kaufpreis) Surrogat des Eigentums, nicht des bloßen Besitzes.
Schadensersatz statt der Leistung
Auch hier kann der Eigentümer nach erfolgloser Nachfrist Schadensersatz statt Herausgabe verlangen. Praktisch bedeutet das: Der Besitzer zahlt den Wert der Sache – und darf sie behalten (§ 281 Abs. 4 BGB). Ein Zwangskauf also. Das wirkt oft unpassend, ist aber Gesetz. Missbrauch lässt sich mit § 242 BGB (Treu und Glauben) abfangen.
Allgemeine Pflichtverletzungen
Das Schuldrecht greift auch hier rein: § 280 Abs. 1 BGB gilt grundsätzlich (einfacher Schadensersatz). Beispiel: Der Besitzer gibt die Sache zurück, verschweigt aber, dass sie inzwischen gefährlich geworden ist (defekte Bremsen beim Fahrrad). Solche Aufklärungspflichten fallen unter § 280 Abs. 1 BGB.
Nur die Obhutspflichten sind speziell in §§ 989 ff. BGB geregelt.
Verjährung
Ein Highlight: Der Herausgabeanspruch verjährt nach 30 Jahren (§ 197 Abs. 1 Nr. 2 BGB). Der Startschuss fällt mit Eintritt der Vindikationslage (§ 200 BGB). Bei Rechtsnachfolge des Besitzers gilt § 198 BGB.
Aber: Für Grundstückseigentum gilt die Ausnahme – dank § 902 BGB sind eingetragene Rechte unverjährbar.
Heißt auch: Eigentum und Besitz können dauerhaft auseinanderfallen, wenn der Anspruch verjährt – außer, es greift Ersitzung (§ 937 BGB).
Besonders heikel: Raub- und NS-Raubkunstfälle, auch da läuft die 30-Jahresfrist.
Verhältnis zur Drittwiderspruchsklage
Jetzt stell Dir die Zwangsvollstreckung vor: Der Gerichtsvollzieher pfändet eine Sache. Dann werden plötzlich ganz neue Besitzlagen konstruiert – der Gerichtsvollzieher als unmittelbarer Fremdbesitzer, der Gläubiger mittelbarer Fremdbesitzer usw.
Frage: Kann der wahre Eigentümer, wenn seine Sache gepfändet wurde, einfach mit § 985 BGB klagen? Antwort nach h. M.: Nein. Während des Vollstreckungsverfahrens gibt’s spezielle Rechtsbehelfe – nämlich die Drittwiderspruchsklage (§ 771 ZPO). Der Grund: Die Entziehung des Besitzes ist ein hoheitlicher Akt. Deshalb musst Du ins ZPO-Instrumentarium greifen. Eine Vindikationsklage wäre in der Vollstreckung unzulässig.
Eigentumsvermutungen
Hier wird’s praktisch: Eigentum nachweisen ist schwer – deswegen hilft § 1006 BGB mit Vermutungen. Abs. 1, 3: Wer Eigenbesitz hat, ist Eigentümer – Vermutung gilt auch für mittelbare Besitzer. Abs. 2: Auch ein früherer Eigenbesitzer gilt solange als Eigentümer, bis das Gegenteil bewiesen ist.
Die Vermutung gilt für alle Ansprüche, die am Eigentum hängen – nicht aber beim gutgläubigen Erwerb (§§ 932 ff. BGB sind abschließend).
Wichtig: Der Besitzer muss seinen Besitz darlegen. Widerlegung verlangt den vollen Gegenbeweis (§ 292 ZPO). Beispiel: Kfz-Brief reicht nicht als Gegenbeweis, weil er nur Beweispapier ist.
Besonderheiten:
- Abhandenkommen (§ 1006 Abs. 1 S. 2 BGB): Keine Vermutung für den Besitzer, wenn die Sache gestohlen oder verloren gegangen ist.
- Mitbesitz: Vermutung streitet für Miteigentum, aber nicht für Quoten. Bei Hausrat in nichtehelicher Gemeinschaft wichtig.
- Ehegatten (§ 1362 BGB): Hier gibt’s eine Sonderregel: Bei gemeinsamem Hausstand wird zugunsten der Gläubiger vermutet, dass die Sachen dem Schuldner-Ehegatten gehören. Ziel: Vollstreckung erleichtern, Missbrauch verhindern. Diese Vermutung verdrängt § 1006 BGB weitgehend.
