Wenn wir vom Immobiliarsachenrecht reden, meinen wir im Grunde alles, was rechtlich rund um Grundstücke und Co. läuft. Manche nennen es auch Grundstücksrecht oder Liegenschaftsrecht. Darunter fällt das klassische Eigentum an Grundstücken, aber auch die beschränkt dinglichen Rechte – also Hypotheken, Grundschulden und ähnliche Konstruktionen. Dazu kommen Sonderrechte wie das Erbbaurecht (jemand darf auf fremdem Boden bauen) oder das Wohnungseigentum.

Im BGB ist das Ganze fein säuberlich geregelt: In §§ 873 ff. BGB findest Du die Grundstruktur, also wie Eigentum an einem Grundstück entsteht oder wieder verloren geht. Dazu gehört auch, wie man Rechte an Grundstücken bestellt, überträgt, belastet oder wieder löscht. Dann gibt’s noch die §§ 905 ff. BGB, die sich speziell ums Eigentum selbst kümmern. Und ab §§ 1018 BGB geht’s los mit den „klassischen Begleitern“ wie Grundpfandrechten (Hypothek und Grundschuld), Dienstbarkeiten und Reallasten (beschränkt dingliche Rechte).

Aber Achtung: Das alles funktioniert nicht im luftleeren Raum. Es braucht ein System, das dokumentiert, wer eigentlich was hat – und genau hier kommt das Grundbuch ins Spiel. Die Grundbuchordnung (GBO) schreibt fest, wie die Eintragungen laufen müssen, damit sie wirksam sind. Ohne Eintragung kein Eigentumswechsel, so einfach ist das.

Und dann ist da noch das öffentliche Recht: Manchmal darfst Du Dein Grundstück nicht einfach so verkaufen oder teilen, weil BauGB, GrdstVG oder kommunale Satzungen Dir dazwischenfunken. Beispiel: In manchen Touri-Gebieten brauchst Du für die Begründung von Wohnungseigentum die Genehmigung der Gemeinde (§ 22 Abs. 1I BauGB).

Grundstück

Eine Legaldefinition gibt’s im BGB nicht. Das Gesetz setzt einfach voraus, dass Du weißt, was ein Grundstück ist (§§ 94 Abs. 1, 96, 873 Abs. 1 BGB, § 3 Abs. 1 GBO). Klingt frech, oder?

Juristisch bedeutet Grundstück: ein abgegrenzter Teil der Erdoberfläche, der im Kataster vermessen und bezeichnet ist und im Grundbuch auf einem separaten Blatt steht. Aber Vorsicht, es gibt mehrere Grundstücksbegriffe:

  • formell-rechtlich: das, was im Grundbuchblatt steht
  • vermessen: das berühmte Flurstück oder die Katasterparzelle
  • wirtschaftlich: eine selbstständige ökonomische Einheit

Zum Grundstück gehören außerdem die wesentlichen Bestandteile (Haus, Garage, Bäume – §§ 93, 94 Abs. 1 BGB) und untrennbar verbundene Rechte (§ 96 BGB).

Grundbuch

Das Grundbuch ist das Gedächtnis unserer Grundstücksordnung. Ohne Grundbuch kein sicherer Rechtsverkehr. Es sorgt für den nötigen Rechtsschein – ähnlich wie der Besitz im Mobiliarsachenrecht. Wer reinschaut, soll sich darauf verlassen können, dass das, was drinsteht, auch gilt.

So ist das Grundbuch aufgebaut:

  • Bestandsverzeichnis: Lage, Größe, Art, Parzelle
  • Abteilung I: Eigentümer + Erwerbsgrund
  • Abteilung II: Belastungen wie Vormerkungen, Dienstbarkeiten oder Veräußerungsverbote
  • Abteilung III: Grundpfandrechte (Hypotheken, Grundschulden usw.)

Seit den 1990ern läuft vieles elektronisch (§§ 126 ff. GBO). Heute wird das Grundbuch als Datenbank geführt, was Notaren, Gerichten und Behörden den Zugriff erleichtert.

Neben dem normalen Grundbuch gibt es noch Spezialvarianten:

  • Erbbaugrundbuch (§ 14 ErbbauRG) für das Erbbaurecht
  • Wohnungsgrundbuch für die einzelnen Wohnungen nach dem WEG

Grundsätze des Grundbuchrechts

Hier lauern hier die Klassiker, die Du für jedes Examen kennen musst:

  • Antragsgrundsatz (§ 13 GBO) – Es wird nur eingetragen, wenn jemand einen Antrag stellt. Von allein macht das Grundbuchamt nichts.
  • Bewilligungsgrundsatz (§ 19 GBO) – Betroffen ist nur, wer auch zustimmt. Ausnahme: § 20 GBO (da brauchst Du zusätzlich Einigung in öffentlicher Form).
  • Publizitätsprinzip (§§ 12, 891, 892 BGB) – Formelle Publizität: Jeder mit berechtigtem Interesse darf reinschauen. Materielle Publizität: Was drinsteht, gilt, bis das Gegenteil bewiesen ist.
  • Prioritätsprinzip (§§ 17, 45 GBO, § 879 BGB) – Wer zuerst beantragt, gewinnt. Die Reihenfolge ist entscheidend.
  • Spezialitätsprinzip – Eintragungen müssen eindeutig sein. Keine schwammigen Angaben.
  • Beweisprinzip (§ 29 GBO) – Nur mit Urkunden läuft was.
  • Voreintragungsprinzip (§ 39 GBO) – Nur wer schon als Berechtigter drinsteht, kann neue Rechte eintragen lassen.

Grundbuchberichtigungsanspruch (§ 894 BGB)

Wenn das Grundbuch falsch ist, kannst Du als „wahrer Berechtigter“ die Berichtigung verlangen. Wichtig: Der Anspruch ist ein dinglicher Anspruch – vergleichbar mit § 985 BGB.

Aber: Ohne Zustimmung des falsch Eingetragenen geht nix, § 894 BGB verschafft Dir nur den Anspruch auf diese Zustimmung. Wird die Zustimmung nicht freiwillig erklärt, muss auf ihre Erklärung geklagt werden – die Berechtigung wird dann durch das rechtskräftige Urteil ersetzt (§ 894 ZPO).

Von der Grundbuchberichtigung ist auch die bloße Richtigstellung zu unterscheiden (etwa Korrektur von Schreibfehlern).

Anwartschaftsrecht

Stell Dir vor, Du willst ein Grundstück kaufen. Du hast schon beim Notar die Auflassung unterschrieben, aber im Grundbuch stehst Du noch nicht. Was bist Du jetzt – nackter Käufer ohne Schutz oder schon irgendwie „halb Eigentümer“? Genau hier kommt das Anwartschaftsrecht ins Spiel.

Im Kern bedeutet das: Wenn von den mehreren Schritten zum Eigentum schon so viele erledigt sind, dass Deine Position feststeht und der Verkäufer sie nicht mehr einseitig kaputtmachen kann, dann hast Du ein Anwartschaftsrecht. Man spricht auch gern von einer Vorstufe zum Eigentum.

Warum das Ganze so wichtig ist? Nun, der Weg zum Grundeigentum zieht sich: Notar, Bewilligung, Antrag, Eintragung … Das dauert. Damit Du als Käufer in dieser Zwischenzeit nicht völlig schutzlos bist, hat die Rechtsordnung das Anwartschaftsrecht erfunden. Es schützt Dich in vielerlei Hinsicht und ist sogar übertragbar, verpfändbar und pfändbar – also durchaus etwas wert auf dem Markt.

Natürlich wären wir nicht in Jura, wenn es nicht Streit um die Terminologie gäbe. Manche unterscheiden zwischen einem echten dinglichen Anwartschaftsrecht und einer „bloßen Anwartschaft“, die mehr eine Vermögensposition ist (abtrittsfähig, pfändbar, aber eben nicht dinglich). Andere sagen: Hör auf, das zu spalten – das sind nur unterschiedliche Stufen desselben Rechts.

Entstehung

Der Grundstückskauf läuft in Etappen. Und in jeder Etappe wird die Käuferposition stärker:

  • Bindende Auflassung (§ 873 Abs. 2 BGB) – der Verkäufer kann den Deal nicht mehr einfach widerrufen.
  • Eintragungsantrag gestellt – jetzt schützt § 878 BGB vor nachträglichen Verfügungsbeschränkungen. Außerdem greift das Prioritätsprinzip (§ 17 GBO): Wer zuerst beantragt, gewinnt.

Aber Vorsicht: Bis zur Eintragung bleibt’s gefährlich. Der Verkäufer könnte das Grundstück noch einmal verkaufen (Doppelauflassung), oder Gläubiger könnten sich aus dem Grundstück bedienen. Auch ein Verstoß gegen § 17 GBO verhindert nicht automatisch, dass jemand anders Eigentümer wird – weil § 17 GBO eben nur eine formelle Vorschrift ist. Und genau deshalb ist umstritten, ob überhaupt ein dingliches Anwartschaft entstehen kann:

  • Verneiner: Kein dingliches Anwartschaftsrecht! Warum? Weil der Verkäufer bis zur Eintragung frei bleibt. Selbst die bindende Einigung nach § 873 Abs. 2 BGB gibt keine gesicherte Rechtsstellung – anders als beim Kauf unter Eigentumsvorbehalt nach § 161 BGB. Auch ein Antrag schafft keine Sicherheit, denn der kann zurückgewiesen oder zurückgenommen werden. Außerdem: Wozu? Der schuldrechtliche Anspruch aus dem Kaufvertrag reicht doch als Kreditsicherheit.
  • Befürworter light: Anwartschaft schon mit der Auflassung! Klar, der Verkäufer kann noch verfügen, aber hey – ein Recht ist doch nicht gleich wertlos, nur weil es von Dritten zerstört werden kann. In der Praxis wird der Käufer nach Auflassung fast immer Eigentümer, also warum das Anwartschaftsrecht nicht schon dann anerkennen?
  • BGH + herrschende Meinung: Realistisch bleiben! Ein Anwartschaftsrecht entsteht erst, wenn drei Dinge zusammenkommen: bindende Auflassung, Eintragungsbewilligung, Antrag auf Eintragung (vom Käufer gestellt, nicht vom Verkäufer – sonst könnte der zurückziehen). Erst dann steht der Käufer wirklich fest im Sattel.

Auch heiß diskutiert: Führt die Kombination aus Auflassung und eingetragener Vormerkung (§§ 883, 885 BGB) zu einem Anwartschaftsrecht?

  • Ja-Fraktion: Klar! Ab Eintragung der Vormerkung ist der Käufer vor Zwischenverfügungen geschützt. Der Verkäufer kann nichts mehr einseitig zerstören – also Anwartschaft.
  • Nein-Fraktion: Nee, das sind zwei getrennte Positionen – Empfänger der Auflassung und Gläubiger der Vormerkung. Zusammen ergibt das kein „verkehrsfähiges Eigentum light“, sondern ein Sonderkonstrukt.

Schutz des Anwartschaftsberechtigten

Hat der Käufer eine Anwartschaft, dann kann der Kaufvertrag nicht einfach so „zurückgenommen“ werden. Eine Aufhebung braucht wieder die notarielle Form.

Gegen Dritte wird’s spannend: Wenn jemand anderes wirksam Eigentümer wird, kann der Anwartschaftsberechtigte nur unter engen Bedingungen Ansprüche aus § 823 Abs. 1 oder § 826 BGB haben – etwa wenn der Dritte positive Kenntnis hatte. Meist bleibt nur Amtshaftung nach Art. 34 GG i. V. m. § 839 BGB. Beschädigt ein Dritter das Grundstück, helfen die Standard-Deliktstatbestände (§ 823 Abs. 1, § 823 Abs. 2 i. V. m. Schutzgesetzen, § 826 BGB).

Besitzrechte gibt das Anwartschaftsrecht nicht – § 986 BGB läuft also leer.

Übertragung, Verpfändung, Pfändung

Weil das Anwartschaftsrecht ein dingliches Recht ist, kann man es weitergeben, belasten oder vollstrecken – ähnlich wie Eigentum selbst.

  • Übertragung: Grundsätzlich wie beim Eigentum – Form des § 311b Abs. 1 BGB. Ein gutgläubiger Erwerb geht aber nicht, weil das Anwartschaftsrecht nicht im Grundbuch steht – es fehlt also der Rechtsschein.
  • Verpfändung: Funktioniert über Einigung im Stil von § 925 Abs. 1 BGB. Keine Eintragung nötig. Wird der Anwartschaftsberechtigte schließlich Eigentümer, springt für den Pfandgläubiger automatisch eine Sicherungshypothek heraus.
  • Pfändung: Läuft nach § 857 ZPO (Vollstreckung in Rechte). Auch hier: keine Eintragung, sondern Pfändungsbeschluss + Zustellung an den Anwartschaftsberechtigten. Und wenn dann Eigentum entsteht, hat der Pfandgläubiger ebenfalls eine Sicherungshypothek in der Tasche.

Rang von Grundstücksrechten

An einem Grundstück hängen oft mehrere Rechte (Hypotheken, Grundschulden etc.). Da stellt sich die Frage: Wer hat Vorrang? Grundregel: § 879 BGB, §§ 17, 45 GBO – Prioritäts- und Datumsprinzip. Wer zuerst kommt, mahlt zuerst. Unterschied: Verschiedene Abteilungen –Datum entscheidet (Tempus-Prinzip).
Gleiche Abteilung – Streit! Manche sagen: räumliche Reihenfolge (Locus-Prinzip), andere: zeitliche Reihenfolge (Alterspriorität). Die h. M.: zeitlich – mit räumlicher Eintragung als Indiz.

Die Beteiligten können den Rang auch selbst vereinbaren (§ 879 Abs. 3 BGB). Aber Achtung: Erst die Eintragung macht den Rang wirksam.

Und wenn’s falsch eingetragen wird? Dann gibt’s Streit um Bereicherungsansprüche: Eine Auffassung – der benachteiligte Gläubiger hatte schon eine Art Anwartschaft auf den richtigen Rang, also Anspruch aus Eingriffskondiktion (§ 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 2 BGB). Die h. M. sagt: Der Rang gehört nicht zum Anwartschaftsrecht. Also kein Anspruch des Gläubigers, sondern allenfalls des Eigentümers (Leistungskondiktion oder vertragliche Ansprüche auf Rangänderung).

Rangänderung (§ 880 BGB): Stellentausch zweier Rechte durch Vereinbarung + Eintragung. Praktisch, wenn ein neuer Kreditgeber plötzlich Vorrang braucht.

Rangvorbehalt (§ 881 BGB): Eigentümer reserviert sich eine Rangstelle für später. Heute oft ersetzt durch Eigentümergrundschuld oder Vormerkung, weil’s praktischer ist.