Stell Dir vor, Du kaufst Dir eine neue Anlage für Deine Werkstatt, hast aber gerade nicht das volle Geld parat. Der Verkäufer will Dir trotzdem die Maschine geben – aber natürlich nicht ohne eine Sicherheit. Und hier kommt der Eigentumsvorbehalt ins Spiel: Das Eigentum an der Maschine bleibt solange beim Verkäufer, bis Du den Kaufpreis komplett gezahlt hast. Erst dann gehört Dir das Ding wirklich. Klingt simpel – und ist es in der Grundidee auch.

Aber wie so oft im Recht steckt der Teufel im Detail. Aus diesem Grundbaustein haben sich verschiedene Sonderformen entwickelt: der verlängerte, der erweiterte, der weitergeleitete und der nachgeschaltete Eigentumsvorbehalt. Alles Varianten, die im Wirtschaftsleben praktische Probleme abfedern sollen.

Warum braucht man das Ganze überhaupt? Normalerweise gilt ja: Kaufvertrag = Leistung Zug um Zug (§ 320 BGB). Also: Geld gegen Ware, gleichzeitig. In der Realität muss der Verkäufer aber oft in Vorleistung gehen. Beispiel: Ein Hersteller kauft Rohstoffe, verarbeitet sie und verkauft die fertigen Produkte erst später. Das Geld für die Rohstoffe bekommt der Lieferant also häufig erst, wenn der Hersteller selbst verkauft hat. Klingt für den Lieferanten nach einem Risiko – denn was, wenn der Käufer zwischendrin pleitegeht oder die Ware weiterverkauft? Dann ist die Forderung des Verkäufers unter Umständen nur noch ein mageres Stück aus der Insolvenzmasse wert.

Genau dieses Risiko fängt der Eigentumsvorbehalt auf: Der Verkäufer behält sich das Eigentum an der Sache so lange vor, bis er den vollen Kaufpreis hat. Für den Käufer hat das übrigens auch Vorteile: Er bekommt zwar noch nicht das volle Eigentum, wohl aber ein Anwartschaftsrecht – eine ziemlich starke Rechtsposition, mit der er schon etwas anfangen kann.

Das Gesetz selbst ist hier erstaunlich sparsam: § 449 Abs. 1 BGB enthält nur eine kleine Auslegungsregel. Der Rest wird über das Zusammenspiel von Schuldrecht und Sachenrecht gelöst. Schuldrechtlich heißt das: Der Verkäufer verpflichtet sich zwar zur Übereignung, aber der Eigentumsübergang steht unter der aufschiebenden Bedingung der vollständigen Kaufpreiszahlung (§ 158 Abs. 1 BGB). Dinglich wiederum bedeutet es: Wir haben einen aufschiebend bedingten Eigentumsübergang (§§ 929, 158 Abs. 1 BGB). Bis zur letzten Rate bleibt der Verkäufer also Eigentümer.

Wichtig: Der Eigentumsvorbehalt ist ein eigenes Sicherungsrecht – und zwar nicht akzessorisch. Das heißt: Wenn die Kaufpreisforderung abgetreten wird, springt das Eigentum nicht automatisch mit (§ 401 BGB ist hier außen vor). Die Verbindung bleibt aber über die Bedingung bestehen: Eigentum geht erst über, wenn die Forderung weg ist.

Ein kleiner, aber entscheidender Haken: Bei Grundstücken funktioniert das Ganze nicht (§ 925 Abs. 2 BGB). Ein schwebendes „Halbeigentum“ passt einfach nicht ins Grundbuchsystem. Deshalb kann es nur bei beweglichen Sachen eingesetzt werden – Zubehör und Früchte eingeschlossen (§§ 97, 99 BGB). Bei Immobilien springt stattdessen die Vormerkung (§ 883 BGB) als Schutzinstrument ein.

Begründung

Zunächst schauen wir uns die Begründung des Eigentumsvorbehalts an.

Vereinbarung

In der Praxis landet er fast immer im Kaufvertrag – oft versteckt in den AGB. Das reicht auch, denn wenn er dort drinsteht, gilt er nach § 449 Abs. 1 BGB automatisch auch für die dingliche Einigung.

Konkludenter Eigentumsvorbehalt

Und was, wenn nichts ausdrücklich vereinbart wurde? Ein konkludenter Eigentumsvorbehalt ist zwar möglich, aber nicht ohne weiteres anzunehmen. Der Käufer darf nicht einfach davon ausgehen, dass sich der Verkäufer „stillschweigend“ abgesichert hat. Es braucht schon klare Anhaltspunkte oder einen entsprechenden Handelsbrauch.

Nachträglicher Eigentumsvorbehalt

Auch nachträglich kann man noch einen Eigentumsvorbehalt einbauen – zum Beispiel, wenn sich Verkäufer und Käufer später darauf einigen. Problematisch wird’s nur, wenn die Sache schon übereignet wurde und der Käufer Volleigentümer ist.

Die Rechtsprechung löst das über zwei Schritte: Erst Rückübertragung des vollen Eigentums an den Verkäufer, dann erneute, bedingte Übereignung an den Käufer. Die Literatur bevorzugt einen eleganteren Ein-Schritt-Mechanismus: Rückübertragung des „gekürzten Eigentums“ unter auflösender Bedingung der Kaufpreiszahlung. Vorteil: Rechte Dritter bleiben unberührt, und der Schuldner ist besser geschützt.

Einseitiger Eigentumsvorbehalt

Ganz anderes Kaliber: der Versuch des Verkäufers, einseitig einen Eigentumsvorbehalt reinzudrücken – etwa per Vermerk auf dem Lieferschein. Das ist im Prinzip vertragswidrig. Ob es trotzdem wirkt, hängt davon ab, wann und wem gegenüber die Erklärung abgegeben wird:

  • Nach unbedingter Übereignung (z. B. erst in der Rechnung) – komplett wirkungslos, der Käufer ist schon Eigentümer.
  • Vor oder bei der Übereignung – dann kommt es darauf an, ob der Käufer (oder ein befugter Vertreter) den Vorbehalt zur Kenntnis nimmt und einer Vertragsänderung zustimmt. Ohne Zustimmung bleibt es bei der ursprünglichen Vereinbarung.

Verlängerter Eigentumsvorbehalt

Okay, starten wir mit dem verlängerten Eigentumsvorbehalt – klingt kompliziert, ist aber eigentlich eine ziemlich clevere Kombination aus Eigentumsvorbehalt und Sicherungszession. Man kann ihn in vier Bausteine zerlegen:

  • Eigentumsvorbehalt: Verkäufer und Käufer einigen sich darauf, dass das Eigentum an der Ware erst auf den Käufer übergeht, wenn er bezahlt hat. Optional kann auch gleich eine Verarbeitungsklausel eingebaut werden, falls die Ware noch verarbeitet wird.
  • Veräußerungsermächtigung: Der Verkäufer sagt quasi: „Klar, verkauf die Ware weiter, aber bitte im normalen Geschäftsverkehr!“ (§ 185 Abs. 1 BGB). Widerrufen darf er das nur aus gutem Grund.
  • Vorausabtretung: Wenn der Käufer die Ware weiterverkauft, werden die daraus entstehenden Kaufpreisforderungen automatisch schon mal im Voraus an den Verkäufer abgetreten (§ 398 BGB). So bekommt der Verkäufer quasi ein Ersatzpfand, falls das Eigentum schon verloren geht.
  • Einziehungsermächtigung: Weil keiner außen merken soll, dass die Forderung abgetreten wurde, darf der Käufer das Geld direkt selbst einziehen (§ 185 BGB).

Keine Sorge: Grundsätzlich ist das alles rechtens, also weder sittenwidrig (§ 138 Abs. 1 BGB) noch ein Fall für § 307 BGB.

In AGBs begegnet man manchmal Klauseln, in denen der Käufer dem verlängerten Eigentumsvorbehalt widerspricht. Wenn solche Abwehrklauseln nicht explizit den verlängerten Eigentumsvorbehalt treffen, gilt: Wenn der verlängerte Eigentumsvorbehalt branchenüblich ist, bleibt er wirksam.

Einziehungsermächtigung

Die Einziehungsermächtigung ist praktisch: Sie überträgt nur das Recht, die Forderung einzuziehen, nicht die Forderung selbst. Der Käufer kann im eigenen Namen vom Schuldner Geld holen, aber nicht einfach die Forderung weiterverkaufen (§ 364 BGB). Widerrufen darf der Verkäufer nur, wenn seine Sicherheit gefährdet ist, z. B. bei Vertragsuntreue.

Die Rechtsprechung leitet die Zulässigkeit aus § 185 BGB ab: Wenn sogar ein Fremder mit Zustimmung des Gläubigers wirksam handeln kann, muss erst recht das Einziehen möglich sein. Kritiker sagen allerdings, dass Einziehen keine echte Verfügung sei und manche Risiken birgt – z. B. doppelte Gläubigerstellung oder Prozessprobleme.

Im Streitfall erlaubt die Einziehungsermächtigung normalerweise, dass der Käufer die Forderung vor Gericht geltend macht – man nennt das gewillkürte Prozessstandschaft.

Forderungseinziehung

Wenn der Abnehmer zahlt, landet das Geld beim Vorbehaltskäufer – nicht beim Verkäufer. Der Verkäufer hat erst einmal nur ein zeitlich begrenztes Sicherungsrecht, nämlich bis die Forderung tatsächlich eingezogen ist.

Ansprüche gegen den Vorbehaltskäufer bleiben bestehen (z. B. bei Pflichtverletzungen), aber Ansprüche gegen den Abnehmer in der Regel nicht, da die Einziehungsermächtigung die Zahlung befreit (§§ 362 Abs. 2, 185 Abs. 1 BGB).

Besonders tricky wird es, wenn Schecks im Spiel sind: Der Käufer darf sie nicht einfach selbst einlösen, sonst kann der Verkäufer Ansprüche nach § 816 Abs. 1 S. 1 BGB geltend machen.

Aufrechnung gegenüber dem Vorbehaltskäufer

Hier kommt’s auf den Wissensstand des Abnehmers an. Keine Kenntnis vom verlängerten Eigentumsvorbehalt: § 407 Abs. 1 BGB greift – die Aufrechnung funktioniert. Kenntnis von der Vorausabtretung: Dann kann der Verkäufer die Aufrechnung nach § 406 BGB teilweise blocken, z. B. wenn die Forderung schon bei Erwerb bekannt war oder später fällig wird.

Kollision mit Globalzession

Stell Dir vor, ein Unternehmer braucht Geld – logisch, er will seinen Laden am Laufen halten. Also leiht er sich Geld von der Bank. Damit die Bank sicher ist, dass sie ihr Geld wiederbekommt, lassen sich Banken häufig alle Forderungen des Unternehmers abtreten – das nennt man eine Globalzession. Sprich: Alle Forderungen, die er an Kunden hat, sind quasi schon „reserviert“ für die Bank.

Jetzt kauft der Unternehmer aber Waren bei einem Lieferanten unter verlängertem Eigentumsvorbehalt. Das bedeutet: Der Lieferant bleibt Eigentümer, bis die Ware bezahlt ist, und sichert sich zusätzlich, dass die Forderungen, die aus dem Weiterverkauf entstehen, schon mal an ihn abgetreten werden. Schon ist klar: Wir haben zwei Abtretungen für dieselben Forderungen – einmal an die Bank, einmal an den Lieferanten.

Hier gilt normalerweise das Prioritätsprinzip: Wer zuerst kommt, mahlt zuerst. Die erste Abtretung ist gültig, die zweite ist theoretisch gegenstandslos. Aber Achtung: Das gilt nur, wenn alles sauber und rechtmäßig abläuft.

Problematisch wird es, wenn die Bank eine zu starke Sicherheit verlangt – also quasi alle Forderungen und noch mehr abtritt, und der Unternehmer dadurch gezwungen wird, den Lieferanten zu täuschen, um überhaupt Waren zu bekommen. Das ist sittenwidrig nach § 138 BGB, weil der Unternehmer dadurch gezwungen wird, gegen den Lieferanten einen Vertragsbruch zu begehen.

Der Gesetzgeber bzw. die Rechtsprechung hat dafür eine clevere Lösung entwickelt: die dingliche Freigabeklausel. Sobald eine Forderung durch den verlängerten Eigentumsvorbehalt erfasst wird, „springt“ sie automatisch wieder raus aus der Globalzession (§ 158 Abs. 2 BGB) – also die Bank kann nur noch auf die Forderungen zugreifen, die nicht schon durch den Lieferanten gesichert sind. So kollidieren die beiden Abtretungen nicht mehr.

Kollision mit Factoring

Echtes Factoring: Die Bank kauft die Forderung (§§ 453, 433 BGB). Für den Vorbehaltsverkäufer bleibt alles wie gehabt – Prioritätsprinzip bleibt gültig.

Unechtes Factoring: Hier ist umstritten, ob es wie ein Kreditgeschäft oder wie ein Forderungskauf zu behandeln ist. Bei Sittenwidrigkeit des verlängerten Eigentumsvorbehalts greift jedenfalls die Vertragsbruchtheorie.

Erweiterter Eigentumsvorbehalt

Hier behält sich der Verkäufer das Eigentum bis zur Bezahlung bestimmter Forderungen vor – das nennt man Kontokorrentvorbehalt. Der BGH erlaubt das grundsätzlich, solange keine Übersicherung oder Missbrauch vorliegt (§§ 138 Abs. 1, 307 BGB). Ein Konzernvorbehalt ist allerdings verboten (§ 449 Abs. 3 BGB). Selbst wenn die Klausel unwirksam ist, kann sie als einfacher Eigentumsvorbehalt bestehen bleiben (Aufrechterhaltung).

Weitergeleiteter vs. nachgeschalteter Eigentumsvorbehalt

Weitergeleiteter Eigentumsvorbehalt: Käufer verkauft weiter, aber der ursprüngliche Eigentumsvorbehalt bleibt bestehen. Problem: kompliziert, daher kaum noch genutzt.

Nachgeschalteter Eigentumsvorbehalt: Käufer verkauft unter eigenem Vorbehalt, Schlusserwerber merkt in der Regel nichts vom ursprünglichen Verkäufer. Zulässig, auch als Formularklausel (§ 307 BGB).

Rechtsposition des Vorbehaltsverkäufers

Nun zu der Rechtsposition des Vorbehaltsverkäufers.

Rücktrittsrecht

Früher war es einfach: Wenn der Käufer beim Eigentumsvorbehalt nicht gezahlt hat, konnte der Verkäufer quasi automatisch vom Vertrag zurücktreten. Heute sieht das anders aus. § 449 Abs. 1 BGB sagt nämlich nichts mehr von einer Rücktrittsvermutung beim Zahlungsverzug. Stattdessen muss der Verkäufer ins allgemeine Rücktrittsrecht des § 323 BGB schauen. Heißt: Erst mal Nachfrist setzen – es sei denn, die ist wegen § 323 Abs. 2 Nr. 2 BGB überflüssig, zum Beispiel wenn der Käufer die Zahlung ernsthaft und endgültig verweigert.

Früher kam es noch darauf an, ob der Schuldner den Verzug verschuldet hat. Diese Hürde ist jetzt weg – ein Rücktritt hängt nicht mehr vom Vertretenmüssen ab.

Aber Vorsicht: Beim Teilzahlungskauf wird’s kompliziert. Da greifen §§ 508 Abs. 2, 498 BGB und machen die Bedingungen für den Rücktritt ziemlich streng.

Außerdem: Ganz tabu bleibt der Rücktritt, wenn die Verzögerung eigentlich in der Verantwortung des Verkäufers selbst liegt (§ 323 Abs. 6 BGB).

Kein Rückholrecht ohne Rücktritt

Man könnte meinen, der Verkäufer darf die Sache einfach zurückholen, wenn der Käufer nicht zahlt – sozusagen als Druckmittel. Aber nix da. § 449 Abs. 2 BGB ist da klar: Ohne Rücktritt keine Rückgabe. Ein isoliertes Rückholrecht gibt’s nicht.

Und falls jemand auf die Idee kommt, so ein Recht einfach ins Kleingedruckte zu schreiben: vergiss es. Nach § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB verstößt das gegen das gesetzliche Leitbild.

Beim Teilzahlungskauf geht der Gesetzgeber sogar noch weiter: Nimmt der Verkäufer die Sache zurück, wird vermutet, dass er damit gleich vom Vertrag zurückgetreten ist (§ 508 S. 5 BGB).

Ansprüche bei verjährter Kaufpreisforderung

Jetzt stell Dir vor, die Kaufpreisforderung ist schon verjährt. Eigentlich wäre das Rücktrittsrecht des Verkäufers damit erledigt (§ 218 Abs. 1 BGB). Der Käufer könnte sich dann einfach auf sein Besitzrecht aus dem Vertrag berufen. Ergebnis: Der Käufer bleibt Besitzer, der Verkäufer bleibt Eigentümer – und beide hängen dauerhaft in dieser schrägen Konstellation fest.

Damit genau das nicht passiert, gibt es § 216 Abs. 2 S. 2 BGB. Der rettet den Eigentumsvorbehalt, indem er den Rücktritt auch nach Verjährung erlaubt. So bleibt die Sicherungsfunktion des Vorbehaltseigentums erhalten und verhindert dieses Auseinanderfallen von Besitz und Eigentum.

Vorbehaltseigentum bei Verarbeitung

Noch spannender wird’s, wenn der Käufer die Sache nicht nur nutzt, sondern weiterverarbeitet. § 950 BGB sagt: Wer durch Verarbeitung eine neue Sache herstellt, wird Eigentümer. Für den Vorbehaltsverkäufer bedeutet das: Sein Eigentum ist futsch, und zwar automatisch – ohne Ersatz. Was bleibt, ist nur ein Bereicherungsanspruch nach §§ 951, 812 BGB. Der ist aber längst nicht so sicher wie das Eigentum selbst.

Weil das Ergebnis für beide Seiten unfair wäre, gibt es in der Praxis Verarbeitungsklauseln. Mit denen versucht man, das Eigentum des Verkäufers auch nach der Verarbeitung zu sichern.