Also, stell Dir vor: Du willst etwas kaufen oder bekommen, aber der, von dem Du es bekommst, darf es eigentlich gar nicht hergeben. Klingt kompliziert? Ist es nicht unbedingt – es gibt dafür ein Gesetz, das genau diesen Fall regelt: den gutgläubigen Erwerb vom Nichtberechtigten, §§ 932 ff. BGB. Kurz gesagt: Du kannst Eigentum an beweglichen Sachen erwerben, auch wenn derjenige, der sie verkauft, eigentlich gar nicht berechtigt ist – solange Du gutgläubig bist und die Sache nicht abhandengekommen ist.
Grundsätzlich gilt: Niemand kann mehr übertragen, als er selbst hat. Wenn das doch passieren würde, würde jemand anderes geschädigt werden. In der Realität aber ist es ziemlich üblich, dass Besitz und Eigentum auseinanderfallen. Du kennst das vielleicht: Du bekommst etwas in die Hand, aber eigentlich gehört es jemand anderem. Wenn man nun von jedem Käufer verlangen würde, das Eigentum vorher zu prüfen, würde das den normalen Geschäftsverkehr lahmlegen.
Das BGB löst dieses Problem clever: Es sagt im Wesentlichen: Besitz ist ein Rechtsschein. Wer die Sache hat und sie übergibt, wird grundsätzlich so behandelt, als wäre er Eigentümer (§ 1006 BGB). Nur wer den Eigentum-Besitz-Konflikt selbst verschuldet hat, wird nicht geschützt (§ 935 BGB). Geld und Inhaberpapiere sind eine Ausnahme, weil die Wirtschaft sonst stillstehen würde.
Damit ein Erwerb vom Nichtberechtigten klappt, müssen die üblichen Bedingungen für Eigentumserwerb erfüllt sein: Einigung, Übergabe (oder Übergabesurrogat) und Einigsein. Das alles basiert auf den Tatbeständen des normalen Eigentumserwerbs (§§ 929-931 BGB).
Fehlen der Verfügungsbefugnis
Wenn der Verkäufer keine Berechtigung hat, kann trotzdem ein Eigentumserwerb möglich sein – wenn Du gutgläubig bist. Einschränkungen können durch gesetzliche Verbote oder behördliche Auflagen bestehen. In bestimmten Fällen ist ein gutgläubiger Erwerb komplett ausgeschlossen, z. B. bei absoluten Verfügungsverboten oder bei §§ 1365, 1369 BGB.
Verkehrsgeschäft
Damit Du gutgläubig etwas erwerben kannst, muss es sich um ein Verkehrsgeschäft handeln. Das bedeutet: Käufer und Verkäufer dürfen nicht wirtschaftlich identisch sein. Nur so besteht ein schutzwürdiges Vertrauen.
Beispiele: Ein GmbH-Gesellschafter verkauft der GmbH etwas, das sie bereits besitzt – wirtschaftlich ist hier kein Verkehrsgeschäft gegeben. Mehrere Gesellschafter verkaufen an die GmbH – hier ist ein Verkehrsgeschäft gegeben.
Für Erbschaften gilt: Ein gutgläubiger Erwerb ist nicht möglich, da die Übertragung automatisch gesetzlich geregelt wird (§ 1922 BGB).
Gutgläubiger Erwerb vom nichtberechtigten Minderjährigen
Auch ein minderjähriger Nichtberechtigter kann unter Umständen Eigentum übertragen, wenn das Geschäft neutral ist (§§ 107 ff. BGB) – so die herrschende Meinung.
Manche in der Literatur können mit dem Ergebnis aber nicht so recht leben und kritisieren das Ganze ziemlich deutlich. Warum? Nun, nehmen wir an, der Minderjährige wäre wirklich – so, wie es sich der Erwerber vorstellt – Eigentümer der Sache. In diesem Fall würde aber die Einigung über den Eigentumsübergang an § 107 BGB scheitern, weil die Zustimmung der Eltern fehlt. Folge: Das Ganze wäre nur schwebend unwirksam. Und jetzt kommt der Haken: Nach der herrschenden Meinung bekäme der gutgläubige Erwerber vom minderjährigen Nicht-Berechtigten auf einmal mehr, als er vom minderjährigen Berechtigten überhaupt kriegen könnte. Klingt irgendwie schräg, oder? Die Gutglaubensvorschriften sollen den Erwerber ja eigentlich nur so stellen, wie er stehen würde, wenn seine Annahmen zuträfen – nicht besser. Genau deswegen wird gefordert, die Vorschriften teleologisch zu reduzieren. Mit anderen Worten: Wenn ein Minderjähriger als Nichtberechtigter verfügt, dann darf es auch keinen gutgläubigen Erwerb geben. Punkt.
Rückerwerb durch den Nichtberechtigten
Was passiert, wenn der ursprünglich Nichtberechtigte das Eigentum später zurückbekommt? Manche sagen: automatischer Eigentumsrückfall, besonders bei internen Geschäften („Innenverkehr“). Andere sagen: Der ursprüngliche Eigentümer bekommt nur schuldrechtliche Ansprüche (§§ 280 ff., 812 ff. BGB; § 823 i. V. m. § 249 Abs. 1 BGB), der Nichtberechtigte behält das Eigentum. Die Schuldrechtslösung ist praktikabler, weil sie Einzelfälle berücksichtigen kann – bei Sicherungsübereignung oder Vorbehaltskäufen zum Beispiel.
Objektiver Rechtsscheinstatbestand
Wiederholen wir nochmal die Basics: Warum schützt das Gesetz eigentlich so großzügig den gutgläubigen Erwerber? Ganz einfach – unser Gesetzgeber geht grundsätzlich davon aus, dass Besitz und Eigentum Hand in Hand gehen (§ 1006 BGB). Klingt logisch, oder? Wer etwas in den Händen hält, der ist wohl auch der Eigentümer. Aber halt: Der Gesetzgeber schaut nicht nur auf den reinen Besitz, sondern auf die Art und Weise, wie der Besitz verschafft wurde. Und da kommt der Veräußerer ins Spiel. Der muss nämlich in der Lage sein, dem Erwerber den Besitz überhaupt zu verschaffen. Erst dann kann der Käufer auch darauf vertrauen, dass der Veräußerer verfügungsbefugt ist – selbst wenn er’s in Wirklichkeit gar nicht ist.
Dieses Grundprinzip steckt übrigens auch in § 934 Alt. 2 BGB: Dort heißt es klipp und klar, dass es auf die „Besitzverschaffungsmacht“ des Veräußerers ankommt. Neben dieser Besitzverschaffung gibt’s im Sachenrecht noch ein paar andere Situationen, die einen Rechtsschein setzen können – zum Beispiel das Handeln über eine Geheißperson oder der gute alte Erbschein. Aber eins nach dem anderen:
Übergabe
Die Standard-Variante: § 932 Abs. 1 S. 1 BGB verweist direkt auf § 929 S. 1 BGB – und damit auf die Übergabe. Kurz gesagt: Wer übergeben kann, wirkt so, als sei er auch Eigentümer. Das ist der klassische Rechtsschein.
Geheißperson
Normalerweise musst Du Dir die Übergabe so vorstellen, dass der Veräußerer die Sache direkt in die Hand des Erwerbers gibt – klassisch Schlüsselübergabe beim Autokauf. Aber was, wenn der Veräußerer selbst gar nicht an die Sache rankommt, sondern jemand anderes sie übergibt? Genau hier kommt die Geheißperson ins Spiel.
Die Idee ist: Der Veräußerer muss nicht zwingend selbst anpacken. Es reicht, wenn jemand auf sein Geheiß handelt. Beispiel: Du kaufst bei V einen Fernseher, und V sagt zu seinem Lagerarbeiter L: „Bring das Ding bitte direkt zum Käufer.“ L trägt also das Gerät raus – und schwupps, hast Du den Fernseher. Der Lagerarbeiter L ist die Geheißperson (§§ 929 S. 1, 932 Abs. 1 S. 1 BGB).
Jetzt aber zum Knackpunkt: Was, wenn der unmittelbare Besitzer (L) gar nicht wirklich auf den Willen des Veräußerers hört, sondern aus einem ganz anderen Grund die Sache übergibt? Dann stellt sich die Frage: Gibt es trotzdem einen Rechtsschein, auf den der Käufer vertrauen darf? Hier spalten sich die Theorien:
- Besitzverschaffungsmachttheorie (BGH): Entscheidend ist die Perspektive des Erwerbers. Wenn es für ihn objektiv so wirkt, als ob der unmittelbare Besitzer nur den Willen des Veräußerers ausführt, reicht das. Ob der unmittelbare Besitzer in Wahrheit getäuscht oder hinters Licht geführt wurde, spielt keine Rolle. Hauptsache, der Erwerber konnte davon ausgehen, dass der Veräußerer die Übergabe organisiert hat.
- Unterwerfungstheorie (h. L.): Hier ist man strenger. Danach reicht die äußere Sicht nicht. Der unmittelbare Besitzer muss sich tatsächlich dem Willen des Veräußerers unterordnen. Nur wenn er bewusst und für Rechnung des Veräußerers übergibt, entsteht ein Rechtsschein. Wird er dagegen getäuscht und denkt, er handle im eigenen Namen, ist er eben keine echte Geheißperson – sondern eine Scheingeheißperson. Und von einer Scheingeheißperson kannst du nichts gutgläubig erwerben, weil es schlicht keinen Rechtsschein gibt.
Beispiel: V verkauft K zehn Zentner Kohle. Abgemacht ist: V soll seinen Lieferanten D losschicken, damit der die Kohle direkt an K liefert. Klingt simpel. K zahlt auch sofort und glaubt, alles läuft über V. Jetzt trickst V aber: Er geht zu D und tut so, als ob er im Namen des K bestelle. D denkt: „Ah, mein Vertragspartner ist K.“ Als er die Kohle rausgibt, meint er, er übereignet selbst an K. K dagegen nimmt an, D sei nur die Geheißperson des V.
Was passiert? Nach der Unterwerfungstheorie: Keine Übergabe. Warum? Weil D gar nicht im Willen des V gehandelt hat, sondern in eigener Rechnung. Damit fehlt die Unterwerfung, also kein Rechtsschein – und K wird nicht Eigentümer. Nach der Besitzverschaffungsmachttheorie (BGH): Entscheidend ist, was K sehen konnte. Und aus seiner Sicht kam die Auslieferung auf Veranlassung des V zustande. Also: Übergabe bejaht, K ist geschützt.
Übereignung kurzer Hand
Hier haben wir die besondere Situation: Der Erwerber ist schon Besitzer der Sache, und es geht nur noch um den Eigentumsübergang. Da fällt der normale Rechtsschein der Übergabe weg – also muss ein anderer her. Und der liegt darin, dass der Veräußerer dem Erwerber den Besitz verschafft haben muss (§ 932 Abs. 1 S. 2 BGB). Praktisch also dieselbe Denke wie bei § 929 S. 1 BGB: Der Erwerber muss Besitz auf Veranlassung des Veräußerers erhalten, und der Veräußerer darf keinen Besitz zurückbehalten.
Zustimmung eines Dritten
Klingt ein bisschen exotisch, ist aber klausurrelevant: Was, wenn ein Nichtberechtigter etwas veräußert, aber ein Dritter, der eigentlich Besitzer ist, zustimmt (§§ 185, 932 BGB)?
Beispiel: V verkauft das Fahrrad des E an den gutgläubigen B. Z, der das Rad tatsächlich in den Händen hält, nickt dazu. Ergebnis: B kann geschützt sein, wenn der zustimmende Dritte (Z) Besitzer ist. Denn in der Zustimmung des Besitzers liegt der eigentliche Rechtsschein.
Besitzkonstitut
Das Ganze wird noch trickreicher, wenn Besitzmittlungsverhältnisse im Spiel sind. Beim Besitzkonstitut bleibt der Veräußerer zunächst im Besitz, räumt aber ein Besitzmittlungsverhältnis ein (§§ 929 S. 1, 930, 933 BGB). Für den gutgläubigen Erwerb reicht das aber nicht allein – § 933 BGB verlangt zusätzlich eine Übergabe.
Praktisches Problem: Bei Sicherungsübereignungen geht das häufig schief, weil keine Übergabe stattfindet. Klassische Prüfungsfalle!
Beispiel: A leiht sich ein Auto von C. Dann nimmt er bei B ein Darlehen auf und übereignet das Auto zur Sicherheit. Frage: Wird B Eigentümer? Nach §§ 930, 933 BGB nur, wenn auch eine Übergabe stattgefunden hat. Das ist hier nicht der Fall. Also scheitert der gutgläubige Erwerb.
Abtretung des Herausgabeanspruchs
Hier kommt es nach §§ 929 S. 1, 931, 934 BGB drauf an, ob der Veräußerer schon mittelbarer Besitzer ist oder nicht:
- Alt. 1: Der Veräußerer ist mittelbarer Besitzer. Dann reicht es, wenn er seinen Herausgabeanspruch abtritt – zack, Erwerber wird Eigentümer.
- Alt. 2: Der Veräußerer ist kein mittelbarer Besitzer. Dann reicht die bloße Abtretung nicht. Der Erwerber muss zusätzlich noch Besitz erlangen.
Ein Klausurklassiker in dem Bereich ist der gleichstufige mittelbare Nebenbesitz (Fräsmaschinen-Fall).
Erbschein
Last but not least: der Erbschein. Das Nachlassgericht stellt damit eine Art amtlichen „Ausweis“ aus, wer Erbe ist. Und dieser Schein hat öffentlichen Glauben (§ 2365 BGB). Das heißt: Selbst wenn jemand fälschlich als Erbe ausgewiesen wird (Scheinerbe), darf der Rechtsverkehr darauf vertrauen.
Beispiel: S tritt als Scheinerbe auf und verkauft das Buch des Erblassers an A. Grundsätzlich kann A geschützt sein – es sei denn, die Sache war dem wahren Erben schon abhandengekommen (§ 935 BGB). Dann gibt’s keinen gutgläubigen Erwerb, egal wie offiziell der Erbschein aussieht.
Gutgläubigkeit
Nun zur Gutgläubigkeit.
Guter Glaube
Okay, fangen wir mal an: Wer eine Sache erwerben will, muss in der Regel gutgläubig sein – das steht für fast alle Erwerbstatbestände in den §§ 932-934 BGB. Klingt erstmal trocken, aber eigentlich ist es simpel: § 932 Abs. 2 BGB sagt’s als „Negativformel“ – Du bist nicht gutgläubig, wenn Du genau wusstest oder aus grober Fahrlässigkeit nicht wusstest, dass die Sache dem Veräußerer gar nicht gehört. Mit anderen Worten: Der Gesetzgeber fragt nicht danach, ob Du positiv an das Eigentum geglaubt hast – vielmehr schließt er Dich vom Schutz aus, wenn Du bösgläubig bist.
Streitpunkt ist oft, ob es schon reicht, alles, was dem Eigentum widerspricht, zu kennen, um die Gutgläubigkeit zu verneinen. Klar ist aber: Wer die Rechtslage falsch einschätzt, handelt oft grob fahrlässig. Und „grob fahrlässig“ heißt: Du hast die übliche Sorgfalt massiv missachtet, also nicht auf das geachtet, was jedem vernünftigen Menschen hätte einleuchten müssen. Ob das so ist, entscheidet der Einzelfall – es ist also eine Tatfrage.
Eine generelle Pflicht, überall nachzuforschen (Nachforschungspflicht), gibt es nicht. Erst wenn besondere Umstände auftauchen, die Zweifel am Veräußerer wecken, musst Du genauer hinschauen. Dann reicht nicht, dass der Veräußerer selbst behauptet, Eigentümer zu sein – Du musst die tatsächliche Eigentumslage klären.
Wichtig: Gutgläubigkeit bezieht sich bei §§ 932 ff. BGB nur auf das Eigentum des Veräußerers. Andere Dinge, wie Geschäftsfähigkeit, Vertretungsmacht oder andere Übereignungsvoraussetzungen, werden nicht geschützt.
Es gibt aber Einzelfälle (z. B. §§ 135 Abs. 2, 161 Abs. 3, 2113 Abs. 2, 2211 Abs. 2 BGB), in denen auch der Glaube an die Verfügungsbefugnis geschützt wird – das nennt man handelsgeschäftlichen Gutglaubensschutz (§ 366 HGB). Beispiel: Bei Testamentsvollstreckung kann man gutgläubig vom Erben erwerben, wenn man die Vollstreckung nicht kannte. Gutgläubigkeit schützt also vor unangenehmen Überraschungen.
Kenntnis der Anfechtbarkeit
Wenn der Veräußerer eigentlich Eigentümer war, der Voreigentümer später aber anfechtet, wird der Veräußerer rückwirkend zum Nichtberechtigten (§ 142 Abs. 1 BGB). Ob Du als Erwerber geschützt bist, hängt davon ab, ob Du beim Erwerb die Anfechtbarkeit kanntest oder grob fahrlässig nicht kanntest. Wichtig: Es geht nicht darum, ob Du von der Anfechtung selbst etwas wusstest, sondern nur um die Gründe für die Anfechtung.
§ 142 Abs. 2 BGB gilt überall dort, wo das Gesetz Gutglaubensschutz vorsieht, z. B. §§ 892 f., 932 f., 1138, 1155, 1207 f., 1244 BGB.
Maßgebliche Person
Grundregel: Wer etwas erwirbt, muss selbst gutgläubig sein.
Wenn ein Stellvertreter für Dich handelt (§ 166 Abs. 1 BGB), zählt seine Kenntnis – es sei denn, er handelt völlig selbstständig (§ 166 Abs. 2 BGB). Wenn der Stellvertreter auf Deine Weisung handelt, zählt auch Dein Wissen – Du kannst Dich nicht rausreden. Wenn der Stellvertreter eine Genehmigung nach § 184 BGB einholt, ist das rechtlich wie Deine eigene Entscheidung.
Besonderheit beim Gesamtvertreter (z. B. GbR): Bösgläubigkeit eines Vertreters schadet allen? Nein, nur dem bösgläubigen Teil.
Bei Miteigentum gilt: Wer bösgläubig ist, bekommt keinen Anteil – die Gutgläubigen schon.
Auf der Veräußererseite gilt: Dein guter Glaube muss sich auf das Eigentum des angeblichen Eigentümers beziehen.
Maßgeblicher Zeitpunkt
Gutgläubigkeit wird mit der Vollendung des Rechtserwerbs geprüft – in der Praxis also meist bei der Übergabe.
Bei bedingten Erwerbsvorgängen (§ 158 BGB) zählt der Abschluss des Übertragungsgeschäfts (Einigung + Übergabe). Tritt nach dieser Übergabe aber noch eine Bösgläubigkeit ein, verhindert sie den Rechtserwerb nicht.
Nachforschungsobliegenheiten
In einigen Fällen gibt es die Obliegenheit, Nachforschungen anzustellen.
Kfz-Erwerb
Beim Auto ist es ein bisschen komplizierter: Nicht nur das Auto, sondern auch der Fahrzeugbrief (Zulassungsbescheinigung Teil II) muss übergeben werden. Der Brief allein ist kein Traditionspapier (§ 952 BGB), also reicht er nicht automatisch als Beweis für Eigentum. Auch der bloße Besitz des Autos genügt nicht, weil oft Sicherungs- oder Vorbehaltseigentum besteht. Man unterscheidet aber:
- Neuwagen: Fehlender Kfz-Brief schließt Gutgläubigkeit meist nicht aus.
- Gebrauchtwagen: Der Brief muss meist vorliegen, vor allem bei Privatleuten. Dann sollte der Veräußerer auch als Halter eingetragen sein.
Besondere Nachforschungen sind nötig, wenn z. B. der Verkäufer nicht eingetragen ist, der Verkaufsort seltsam ist, der Preis verdächtig niedrig, der Kfz-Brief gefälscht wirkt.
Beim Kauf von Händlern greift zusätzlich § 366 Abs. 1 HGB: Auch hier muss man auf den Brief achten, sonst droht grobe Fahrlässigkeit.
Erwerb von Groß- oder Zwischenhändlern
Hier musst Du bei hochwertigen Waren prüfen, ob ein Eigentumsvorbehalt besteht, ob die Ware nur zur Kreditsicherung dient oder ob andere Sonderumstände vorliegen (z. B. Zahlungsschwäche, ungewöhnlicher Preis oder ungewöhnliche Geschäfte).
Beim Erwerb vom Verarbeiter (§ 950 BGB) gelten ähnliche Prüfpflichten, besonders wenn Abtretungsverbote üblich sind.
Zustimmung des besitzenden Nichteigentümers zur Verfügung des Nichtbesitzers
Wenn ein Nichteigentümer einem anderen (Nichtbesitzer) die Verfügung erlaubt, wird es spannend. Der Erwerber glaubt, er erwirbt das Eigentum gem. §§ 929 S. 1, 185 Abs. 1 BGB. Gutgläubiger Erwerb ist dann möglich, wenn der Zustimmende entweder
- den Besitz direkt überträgt
- oder ihn mittelbar überträgt und damit seine Besitzposition aufgibt.
Gutgläubigkeit bezieht sich auch hier auf das Eigentum des Zustimmenden, nicht auf seine Verfügungsbefugnis.
Veräußerung unter fremdem Namen
Häufig bei Autos: Ein Nichtberechtigter tritt unter dem Namen des Halters auf. Beispiel: Auto unter Eigentumsvorbehalt verkauft, Scheck nicht gedeckt, Dritter erwirbt vom Nichtberechtigten unter falschem Namen.
Der wahre Namensinhaber hat dann die Möglichkeit, das Geschäft durch Genehmigung nach § 177 BGB an sich zu ziehen.
Der Erwerber darf sich auf den Besitz des Autos und den Kfz-Brief verlassen. Wer der wahre Namensinhaber ist, spielt erstmal keine Rolle.
Anders wird es, wenn der Erwerber ausdrücklich nur vom richtigen Namensinhaber kaufen will – dann ist der Veräußerer betrügerisch, und die Stellvertretungsregeln greifen.
Darlegungs- und Beweislast
In der Praxis die alles entscheidende Frage: Wer muss was beweisen? § 932 Abs. 1 BGB geht davon aus, dass der Erwerber gutgläubig ist. Wer dies bestreitet, muss die Bösgläubigkeit darlegen und beweisen.
Kann der Gegner glaubhaft machen, dass Du die Tatsachen kanntest, bleibt Dir immer noch die Chance, Deinen guten Glauben z. B. durch einen Rechtsirrtum zu beweisen.
Wer grobe Fahrlässigkeit wegen Nachforschungsobliegenheiten nachweisen will, trägt die Beweislast für die tatsächlichen Umstände, die die Pflicht begründen.
Kein Abhandenkommen
Also, was heißt „abhandengekommen“ überhaupt? Kurz gesagt: Eine Sache ist abhandengekommen, wenn der Eigentümer (§ 935 Abs. 1 S. 1 BGB) oder sein Besitzmittler (§ 935 Abs. 1 S. 2 BGB) den unmittelbaren Besitz verliert – und zwar ohne dass er das wollte. Ganz egal, ob es „gestohlen“ wurde oder „verloren“ gegangen ist, beides sind nur Unterformen dieses Abhandenkommens.
Wichtig: Wenn Eigentümer und Besitzmittler unterschiedliche Vorstellungen haben, zählt der Wille des Eigentümers. Hat also der Besitzmittler die Sache gegen seinen eigenen Willen hergegeben, aber im Einklang mit dem Willen des Eigentümers, ist alles okay. Anders sieht es bei einer Unterschlagung (§ 246 BGB) aus: Hier greifen §§ 932-934 BGB, weil die Sache dem Besitzmittler nicht wirklich „abhanden“ gekommen ist.
Beim gutgläubigen Erwerb kippt das Ganze ein wenig: Das Eigentümerinteresse wird zugunsten des Erwerbers zurückgestellt, der sich auf den Rechtsschein des Besitzes verlässt. Aber Achtung: Das gilt nicht immer – hier geht es darum, fair zu verteilen, wer das Risiko trägt:
- Wer sein Eigentum bewusst einem Dritten anvertraut, kann ein Verlustrisiko einschätzen, der Erwerber nicht. Logisch, dass in diesem Fall der Erwerber geschützt wird.
- Bei unfreiwilliger Trennung von Eigentum und Besitz gewinnt dagegen der Schutz des Eigentümers.
Irrtum und Täuschung des unmittelbaren Besitzers
Hier geht es um den „natürlichen Willen„: Abhandenkommen hat ein Willensmoment, das nicht rechtlich, sondern tatsächlich ist.
Irrt oder wird jemand getäuscht, verliert er seinen Besitz nicht unfreiwillig – er stimmt zu, also kein Abhandenkommen. Auch eine spätere Anfechtung nach § 142 Abs. 1 BGB ändert daran nichts. Wenn Du also etwas freiwillig übergibst, bleibt es freiwillig, egal ob Du später die Übergabe anfechtest.
Gewalt oder Drohung gegenüber dem unmittelbaren Besitzer
Hier wird es spannender: Wird der Besitzer durch Gewalt oder Drohung gezwungen, ist der Besitzverlust möglicherweise unfreiwillig.
Teil der Literatur sagt: Jede Zwangswirkung reicht, um ein Abhandenkommen anzunehmen. BGH und andere meinen: Nur unwiderstehliche physische Gewalt (vis absoluta) oder extrem starker psychischer Zwang zählen.
Weggabe durch Geschäftsunfähige bzw. beschränkt Geschäftsfähige
Bei Geschäftsunfähigen (§ 104 BGB) gilt die Übergabe als unfreiwillig – klarer Fall für Abhandenkommen. Beispiel: Geisteskranker E verleiht sein Fahrrad an A, der es an B verkauft. B ist gutgläubig. Ergebnis: § 935 Abs. 1 S. 1 BGB schützt E – B kann das Fahrrad nicht gutgläubig erwerben.
Bei Minderjährigen wird differenziert: Wenn sie die Bedeutung der Weggabe verstehen, gilt die Übergabe oft als freiwillig.
Wegnahme durch Hoheitsakt
Wenn der Staat kommt (Beschlagnahme, Zwangsvollstreckung), passiert kein Abhandenkommen – hier ersetzt der Hoheitsakt den Willen des Besitzers. Selbst fehlerhafte oder rechtswidrige Hoheitsakte ändern daran nichts.
Weggabe durch ein Organ einer juristischen Person
Die juristische Person kann nicht selbst handeln – ihre Organe übernehmen den Besitz. Wenn ein Organ die Sache unbefugt weitergibt, ist das kein Abhandenkommen, weil die juristische Person nie selbst Besitzmittler war.
Weggabe durch mitbesitzenden Alleineigentümer
Wenn ein Alleineigentümer ohne Zustimmung eines Mitbesitzers die Sache weggibt, ist das kein Abhandenkommen. Der Mitbesitzer ist weder Eigentümer noch Besitzmittler. Beispiel: E gibt den gemeinsamen Pkw an A, der ihn an X verkauft. X kann gutgläubig Eigentum erwerben – Abhandenkommen greift hier nicht.
Unterschlagung und Weiterveräußerung durch Besitzdiener
Besitzdiener (§ 855 BGB) haben die Gewalt über Sachen für den Besitzer, sind aber selbst nicht Besitzer. Unterschlagen sie etwas, stellt sich die Frage, ob der Eigentümer sein Eigentum verliert.
Eigenmächtige Weggabe aus dem Herrschaftsbereich des Eigentümers
Beispiel: Angestellter A klaut beim C eine PlayStation und verkauft sie weiter. C verliert Besitz ohne seinen Willen – Abhandenkommen liegt vor, BGH-konform.
Eigenmächtige Weggabe außerhalb des Herrschaftsbereichs
Wenn sich der Besitzdiener weisungsgemäß außerhalb des Herrschafts-/Gewahrsamsbereichs des Eigentümers befindet und sich dann zum Eigenbesitzer aufschwingt, wird gestritten:
- Objektive Rechtslage: Entscheidend ist der Besitzherr, nicht der Diener – Abhandenkommen liegt vor.
- Äußerer Anschein: Entscheidend ist die Position des Besitzdieners nach außen; gibt er freiwillig weg, kein Abhandenkommen.
In beiden Fällen bleibt der Schutz des Eigentümers geringer gegenüber dem Erwerber.
Weggabe einer Nachlasssache durch Nichterben
Auch fiktiver Besitz (§ 857 BGB) wird geschützt. Gibt ein Nichterbe Sachen weg, kann Abhandenkommen vorliegen. Gutgläubiger Erwerb tritt dann zurück.
Beispiel: Erblasser in Düsseldorf, Erbe in Traunstein, Nachbar hat Gartengrill ausgeliehen. A nimmt Truhe und Grill und verkauft sie an G. Ergebnis: E kann beides nach § 985 BGB herausverlangen, § 935 BGB greift – gutgläubiger Erwerb von G ausgeschlossen.
Allgemeine Ausnahmen
§ 935 Abs. 2 BGB stellt die Grundregelung der §§ 932 ff. BGB für Geld, Inhaberpapiere und öffentliche Versteigerungen wieder her. Verkehrsinteresse geht hier vor Eigentümerinteresse. Gold- oder Sammlermünzen gelten nur als Geld, wenn sie zum Umlauf bestimmt sind.
Öffentlich versteigerte Sachen
Historisch ausgenommen: § 935 Abs. 1 BGB greift hier nicht, damit die Versteigerung den Rechtsfrieden sichert. Gutgläubigkeit des Zweiterwerbers bleibt relevant.
Zwangsvollstreckung (§ 817 ZPO) ist anders: Staatsakt, Eigentum geht auch bei Kenntnis des Nicht-Eigentums an den Erwerber über.
Gutgläubiger lastenfreier Erwerb
§ 936 BGB erlaubt, eine mit Rechten Dritter belastete Sache lastenfrei zu erwerben, wenn der Erwerber gutgläubig ist. Dazu zählen Nießbrauch, Pfandrechte, Pfändungen oder Anwartschaftsrechte.
Gutgläubigkeit muss sowohl das Eigentum des Veräußerers als auch das Nichtbestehen von Rechten Dritter betreffen. Voraussetzung ist zudem, dass der Erwerber eine Besitzposition wie beim Erwerb vom Nichtberechtigten erlangt (§§ 932-934 BGB).
Nicht möglich ist der lastenfreie Erwerb, wenn der dingliche Rechteinhaber die Sache im Besitz hat (§ 936 Abs. 3 BGB).
Ansprüche des bisherigen Eigentümers nach gutgläubigem Erwerb
Hat jemand von einem Nichtberechtigten gekauft, hat der bisherige Eigentümer gegen den Erwerber normalerweise keine Ansprüche – außer bei unentgeltlichem Erwerb (§ 816 Abs. 1 S. 2 BGB). Gegen den Verfügenden kann er Schadensersatz oder Herausgabe des Erlöses verlangen, je nachdem, ob der Erlös hinter, gleich oder über dem Wert der Sache liegt.
Bei Fremdbesitzern (§ 872 BGB) – also denjenigen, der im Zeitpunkt der Verfügung die Sache nicht als ihm gehörend besitzt – unterscheidet man drei Fälle:
- Fremdbesitzer hat Besitzrecht: Schadensersatz über Leistungsstörung (§§ 280, 283 BGB) oder Delikt (§ 823 BGB) möglich, Ansprüche aus dem EBV sind aber nach § 986 BGB ausgeschlossen.
- Nie Besitzrecht (Fremdbesitzerexzess): Ansprüche aus §§ 989 f. BGB und Delikt nebeneinander.
- Besitzrecht bestand früher, aber nicht mehr: Stark umstritten, welche Ansprüche vorrangig gelten. Im Fall des nichtberechtigten Eigenbesitzers wird breit diskutiert, ob die Eigentümer-Besitzer-Regeln die deliktische Haftung verdrängen – abhängig von Gut- oder Bösgläubigkeit.
