Stell Dir vor: Jemand richtet bei Dir einen Schaden an. Klar, der muss zahlen. Aber was, wenn Du selbst irgendwie Deine Finger im Spiel hattest? Genau da setzt § 254 BGB an. Der sagt im Kern: Wer sich selbst in Schwierigkeiten bringt, muss den Schlamassel auch ein Stück weit mittragen. Aber wie weit geht das – und was steckt dahinter?
Allgemeines
Zwei große Leitplanken gibt Dir das Gesetz an die Hand: Ohne eigenes Verschulden kein Mitverschulden. Nur weil Du zufällig mitgewirkt hast, bist Du noch lange nicht draußen. Es braucht echtes Verschulden. Warum? Weil auch der Schädiger grundsätzlich nur bei Verschulden haftet – Gleichbehandlung ist das Zauberwort.
Klar, mittlerweile gibt’s Ausnahmen wie die Gefährdungshaftung im Straßenverkehr (§ 7 StVG). Da haftet der Halter auch ohne Verschulden. Und weil Gleiches mit Gleichem verglichen werden muss, zieht man solche strengen Haftungen auch auf die Geschädigten-Seite rüber. Beispiel: Der Halter eines Autos muss sich im Unfallfall die bloße Betriebsgefahr seines Wagens zurechnen lassen – selbst wenn er gar nichts falsch gemacht hat.
Schadensteilung nach Quoten: Hat wirklich beide Seiten ein Stück Verantwortung, wird der Schaden aufgeteilt – wie groß Dein Anteil ist, hängt davon ab, wie dick Du’s verbockt hast.
Grundgedanke
Die herrschende Meinung sagt: Das Ganze fußt auf Treu und Glauben (§ 242 BGB). Aber Vorsicht: Wenn man’s nur auf „Billigkeit“ schiebt, wird’s schwammig. Besser ist, Mitverschulden wie die Haftung des Schädigers zu verstehen – Verantwortung für die Folgen des eigenen Tuns. Ganz nüchtern: Wer Mist baut, trägt die Folgen, egal ob er sich selbst oder andere trifft.
Bezugspunkt des Verschuldens
Beim Schädiger klar: Verschulden heißt rechtswidriges Verhalten. Aber beim Geschädigten? Da gibt’s keine Pflicht, auf sich selbst aufzupassen – Selbstschädigung ist grundsätzlich nicht verboten. Deshalb kann nicht jeder „Fehler“ ein Mitverschulden sein.
Die Lösung: Mitverschulden setzt eine Obliegenheit voraus. Das sind sozusagen Pflichten light – niemand zwingt Dich, sie einzuhalten. Aber wenn Du sie verletzt, kürzt sich Dein Anspruch. Damit hat man eine klare Parallele: Beim Schädiger braucht’s Rechtswidrigkeit, beim Geschädigten Obliegenheitsverletzung.
Beispiele für Mitverschulden – und für keins
Mitverschulden? Radfahrer ohne Helm. Lange diskutiert, ob er sich ein Mitverschulden anrechnen lassen muss, wenn er Kopfverletzungen hat. Der BGH meinte: bis 2011 kein allgemeines Verkehrsbewusstsein in Richtung Helmpflicht – also keine Obliegenheitsverletzung. Heute könnte man das anders sehen.
Kein Mitverschulden! Spaziergang durch einen gefährlichen Park bei Nacht. Auch wenn das unvernünftig klingt, gibt’s kein Rechtsgebot, den Park zu meiden. Also keine Kürzung. Auch kein Mitverschulden: Jemand rettet ein Kind aus einem brennenden Haus und verletzt sich dabei. Das ist rechtlich ausdrücklich erwünscht – also bleibt der Schädiger allein in der Pflicht.
Grenzen
Besonders spannend wird’s bei den Schwächeren. Kinder unter zehn sind im Straßenverkehr nach § 828 Abs. 2 BGB privilegiert: Ihnen kann man kein Mitverschulden entgegenhalten.
Oder der Fall mit dem „Bluter„: Ein Mitfahrer verzögert durch seine Krankheit die Heilung. Das Gericht sagt: Er darf trotzdem ganz normal am Straßenverkehr teilnehmen – seine bloße Gesundheitseigenschaft darf nicht zum Risiko für den Ersatzanspruch werden.
Und was ist mit Dritten? § 254 Abs. 2 S. 2 BGB verweist auf § 278 BGB. Klingt harmlos, sorgt aber für Streit. Müssen sich Kinder z. B. das Fehlverhalten ihrer Eltern zurechnen lassen? Die herrschende Meinung sagt: Nur wenn ein Schuldverhältnis oder was Vergleichbares vorliegt. Im reinen Delikt nicht. Andere wollen weitergehen, aber das ist zu viel des Guten. Beispiel: Ein Kind fährt mit dem Rad, Mutter ist unaufmerksam, und es passiert ein Unfall. Das Fehlverhalten der Mutter muss sich das Kind nach h. M. nicht anrechnen lassen.
Schadensminderungspflicht & Warnpflicht
Nach dem Schaden beginnt Deine zweite Verantwortung: Schadensminderung: Wenn zumutbar, musst Du Dich kümmern, dass der Schaden nicht größer wird. Aber Achtung: Grenzen der Zumutbarkeit! Eine riskante Operation muss niemand machen, eine Umschulung schon eher.
Warnpflicht: Wenn Du weißt, dass ein besonders hoher Schaden droht, musst Du den Schädiger warnen. Beispiel: Hochwertige Güter im Transport. Sagst Du nix, kürzt sich Dein Anspruch.
Handeln auf eigene Gefahr
Das ist die Würze im Ganzen: Du setzt Dich bewusst einer Gefahr aus, die der Schädiger eigentlich beherrscht. Klassische Fälle: Mitfahren bei betrunkenen Fahrern oder gefährliche Sportarten wie Fußball oder Boxen.
Früher meinte man, wer sich auf so etwas einlässt, stimmt stillschweigend in Verletzungen ein. Heute sagt der BGH: Quatsch, das läuft ganz normal über § 254 BGB.
Und Achtung: Bei Gefährdungshaftungen (z. B. Pferdehalter nach § 833 BGB) kann bewusstes Risiko die Haftung ausschließen oder wenigstens kürzen. Aber: Allein das Reiten eines fremden Pferdes reicht nicht. Nur wenn Du wirklich ein krasses Risiko eingehst (etwa Zureiten oder Springreiten), könnte es eng werden.
Das Ergebnis
Am Ende läuft’s fast immer auf eine Quotenbildung hinaus. Beide Seiten tragen den Schaden entsprechend ihrem Beitrag. Manchmal überwiegt einer so stark, dass der andere ganz raus ist – etwa, wenn einer vorsätzlich handelt, der andere nur leicht fahrlässig.
