Stell Dir vor, jemand schuldet Dir eine Leistung, die längst fällig ist – und nichts passiert. Blöd für Dich, denn dadurch können Dir echte Schäden entstehen. Aber Achtung: Im deutschen Recht reicht es nicht, dass der Schuldner einfach zu spät dran ist. Schadensersatz wegen Verspätung gibt’s nur dann, wenn der Schuldner in Verzug ist. Und genau das regeln §§ 280 Abs. 2 und 286 BGB.
§ 280 Abs. 2 BGB macht also klar: Die „normalen“ Voraussetzungen aus § 280 Abs. 1 BGB allein reichen nicht. On top müssen die besonderen Regeln des Schuldnerverzugs aus § 286 BGB erfüllt sein. Die Anspruchsgrundlage lautet also: § 280 Abs. 1, Abs. 2 i. V. m. § 286 BGB. Wichtig: Dein Anspruch auf die Leistung selbst bleibt bestehen – Du kannst also weiterhin die Leistung verlangen und zusätzlich Schadensersatz fürs Warten kassieren.
Verzug bedeutet im Kern: Der Schuldner leistet nicht, obwohl es fällig ist, und Du ihn aufgefordert hast – und er das Ganze auch zu vertreten hat.
Voraussetzungen
Nichtleistung trotz Fälligkeit
Verzug setzt zunächst voraus, dass der Schuldner nicht (rechtzeitig) leistet. Und klar: Du brauchst überhaupt erstmal einen fälligen und durchsetzbaren Anspruch gegen ihn. Das sind dieselben Basics, die Du schon kennst, wenn Du bei § 280 Abs. 1 BGB die Pflichtverletzung prüfst.
Mahnung
Hier wird’s spannend: Allein die Tatsache, dass der Schuldner seine Pflicht nicht erfüllt, reicht noch nicht. Du musst ihm normalerweise eine Mahnung schicken. Damit signalisierst du: „Hey, ich will die Leistung jetzt wirklich – und wenn Du weiter trödelst, hat das Konsequenzen.“
Eine Mahnung ist jede eindeutige Aufforderung an den Schuldner, endlich das Geschuldete zu bringen. Du musst also klar machen, was Du verlangst – aber nicht extra erklären, was passiert, wenn er’s nicht tut.
Kleines Schmankerl: Selbst wenn Du einen zu hohen Betrag verlangst, kann der Schuldner trotzdem in Verzug kommen – nämlich dann, wenn er erkennen muss, dass Du eigentlich die geringere, tatsächlich geschuldete Leistung akzeptieren würdest.
Wichtig: Die Mahnung muss nach Fälligkeit erfolgen. Vorher bringt sie nichts. Sie kann aber mit der Handlung zusammenfallen, die überhaupt erst die Fälligkeit begründet – etwa wenn Du die Rechnung stellst.
Funfact: Eine Rechnung allein ist nach der Rechtsprechung meist keine Mahnung. Der BGH sagt: Sonst würde die Sonderregelung des § 286 Abs. 3 BGB (für Entgeltforderungen) leer laufen.
Gleichgestellt mit der Mahnung sind übrigens Klageerhebung und Mahnbescheid. Klingt nach Kanonen auf Spatzen – und kann teuer werden, wenn der Schuldner sofort anerkennt (§ 93 ZPO).
Vertretenmüssen
Klar: Kein Verzug ohne Verschulden. Nach § 286 Abs. 4 BGB liegt kein Verzug vor, wenn der Schuldner die Verspätung nicht zu vertreten hat. Verschulden wird vermutet – der Schuldner muss sich also rausreden.
Interessant ist, dass es dabei nicht auf den Zeitpunkt der Fälligkeit ankommt, sondern auf den Moment, in dem Verzug eintreten könnte (also z. B. nach Mahnung).
Und womit kann er sich rausreden? Mit allem, wofür er nicht nach §§ 276, 278 BGB haftet: Krankheit, Streik, Naturkatastrophen, Drittstörungen. Aber Vorsicht: Bei Beschaffungsschwierigkeiten muss man genau prüfen, ob er nicht das Risiko übernommen hat.
Entbehrlichkeit der Mahnung
Natürlich gibt es Ausnahmen – manchmal kommst Du auch ohne Mahnung zum Ziel:
Kalenderzeit
Wenn ein fester Termin steht („Zahlung bis 31. August“), weiß der Schuldner genau Bescheid. Da braucht’s nach § 286 Abs. 1 Nr. 1 BGB keine Mahnung mehr.
Berechenbarkeit ab Ereignis
§ 286 Abs. 2 Nr. 2 BGB funktioniert ähnlich: „Zahlung zwei Wochen nach Rechnungseingang“. Die Frist lässt sich aus dem Kalender berechnen – auch hier kein Bedarf für eine Mahnung.
Ernsthafte und endgültige Leistungsverweigerung
Wenn der Schuldner sagt: „Ich zahl nie“, wäre eine Mahnung nach § 286 Abs. 2 Nr. 3 BGB pure Zeitverschwendung.
Besondere Gründe
Der Joker: Wenn sofortiger Verzug nach Treu und Glauben geboten ist (§ 286 Abs. 2 Nr. 4 BGB) – z. B. weil die Leistung extrem dringend ist. Oder wenn der Schuldner selbst gesagt hat, er wird leisten („Selbstmahnung„) und es dann doch nicht tut.
Vertraglicher Ausschluss
Parteien können auch vereinbaren, dass keine Mahnung nötig ist. Aber: In AGB gegenüber Verbrauchern ist so ein Ausschluss unwirksam (§ 309 Nr. 4 BGB).
Entgeltforderungen
Hier kommt die berühmte 30-Tage-Regel: Spätestens 30 Tage nach Zugang der Rechnung (und Fälligkeit) ist der Schuldner automatisch in Verzug.
Verbraucher müssen in der Rechnung ausdrücklich darauf hingewiesen werden.
Bei Unternehmern gilt die Vermutung, dass die Rechnung mit Erhalt der Gegenleistung zugeht (§ 286 Abs. 3 S. 2 BGB). Ziemlich praxisrelevant, aber auch umstritten.
Merke: § 286 Abs. 3 BGB ist keine eigene „Abkürzung“, sondern ergänzt nur die normalen Regeln.
Rechtsfolgen
Ersatz des Verzögerungsschadens
Klassiker: Der Gläubiger kann den Schaden ersetzt verlangen, der ihm durch die Verspätung entsteht – zusätzlich zum Leistungsanspruch.
Verschärfte Haftung
Jetzt wird’s gemein für den Schuldner: Während des Verzugs haftet er verschärft gemäß § 287 BGB. Jede Fahrlässigkeit reicht. Meistens sogar für Zufall (z. B. geht die Sache während des Verzugs kaputt).
Aber nicht übertreiben: Wenn der Schaden auch bei rechtzeitiger Leistung entstanden wäre (z. B. Beschlagnahme durch Behörden), haftet er nicht.
Verzugszinsen
Bei Geldschulden fallen automatisch Zinsen an: Normal: 5 Prozentpunkte über dem Basiszinssatz (§ 288 Abs. 1 BGB). Im Geschäftsverkehr zwischen Unternehmern: sogar 9 Punkte (Abs. 2).
Zusätzlich gibt’s manchmal Pauschalen (40 Euro bei Entgeltforderungen zwischen Unternehmern) und die Möglichkeit, weiteren konkreten Schaden ersetzt zu verlangen.
Und: Abweichende Vereinbarungen, die den Gläubiger benachteiligen, sind oft unwirksam (§ 288 Abs. 4 BGB).
