Das BGB hat Zuwachs bekommen. Mit der Umsetzung der Digitale-Inhalte-Richtlinie (kurz: Digitale-Inhalte-RL) hat der Gesetzgeber einen komplett neuen Abschnitt eingeführt: Titel 2a im zweiten Buch des BGB. Und der hat es in sich. Hier findest Du alles, was für Verträge über digitale Produkte gilt – vor allem, wenn Verbraucher beteiligt sind.
Im Mittelpunkt steht Untertitel 1 mit den §§ 327-327s BGB. Diese Normen regeln Verbraucherverträge über digitale Produkte. Aber auch Unternehmer untereinander kommen nicht zu kurz: Für sie gibt es mit § 327t und § 327u BGB zwei Sonderregelungen im Untertitel 2.
Besonders spannend ist § 327u: Diese Vorschrift ersetzt für digitale Produkte die altbekannten Rückgriffsvorschriften aus dem Kaufrecht. Aber Vorsicht: Die Regelungen dürfen zu Lasten des Unternehmers nicht abgeändert werden – das geht sogar über die Vorgaben der EU-Richtlinie hinaus.
Was darüber hinaus gilt? Unternehmerverträge über digitale Produkte kannst Du im Rahmen der Vertragsfreiheit frei gestalten. Nur einzelne Vorschriften aus dem besonderen Schuldrecht können ergänzend helfen – oder auch mal punktuelle Analogien zu den Verbraucherregelungen. Gerade § 327b BGB zur Bereitstellung digitaler Produkte taugt inhaltlich auch für Verträge zwischen Profis.
Und bei der Auslegung gilt wie so oft: Augen auf bei den EU-Vorgaben. Denn die Richtlinie schreibt die vollständige Harmonisierung vor. Abweichende nationale Vorschriften – egal ob strenger oder lascher – sind damit tabu. Wenn also etwas nicht direkt in den §§ 327 ff. BGB geregelt ist, greift das allgemeine Vertragsrecht aus dem BGB. Zustande kommen muss ein Vertrag schließlich auch hier nach den allgemeinen Regeln.
Anwendungsbereich
§ 327 BGB macht die Spielregeln klar: Die neuen Vorschriften gelten nur für Verbraucherverträge. Das bedeutet: Ein Unternehmer auf der einen, ein Verbraucher auf der anderen Seite – so wie Du das vielleicht vom typischen Online-Abo oder Software-Download kennst.
Was wird eigentlich geregelt? Im Zentrum steht die Bereitstellung digitaler Inhalte oder digitaler Dienstleistungen. Beide werden unter dem praktischen Sammelbegriff „digitale Produkte“ zusammengefasst. Das ist sprachlich schlau, aber rechtlich keine neue Kategorie. Digitale Inhalte sind Daten in digitaler Form. Also Software, Musik, Videos, Spiele, E-Books – kurz: alles, was Du nicht anfassen kannst, aber downloaden oder streamen willst. Die Definition in § 327 Abs. 2 S. 1 BGB ist extra breit gehalten, damit sie auch morgen noch passt. Digitale Dienstleistungen hingegen ermöglichen Dir, Daten zu erstellen, zu speichern oder zu verarbeiten – oder gemeinsam mit anderen zu nutzen. Also zum Beispiel Textverarbeitungsprogramme in der Cloud, Videokonferenzen oder Online-Spiele mit Multiplayer-Funktionen. Auch Software-as-a-Service fällt da drunter.
Muss man für digitale Produkte immer bezahlen? Fast immer: Ja. § 327 Abs. 1 BGB verlangt, dass der Unternehmer Dir das digitale Produkt gegen Zahlung eines Preises bereitstellt. Was als Preis zählt, ist dabei ziemlich weit gefasst – auch digitale Gegenleistungen, wie Gutscheine oder digitale Coins, können darunter fallen. Und was, wenn Du gar kein Geld bezahlst, sondern persönliche Daten gibst? Auch das ist geregelt. Wenn Du dem Unternehmer personenbezogene Daten überlässt oder versprichst, das zu tun, greifen die §§ 327 ff. BGB ebenfalls – so sagt es § 327 Abs. 3 BGB.
Aber: Datenschutz bleibt ein eigenes Thema. § 327q BGB stellt klar, dass Deine Datenschutzrechte auch nach Vertragsschluss nicht verloren gehen. Wenn Du Deine Einwilligung widerrufst, kann der Unternehmer unter bestimmten Voraussetzungen kündigen. Das gilt aber nur, wenn der Vertrag auf eine längere Bereitstellung ausgelegt war – zum Beispiel bei einem dauerhaften Streaming-Abo.
Manche Verträge sind echte Alleskönner: Neben einem digitalen Produkt bekommst Du vielleicht auch eine reale Dienstleistung oder eine Ware. In solchen Paketverträgen greift § 327a BGB. Danach gelten die §§ 327 ff. BGB grundsätzlich nur für den digitalen Teil des Vertrags.
Eine Sonderregel gibt’s für Waren mit digitalen Elementen – wie etwa ein Laptop mit vorinstalliertem Betriebssystem. Für diese Fälle sind die §§ 475b und 475c BGB zuständig. Die stehen zwar nicht in Titel 2a, wurden aber gleichzeitig ins BGB eingefügt. Du siehst: Alles hängt irgendwie zusammen.
Bereitstellung digitaler Produkte
Klar, ohne Leistung kein Vertrag. Und beim digitalen Produkt ist die Bereitstellung das Herzstück. § 327b BGB konkretisiert diese Pflicht. Allerdings entsteht sie nicht durch das Gesetz selbst – sondern durch Deinen konkreten Vertrag mit dem Unternehmer. Ob das nun ein typischer Dienstvertrag ist oder etwas Eigenes (ein Vertrag sui generis), ist für Dich erstmal egal. Hauptsache, Du bekommst, was Du bestellt hast.
Wann muss geliefert werden? § 327b Abs. 2 BGB hält sich erstmal raus und sagt: Was gilt, richtet sich nach Eurem Vertrag. Gibt es dort keine Regelung zur Zeit, darfst Du die Leistung aber „unverzüglich“ verlangen – also ohne schuldhaftes Zögern. Das kennt man auch aus dem Kaufrecht (§ 475 BGB). Und nein, das heißt nicht „sofort“ – der Unternehmer muss sich aber auch nicht ewig Zeit lassen. Ein bisschen Flexibilität bleibt.
Was bedeutet eigentlich „bereitgestellt„? Das kommt drauf an, ob es sich um einen digitalen Inhalt oder um eine digitale Dienstleistung handelt. Bei digitalen Inhalten ist die Sache dann bereitgestellt, wenn Du den Inhalt direkt oder über eine von Dir bestimmte Einrichtung nutzen oder herunterladen kannst. Es reicht, wenn Du technisch die Möglichkeit dazu hast – nutzen musst Du sie nicht zwingend. Selbst ein Passwort oder ein Link kann genügen, wenn damit der Zugriff möglich ist. Achtung: Die Einrichtung, über die der Zugriff läuft, muss wirklich von Dir bestimmt sein. Wenn der Unternehmer sie kontrolliert, zählt das nicht. Es muss klar sein, dass Du die Wahl hattest – zum Beispiel bei einem Cloud-Dienst, den Du selbst ausgewählt hast. Bei digitalen Dienstleistungen läuft’s ähnlich: Auch hier reicht es, wenn Du oder Deine ausgewählte Plattform darauf zugreifen könnt. Es kommt also nicht auf das aktive Nutzen an, sondern darauf, dass die Möglichkeit besteht. Klingt technisch? Ist es auch. Aber das Gesetz zieht hier eine klare Linie, und die ist für beide Seiten fair und nachvollziehbar.
Rechte des Verbrauchers bei unterbliebener Bereitstellung
Stell Dir vor, Du hast ein digitales Produkt bestellt – vielleicht ein E-Book, eine App oder ein Cloud-Abo. Bezahlt hast Du auch schon. Aber das Produkt lässt auf sich warten. Was jetzt? Ganz einfach: Laut § 327b BGB muss der Unternehmer das Produkt liefern, sobald er dazu verpflichtet ist. Tut er das nicht, kannst Du ihn nach § 327c Abs. 1 S. 1 BGB erstmal auffordern, genau das zu tun. Diese Aufforderung ist sozusagen die erste gelbe Karte. Damit bekommt der Unternehmer eine zweite Chance – er muss jetzt liefern. Und zwar zügig. Eine längere Frist könnt Ihr nur dann vereinbaren, wenn Ihr das ausdrücklich so abmacht (§ 327c Abs. 1 S. 2 BGB).
Und wenn er trotzdem nicht liefert? Dann kannst Du als Verbraucher den Vertrag beenden (§ 327c Abs. 1 BGB). Wie genau das heißt – Rücktritt oder Kündigung –, hängt davon ab, ob es sich um einen einmaligen Kauf oder ein Dauerschuldverhältnis handelt. Damit nicht jedes Mal eine lange Begriffsdiskussion losgeht, spricht das Gesetz einfach neutral von „Vertragsbeendigung„.
Und noch was: Du kannst nicht nur den Vertrag beenden, sondern unter bestimmten Bedingungen auch Schadensersatz verlangen (§ 327c Abs. 2 BGB). Zum Beispiel, wenn Dir durch die verspätete Bereitstellung ein Schaden entstanden ist. Die Pflicht, dem Unternehmer eine Frist zu setzen, wird durch die einfache Aufforderung ersetzt – das ist also für Dich weniger formell als sonst im BGB.
Übrigens: In einigen Fällen brauchst Du den Unternehmer gar nicht erst auffordern. Wenn er zum Beispiel von vornherein weiß, dass er nicht liefern kann, oder wenn es offensichtlich keinen Sinn macht, ihn noch mal aufzufordern. Dann kannst Du direkt vom Vertrag zurücktreten oder Schadensersatz verlangen (§ 327c Abs. 3 BGB). Eine Mahnung ist dann auch nicht mehr nötig.
Wichtig ist noch: Wenn die Lieferung aus rechtlichen Gründen unmöglich ist (§ 275 BGB), brauchst Du den Unternehmer nicht mehr auffordern. Dann bist Du automatisch raus aus der Nummer – Du musst also nicht erst den Vertrag beenden (§ 326 Abs. 1 BGB). Und Schadensersatz kannst Du in solchen Fällen trotzdem verlangen (§ 327c Abs. 2 S. 3 BGB i. V. m. §§ 280, 283, 311a BGB).
Haftung des Unternehmers für Produkt- und Rechtsmängel
Jetzt schauen wir uns den nächsten Fall an: Du hast das Produkt bekommen, aber es funktioniert nicht richtig. Oder es fehlen wichtige Inhalte. Auch hier schützt Dich das Gesetz – und zwar ziemlich umfassend.
Die Regeln dazu stehen in den §§ 327d-327n BGB. Dort ist geregelt, dass der Unternehmer dafür sorgen muss, dass das digitale Produkt die vereinbarte Qualität hat. Ein besonders spannender Punkt ist § 327f BGB: Der Unternehmer muss Dich mit Updates versorgen, wenn sie nötig sind, damit das Produkt weiterhin funktioniert. Ein Beispiel wäre ein Sicherheits-Update für eine App. Solche Pflichten kennst Du vielleicht schon vom Kauf von smarten Geräten – auch dort gibt es vergleichbare Regeln (§ 475b BGB).
Wenn ein Mangel vorliegt, hast Du verschiedene Möglichkeiten, die in § 327i BGB aufgelistet sind. Das funktioniert ähnlich wie beim normalen Kauf (§ 437 BGB):
- Du kannst Nacherfüllung verlangen (§ 327l BGB). Heißt: Der Unternehmer muss den Mangel beseitigen.
- Wenn das nichts bringt oder der Unternehmer sich zu viel Zeit lässt, kannst Du den Vertrag beenden (§ 327m BGB) oder den Preis mindern (§ 327n BGB).
- Und wenn Dir durch den Mangel ein Schaden entstanden ist, kannst Du Schadensersatz verlangen (§ 327m Abs. 3 BGB i. V. m. § 280 Abs. 1 BGB) oder Ersatz für vergebliche Aufwendungen fordern (§ 284 BGB).
Grundsätzlich gilt: Erstmal muss der Unternehmer die Chance bekommen, nachzubessern. Das ist der Vorrang der Nacherfüllung. Wenn er aber nicht reagiert oder der Mangel trotzdem nicht behoben wird, kannst Du auf die anderen Rechte zurückgreifen (§ 327m Abs. 1 BGB). Praktisch: Anders als im „normalen“ Leistungsstörungsrecht brauchst Du dafür keine Frist zu setzen. Es reicht, wenn der Unternehmer über den Mangel Bescheid weiß und trotzdem nichts passiert.
Ein kleiner, aber feiner Unterschied zum klassischen Kaufrecht: Während § 437 BGB Dich oft ins allgemeine Leistungsstörungsrecht schickt, regeln die §§ 327l ff. BGB viele Dinge eigenständig. Beispielsweise richtet sich der Schadensersatz statt der Leistung nicht nach § 281 BGB, sondern nach § 327m Abs. 3 BGB. Die Voraussetzungen für Schadensersatz stehen also direkt im digitalen Vertragsrecht und nicht im allgemeinen Teil.
Außerdem: Du darfst den Vertrag beenden und gleichzeitig Schadensersatz verlangen (§ 327m Abs. 3 S. 4 BGB i. V. m. § 325 BGB). Das hat der Gesetzgeber extra klargestellt, weil § 325 BGB ursprünglich nur den Rücktritt, nicht aber die Kündigung geregelt hat.
