Wenn jemand Dir einen Schaden zufügt, stellt sich immer die gleiche Frage: Was genau muss der eigentlich ersetzen – und wie viel? Die Antwort steckt grundsätzlich in den allgemeinen Vorschriften der §§ 249 ff. BGB. Aber weil es gerade bei Unfällen, Verletzungen oder gar Todesfällen oft um ganz spezielle Probleme geht, hat der Gesetzgeber noch ein paar Sonderregeln in die §§ 842 ff. BGB eingebaut.

Personenschäden

Zunächst zu den Personenschäden.

Materielle Schäden

Stell Dir vor, jemand wird verletzt. Klar, Arztrechnungen müssen ersetzt werden – logisch. Aber das ist längst nicht alles. In § 842 BGB steht, dass sich die Ersatzpflicht auch auf die berufliche Zukunft des Geschädigten bezieht. Also nicht nur der aktuelle Lohnverlust zählt, sondern auch das, was einem später noch an Karriere durch die Lappen geht.

Beispiel: Die 17-jährige G wird von einem Pferd so heftig am Kopf getroffen, dass sie schwer verletzt ist. Sie behauptet: Ohne diesen Unfall hätte sie die Schule beendet, eine Ausbildung zur Pferdewirtin gemacht und das Ganze erfolgreich durchgezogen. Der BGH sagt: Ja, klingt plausibel – denn im Normalfall darf man von einem durchschnittlichen Erfolg in Schule und Beruf ausgehen.

Wenn also die Arbeitskraft eingeschränkt ist, heißt das: Man kriegt nicht den bloßen „Wert“ der Arbeitskraft ersetzt, sondern die konkreten finanziellen Nachteile. Und zwar nicht nur die jetzigen Einkünfte, sondern auch die Zukunftschancen.

Nach § 843 BGB läuft das Ganze meistens auf eine Geldrente hinaus – schließlich entstehen die Nachteile ja über längere Zeit. Nur wenn es wirklich gute Gründe gibt, darf man stattdessen auch eine Einmalzahlung verlangen. Und ganz wichtig: Der Anspruch wird nicht dadurch gekillt, dass vielleicht ein Dritter (z. B. der Ehepartner) Unterhaltspflichten erfüllt.

Zu den Schadenspositionen gehören natürlich auch die Behandlungskosten. Dafür gibt’s zwar keine Spezialregel in §§ 842 ff. BGB, aber § 249 BGB hilft weiter. Dass die Krankenkasse die Kosten übernimmt, macht den Anspruch nicht kaputt – der geht nur automatisch auf die Kasse über (§ 116 SGB X, § 86 VVG).

Immaterielle Schäden

Früher stand das noch in § 847 BGB, heute findest Du es in § 253 Abs. 2 BGB. Neu ist, dass Schmerzensgeld nicht nur bei Delikten gezahlt wird, sondern auch bei Vertragspflichten oder Gefährdungshaftung.

Wichtig: § 253 Abs. 2 BGB ist keine eigene Anspruchsgrundlage, sondern setzt einen anderen Schadensersatzanspruch voraus. In der Praxis läuft’s fast immer über § 823 Abs. 1 BGB. Erfasst werden körperliche und gesundheitliche Beeinträchtigungen, aber auch Freiheit und sexuelle Selbstbestimmung.

Aber Achtung: Das allgemeine Persönlichkeitsrecht (z. B. wenn jemand intime Fotos von Dir veröffentlicht) fällt nicht unter § 253 Abs. 2 BGB. Da bastelt die Rechtsprechung den Anspruch direkt aus Art. 1 i. V. m. Art. 2 GG.

Ansprüche von Dritten

Normalerweise gilt: Schadensersatz bekommt nur der, der selbst verletzt wurde. Aber was ist, wenn der Geschädigte tot ist? Dann kann er logischerweise nichts mehr geltend machen – und genau deshalb springen die §§ 844 ff. BGB ein.

Tötung

Hier stehen drei große Blöcke drin: Beerdigungskosten (§ 844 Abs. 1 BGB) – wer die Rechnung zahlen muss, kriegt das Geld ersetzt – meist der Erbe (§ 1968 BGB). Sogar Trauerkleidung ist drin, wobei manche meinen, man müsse einen Vorteil anrechnen, weil man den Anzug ja noch später tragen kann. Unterhaltsschaden (§ 844 Abs. 2 BGB) – hatte der Verstorbene gesetzliche Unterhaltspflichten (z. B. gegenüber Kindern oder Ehegatten), dann wird dieser Verlust ersetzt. Vertraglich vereinbarter oder freiwilliger Unterhalt reicht dagegen nicht. Auch die „Hausfrau im Haushalt“-Konstellation ist erfasst, weil damit ebenfalls Unterhaltspflichten erfüllt werden. Hinterbliebenengeld (§ 844 Abs. 3 BGB) – seit 2017 können nahe Angehörige (Ehegatte, Kinder, Eltern usw.) für ihr seelisches Leid eine Geldentschädigung verlangen. Es geht hier ausdrücklich nicht um Schmerzensgeld im technischen Sinn, sondern um einen Ausgleich für das erlittene Leid. Die Beträge liegen so im Schnitt bei etwa 10.000 Euro, in der Literatur liest man auch mal 5.000-20.000 Euro.

Ein wichtiges Detail: Vorteile wie eine Lebensversicherung werden nicht angerechnet – die sollen den Schädiger nicht entlasten. Bei Erbschaften wird nur diskutiert, ob der vorzeitige Erbanfall berücksichtigt werden muss.

Entgangene Dienste

Hier geht’s um den Fall, dass jemand eigentlich verpflichtet war, Dienste in Haus oder Betrieb eines anderen zu leisten – und durch Verletzung oder Tod fällt das weg (§ 845 BGB). Historisch war das auf Ehefrauen zugeschnitten (klar, 19. Jahrhundert …), heute aber nur noch relevant für Kinder, die nach § 1619 BGB im Haushalt mithelfen.

Mitverschulden

Wenn der unmittelbar Verletzte eine Mitschuld am Unfall trägt, wird dieses Mitverschulden auch den mittelbar Anspruchsberechtigten entgegengehalten (§ 846 BGB). Logik dahinter: Dritte sollen nicht besser gestellt sein als der Verletzte selbst.

Sachschäden

Auch für kaputte oder gestohlene Sachen gibt’s Spezialregeln: § 848 BGB – Zufallshaftung, wenn Dir jemand z. B. Dein Fahrrad klaut, haftet er auch dann, wenn es ihm später unverschuldet abbrennt. § 849 BGB – Zinsen ab dem Zeitpunkt der Entziehung oder Beschädigung – gesetzlich mindestens 4 %, oft aber höher (§ 288 BGB). Kleiner Exkurs: Beim Dieselskandal hat der BGH gesagt, Deliktszinsen gibt’s nicht, weil die Käufer für ihr Geld ja immerhin ein nutzbares Auto hatten. § 851 BGB (Ersatzleistung an Nichtberechtigten) – leistet der Schädiger an den Besitzer (der aber gar nicht Eigentümer ist), kann das befreiend wirken. Beispiel: B leiht sich eine Vase von E, sein Schwager S zerdeppert sie und zahlt B den Wert. E kann sich dann nicht mehr an S wenden, sondern muss den Ersatz von B herausverlangen (§ 285 BGB, § 816 Abs. 2 BGB usw.).

Verjährung

Seit der Schuldrechtsreform 2002 laufen deliktische Ansprüche nach den normalen Fristen: Regelmäßig 3 Jahre ab Jahresende, wenn man alles weiß (§§ 195, 199 Abs. 1 BGB). Maximal 10 Jahre ab Anspruchsentstehung oder 30 Jahre ab Schadensereignis (§ 199 Abs. 3 BGB).

Bei Verletzung von Leben, Körper, Gesundheit oder Freiheit: immer 30 Jahre ab Schadensereignis (§ 199 Abs. 2 BGB).

Aber selbst wenn der Anspruch verjährt ist, gibt es zwei Tricks: Man kann immer noch Herausgabe des Erlangten verlangen (§ 852 BGB) – zum Beispiel die Beute oder den Erlös daraus. Man kann dem Schädiger seine Forderung mit der Arglisteinrede blockieren (§ 853 BGB), wenn die aus einer unerlaubten Handlung stammt.