Nun schauen wir uns den Dienstvertrag genauer an.
Allgemeines
Dienstvertrag vs. Werkvertrag
Fangen wir mit einer ganz klassischen Abgrenzung an, die Dir im Examen garantiert über den Weg läuft: Dienstvertrag vs. Werkvertrag. Klingt trocken? Ja. Ist aber in der Praxis richtig wichtig, weil beim Werkvertrag andere Gewährleistungsvorschriften greifen (§§ 633 ff. BGB), während Du beim Dienstvertrag nur das allgemeine Leistungsstörungsrecht hast.
Also: Was ist das entscheidende Kriterium? Schau in § 631 Abs. 2 BGB. Der Werkunternehmer schuldet einen Erfolg, also ein fertiges Ergebnis. Der Dienstverpflichtete dagegen nur die Tätigkeit an sich. Heißt konkret: Der Handwerker kriegt seine Kohle nur, wenn das Regal wirklich steht. Der Fitnesscoach wird auch bezahlt, wenn Du am Ende trotzdem keine Bauchmuskeln hast.
Bei Verträgen, wo etwas hergestellt oder verändert wird – Bau, Schuhreparatur, Malerarbeiten – ist die Sache ziemlich klar: Da schuldet man einen Erfolg. Schwieriger wird’s bei typischen Grauzonen. Klar, auch beim Dienstvertrag erwartet der Kunde, dass nicht alles im Sand verläuft, aber ob am Ende „Erfolg“ geschuldet ist, klärt man über Vertragsauslegung (§§ 133, 157 BGB). Ein wichtiges Indiz ist die Vergütungsregelung: Nur bei Erfolg Geld = Werkvertrag. Geld auch bei bloßer Tätigkeit = Dienstvertrag.
Und jetzt kommt der Knackpunkt: Wenn der Erfolg gar nicht wirklich in der Hand des Schuldners liegt (Arztbehandlung, Anwalt im Prozess), wäre es unfair, ihn dafür haften zu lassen. Darum gelten solche Verträge in aller Regel als Dienstvertrag. Der Gesetzgeber hat das beim Behandlungsvertrag mit § 630b BGB sogar ausdrücklich klargestellt.
Natürlich gibt’s Mischformen. Beispiel Architektenvertrag: Früher hat man auf den Schwerpunkt abgestellt, heute regeln das §§ 650p ff. BGB – grundsätzlich Werkvertragsrecht, aber mit einigen Spezialvorschriften.
Freier Dienstvertrag vs. Arbeitsvertrag
Im Reich der §§ 611 ff. BGB lauert die nächste Unterscheidung: freier Dienstvertrag und Arbeitsvertrag. Klingt erstmal wie ein Detail, ist aber hochrelevant. Warum? Weil für Arbeitnehmer ein ganzer Zoo an Sondervorschriften greift (z. B. §§ 612a, 613a, 615 S. 3, 619a, 622, 623 BGB), die für freie Dienstverhältnisse eben nicht gelten.
Der Gedanke der Vertragsfreiheit besagt: Zwei gleich starke Parteien handeln etwas aus. Das passt beim freien Dienstvertrag noch. Beim Arbeitsvertrag sieht die Sache anders aus: Der Arbeitnehmer hängt finanziell am Job, ist persönlich abhängig und muss sich den Weisungen des Arbeitgebers beugen – also Schutzwürdigkeit pur. Deshalb hat der Gesetzgeber mit der Zeit immer mehr Regeln eingebaut (§ 611a, § 612a, § 613a, § 619a BGB etc.), dazu zig Schutzgesetze außerhalb des BGB und kollektive Mechanismen wie Tarifverträge und Betriebsvereinbarungen.
Seit 2017 ist der Arbeitsvertrag sogar gesetzlich definiert (§ 611a BGB). Zentral: Weisungsgebundenheit und persönliche Abhängigkeit. Das zeigt sich an der Eingliederung in die Arbeitsorganisation. Aber Achtung: Nicht immer eindeutig! Homeoffice kann sowohl als freier Dienstvertrag als auch als Arbeitsvertrag laufen – kommt auf die Umstände an. Entscheidend ist am Ende nicht, was im Vertrag steht, sondern wie er gelebt wird (§ 611a Abs. 1 S. 5, 6 BGB).
Klassische freie Dienstverhältnisse: Anwälte, Steuerberater, Ärzte, Handelsvertreter (§ 84 HGB), freie Mitarbeiter. Aber: Label „freier Mitarbeiter“ allein rettet keinen Arbeitgeber, wenn die Realität ein Arbeitsverhältnis ist.
Zustandekommen und Wirksamkeit
Auch hier gilt erstmal: Vertragsfreiheit! (§ 105 GewO). Trotzdem gibt’s gerade beim Arbeitsvertrag Einschränkungen: Verbot von Kinderarbeit (§ 5 JArbSchG), Pflicht zur Beschäftigung Schwerbehinderter (§ 154 SGB IX), Antidiskriminierungsregeln nach dem AGG. Das AGG spielt vor allem bei Bewerbungen eine große Rolle: Niemand darf wegen Alter, Geschlecht, Herkunft etc. benachteiligt werden. Klassisches Beispiel: Mädcheninternat stellt für Nachtdienste nur Frauen ein. Normalerweise Diskriminierung – hier aber nach § 8 Abs. 1 AGG gerechtfertigt, weil die Stelle eine wesentliche berufliche Anforderung mit sich bringt.
Formvorschriften
Grundsätzlich sind Dienstverträge formfrei. Aber: Nachweisgesetz (§ 2 NachwG) verlangt eine schriftliche Fixierung der Arbeitsbedingungen innerhalb eines Monats. Fehler bei der Form führen aber nicht zur Nichtigkeit (§ 125 BGB greift hier nicht).
Allgemeine Regeln für Rechtsgeschäfte
Und klar: Auch beim Dienstvertrag gelten die allgemeinen Regeln für Rechtsgeschäfte (§§ 104 ff. BGB). Geschäftsfähigkeit, Anfechtung bei Willensmängeln, alles mit drin. Spannend: Das „Recht zur Lüge“ des Arbeitnehmers bei unzulässigen Fragen (z. B. nach Schwangerschaft). Antwortet man falsch, ist das keine Täuschung (§ 123 BGB scheitert).
Fehlerhafte Verträge
Jetzt wird’s heikel: Was, wenn ein Arbeitsvertrag unwirksam ist oder erfolgreich angefochten wird? Normalerweise: Vertrag von Anfang an nichtig (§ 142 Abs. 1 BGB). Aber beim Arbeitsvertrag wäre das unfair, weil der Arbeitnehmer sonst leer ausgeht, obwohl er schon gearbeitet hat. Lösung: das Konzept des fehlerhaften Arbeitsverhältnisses. Ergebnis: Nichtigkeit nur ex nunc (für die Zukunft).
Auch sitten- oder gesetzwidrige Arbeitsverträge können so behandelt werden, außer sie betreffen strafbare Tätigkeiten. Dann bleibt nur Bereicherungsrecht (§§ 812 ff. BGB).
Bei freien Dienstverträgen ist umstritten, ob man das genauso handhabt. Da spricht weniger Schutzwürdigkeit, aber auch hier gilt: Dienstleistungen lassen sich schlecht rückabwickeln. Deshalb bejaht die Rechtsprechung das fehlerhafte Dienstverhältnis auch für freie Dienste.
Beendigungsgründe
Dienstverhältnisse können auf verschiedene Weisen enden: Tod des Dienstverpflichteten (§ 613 S. 1 BGB) – Vertrag erlischt. Tod des Dienstberechtigten – Vertrag läuft mit den Erben weiter (§§ 1922, 1967 BGB), es sei denn, die Dienste waren höchstpersönlich (z. B. Pflege). Ablauf einer Befristung (§ 620 Abs. 1 BGB). Zweckerreichung, z. B. Pfleger bis Ende der Krankheit (§ 620 Abs. 2 BGB). Kündigung – ordentlich (§§ 621, 622 BGB) oder außerordentlich (§§ 626, 627 BGB).
Bei Arbeitsverträgen gilt: Schriftform für die Kündigung ist Pflicht (§ 623 BGB).
Ordentliche Kündigung
Freie Dienstverträge sind in § 621 BGB geregelt.
Arbeitsverträge in § 622 BGB: 4 Wochen zum 15. oder Monatsende, mit Verlängerungen für den Arbeitgeber je nach Dauer. Das Kündigungsschutzgesetz (KSchG) schützt Arbeitnehmer zusätzlich vor sozial ungerechtfertigten Kündigungen.
Außerordentliche Kündigung
§ 626 BGB: Wichtiger Grund, fristlos, ultima ratio (meistens vorher Abmahnung nötig). Beispiele: Diebstahl, exzessives Surfen im Büro, rassistische Sprüche, Dauer-Alkoholkonsum.
§ 627 BGB: Dienste höherer Art, besonderes Vertrauen (z. B. Arzt, Anwalt, Steuerberater) – jederzeit ohne Grund kündbar.
Wichtig: Nach einer Kündigung gibt’s für den Arbeitnehmer Ansprüche auf Zeugnis (§§ 630 BGB, 109 GewO) und auf Freizeit für die Jobsuche (§ 629 BGB).
Aufhebungsvertrag
Statt Kündigung können sich die Parteien auch einvernehmlich trennen. Das ist der Aufhebungsvertrag. Bei Arbeitsverträgen aber nur wirksam in Schriftform (§ 623 BGB).
Früher strittig: Kann ein Arbeitnehmer einen in der eigenen Wohnung unterschriebenen Aufhebungsvertrag widerrufen (Stichwort: Haustürgeschäft)? BAG sagt: Nein, die §§ 312 ff. BGB greifen nicht. Aber: Wenn der Arbeitgeber unfair Druck ausübt und den Arbeitnehmer überrumpelt, kann der Vertrag wegen Verstoßes gegen das Gebot fairen Verhandelns (§ 241 Abs. 2 BGB) unwirksam sein.
Rechte und Pflichten der Parteien
Im Dienstvertrag schuldet der eine das Tun, der andere das Zahlen – klingt simpel, oder? Genau das steht in § 611 Abs. 1 BGB: Der Dienstverpflichtete muss die vereinbarten Dienste leisten, der Dienstberechtigte die Vergütung blechen. Weil beide Hauptpflichten aneinanderhängen wie zwei Seiten derselben Medaille, spricht man vom Synallagma. Bedeutet: Die §§ 320 ff. BGB über das Zurückbehaltungsrecht spielen hier grundsätzlich mit.
Aber damit nicht genug: Beide Seiten haben auch Nebenpflichten am Start – Rücksichtnahme, Aufklärung, Verschwiegenheit und so weiter. Werden die verletzt, kann schnell Schadensersatz nach §§ 280 ff. BGB auf der Matte stehen.
Pflichten des Dienstverpflichteten
Leistung der Dienste
Die Hauptaufgabe des Dienstverpflichteten ist klar: Er muss das tun, was er versprochen hat (§ 611 Abs. 1 BGB). Und was genau das ist, hängt in erster Linie vom Vertrag ab. Das Gesetz bleibt da bewusst schwammig, es heißt nur: „Dienste jeder Art“ (§ 611 Abs. 2 BGB).
Was, wenn der Vertrag unklar ist? Dann wird ausgelegt – nach Treu und Glauben, Verkehrssitte und dem, was in der jeweiligen Branche üblich ist.
Beispiel: Das BAG hat entschieden, dass ein Lkw-Fahrer nicht nur das Fahren schuldet, sondern auch kleine Reparaturen und die Pflege des Fahrzeugs.
Besonders bei Arbeitsverträgen gibt es oft offene Punkte: Wo, wann, wie lange – all das darf der Arbeitgeber über sein Direktionsrecht (§ 106 GewO) näher bestimmen. Aber: Er ist an Grenzen gebunden – Gesetz, Tarifvertrag, Betriebsvereinbarung und vor allem die Grundrechte der Arbeitnehmer. Bei freien Dienstverträgen dagegen ist oft der Verpflichtete selbst Herr der Ausführung.
Beispiel: Ein Patient sucht einen Arzt auf. Der Arzt entscheidet, wie er diagnostiziert und behandelt. Aber: Rücksprache mit dem Patienten muss sein.
Persönliche Leistungspflicht
Grundsatz: Der Dienstverpflichtete muss die Leistung persönlich erbringen (§ 613 S. 1 BGB).
Klar, bei Arbeitsverträgen ist das fast immer zwingend – da kannst Du nicht einfach Deine Frau oder Deinen Kumpel losschicken. Beispiel: Außendienstler A verliert seinen Führerschein und lässt kurzerhand seine Frau die Kunden fahren. Das Gericht sagt: geht nicht!
Bei freien Dienstverträgen (Ärzte, Anwälte) gilt das ebenfalls. Zwar dürfen Hilfskräfte unterstützen – Tippen, Vorbereiten, Zuarbeiten – aber das Herzstück der Leistung bleibt höchstpersönlich.
Und logisch: Wenn die Leistung höchstpersönlich geschuldet ist, kann man sie auch nicht einfach abtreten (§ 613 S. 2 BGB).
Betriebsübergang
Hier wird’s spannend: Normalerweise darf der Arbeitnehmer nicht einfach an einen Dritten „weitergereicht“ werden. Aber was, wenn der ganze Betrieb verkauft wird? Dafür gibt es § 613a BGB. Er sagt: Der neue Inhaber tritt automatisch in alle Arbeitsverhältnisse ein – gesetzlicher Vertragsübergang. Der Clou: Der Arbeitnehmer darf widersprechen.
Beispiel: Krankenhaus wechselt den Caterer. Küche bleibt gleich, Personal bleibt auch (oder zumindest die sächlichen Betriebsmittel). Dann liegt ein Betriebsübergang vor – Arbeitsverhältnisse gehen mit über.
Nebenpflichten
Neben der Arbeitspflicht gibt es die Klassiker: Verschwiegenheit, Aufklärung, keine Konkurrenz.
Beispiele: Ärzte und Anwälte – strenge Schweigepflicht, sogar strafrechtlich abgesichert (§ 203 StGB). Handelsvertreter – Wettbewerbsverbot auch ohne ausdrückliche Vereinbarung.
Manche sprechen hier von „Treuepflicht“ des Arbeitnehmers – aber eigentlich geht’s einfach um § 241 Abs. 2 BGB: Schutz- und Rücksichtnahmepflichten.
Haftung des Dienstverpflichteten
Im Dienstvertragsrecht gibt’s keine eigenen Gewährleistungsvorschriften wie beim Kauf– oder Werkvertrag. Wer Pflichten verletzt, haftet nach den §§ 280 ff. BGB. Aber: Es gibt Sonderregeln, insbesondere zugunsten von Arbeitnehmern.
Keine Beweislastumkehr
Normalerweise muss der Schuldner beweisen, dass er nicht schuld ist (§ 280 Abs. 1 S. 2 BGB). Arbeitnehmer genießen hier Schutz: Der Arbeitgeber muss beweisen, dass der Arbeitnehmer den Fehler zu vertreten hat (§ 619a BGB).
Beispiel: Kassierer A fehlen 260 Euro in der Kasse. Arbeitgeber will Schadensersatz. Aber: Er muss nachweisen, dass A den Fehlbestand verschuldet hat.
Haftungserleichterung bei betrieblicher Tätigkeit
Ein Kernstück des Arbeitsrechts: Arbeitnehmer haften nicht grenzenlos. Warum? Weil sie ständig für den Betrieb arbeiten und Risiken nicht alleine tragen können. Das BAG hat dazu abgestufte Regeln entwickelt:
- Leichteste Fahrlässigkeit: Arbeitnehmer haftet gar nicht.
- Normale Fahrlässigkeit: Schaden wird aufgeteilt – nach Billigkeit und Einzelfall.
- Grobe Fahrlässigkeit oder Vorsatz: volle Haftung – wobei auch bei grober Fahrlässigkeit im Einzelfall abgemildert werden kann.
Beispiele: Lkw-Fahrer verursacht leichten Unfall – Schadensteilung oder sogar Haftungsfreistellung. Rotlicht überfahren = grobe Fahrlässigkeit – volle Haftung möglich, aber Abmilderung denkbar.
Schlechtleistung, Unmöglichkeit, Verzögerung
Dienstleistungen sind tricky: Oft kann man sie nicht nachholen. Verpasst = verloren. Beispiel absolute Fixschuld: Der Alleinunterhalter, der auf einer Hochzeit auftreten soll, hat einen Unfall und kommt nicht. Leistung unmöglich (§ 275 Abs. 1 BGB), Vergütung fällt weg (§ 326 Abs. 1 BGB). Hat er schuld? Dann Schadensersatz (§§ 280, 283 BGB).
Bei Schlechtleistung bleibt es ebenfalls bei §§ 280 ff. BGB – aber anders als beim Werkvertrag gibt’s keine Nacherfüllung, weil kein Erfolg geschuldet wird. Ausnahme: Einzelne erfolgsgerichtete Nebenpflichten (z. B. Steuerberater muss korrekte Erklärung abgeben).
Minderung? Im Arbeitsrecht ausgeschlossen. Bei freien Dienstverträgen streitig – in der Praxis selten durchsetzbar.
Pflichten des Dienstberechtigten
Vergütungspflicht
Der Dienstberechtigte muss zahlen – die vereinbarte Vergütung. Im Arbeitsverhältnis: § 611a Abs. 2 BGB i. V. m. § 107 GewO. Geld ist der Standard, Sachbezüge (z. B. Dienstwagen) sind möglich.
Fehlt eine Vereinbarung? § 612 BGB springt ein: Wenn die Umstände klar zeigen, dass die Dienstleistung nicht gratis gemeint war, gilt eine Vergütung als vereinbart – und zwar im Zweifel gemäß § 612 Abs. 2 BGB die taxmäßige bzw. übliche Vergütung. Beispiel: Behandlung beim Arzt – auch ohne Vergütungsabrede selbstverständlich entgeltlich.
§ 614 BGB sagt: Grundsätzlich ist die Vergütung erst nach Leistung der Dienste fällig. Bei Zeitabschnitten (z. B. Monatslohn) jeweils am Ende des Abschnitts.
Arbeitnehmer müssen also erstmal arbeiten – Vorleistungspflicht.
Nebenpflichten
Auch der Dienstberechtigte muss Rücksicht nehmen (§ 241 Abs. 2 BGB). Im Arbeitsrecht nennt man das Fürsorgepflicht. Besonders wichtig: § 618 BGB – sichere Arbeitsbedingungen, Arbeitsschutz, Unfallverhütung.
Auch Gleichbehandlung (Art. 3 GG, AGG), Schutz vor Diskriminierung und Mobbing, faire Behandlung bei freiwilligen Leistungen (z. B. Weihnachtsgeld) gehören dazu.
Beschäftigungspflicht
Im Arbeitsrecht anerkannt: Arbeitgeber müssen Arbeitnehmer tatsächlich beschäftigen – aus Gründen der Würde und Persönlichkeitsrechte (Art. 1, 2 GG).
Bei freien Dienstverträgen reicht es dagegen meist, dass die Vergütung weiterläuft.
Vergütungsanspruch trotz Leistungshindernis
Verantwortlichkeit des Dienstberechtigten für das Leistungshindernis
Grundsatz: „Ohne Arbeit kein Lohn.“ (§ 326 Abs. 1 BGB). Aber: Es gibt Ausnahmen. Wenn der Dienstberechtigte die Unmöglichkeit verschuldet, bleibt die Vergütung bestehen (§ 326 Abs. 2 BGB). Beispiel: Bräutigam fährt den Alleinunterhalter auf dem Weg zur Hochzeit an. Der kann nicht auftreten – Leistung unmöglich, aber: Vergütung bleibt, weil Bräutigam den Ausfall verursacht hat.
Annahmeverzug des Dienstberechtigten
Bei Annahmeverzug läuft die Vergütung weiter (§ 615 S. 1, 2 BGB), obwohl nicht gearbeitet wurde.
Betriebsrisiko des Arbeitgebers
Selbst wenn Du gerade nicht arbeiten kannst, bekommst Du trotzdem Dein Gehalt, wenn der Arbeitgeber das Risiko trägt, dass die Arbeit ausfällt. Klingt erstmal abstrakt? Schauen wir genauer hin.
Der Gesetzestext in § 615 S. 3 BGB selbst verrät leider nicht, wann genau der Arbeitgeber dieses Risiko übernimmt. Hier hilft uns die Rechtsprechung weiter. Grundsätzlich gilt: Alles, was mit der Organisation und dem Ablauf im Betrieb zu tun hat, fällt in die Risikosphäre des Arbeitgebers. Stromausfall? Brand in der Werkshalle? Fehlende Rohstoffe? Kein Problem – Dein Lohn fließt weiter.
Aber Achtung: Wenn der Arbeitsausfall nicht am Betrieb liegt, sondern z. B. ein Streik bei einem Zulieferer die Teile fehlen lässt oder Du wegen Glatteis nicht zur Arbeit kommst, bist Du in der Pflicht – hier springt der Arbeitgeber nicht ein.
Wichtig: § 615 S. 3 BGB gilt nur für Arbeitsverhältnisse.
Bei freien Dienstverträgen schaut das anders aus. Da kann der Vertrag festlegen, dass der Auftraggeber das Risiko übernimmt – dann bleibt Dein Vergütungsanspruch trotzdem bestehen. Hier greift dann § 326 Abs. 2 S. 1 BGB in Verbindung mit § 276 BGB.
Beispiel: Ein Konzertveranstalter engagiert einen selbstständigen Beleuchtungstechniker für eine Tournee. Die Tour fällt aus, weil die Sängerinnen der Band sich zerstreiten. Der BGH sagt: Das Risiko liegt beim Veranstalter, weil nur er in ständigem Kontakt mit den Künstlern war und einschätzen konnte, ob alles klappt. Also bekommt der Techniker trotzdem sein Geld.
Persönliche Dienstverhinderung
§ 616 BGB ist quasi die soziale Absicherung für Dich: Du verlierst Deinen Lohn nicht, wenn Du für eine kurze, nicht erhebliche Zeit aus persönlichen Gründen nicht arbeiten kannst, und das ohne Dein Verschulden.
Und das gilt nicht nur für Arbeitnehmer, sondern auch für freie Dienstverträge. Die Idee dahinter: Es wäre unfair, jemandem das Gehalt zu streichen, nur weil er einmal kurz ausfällt – etwa wegen Krankheit oder einem familiären Ereignis.
Aber „nicht erhebliche Zeit“ ist der Knackpunkt. Bei einmaligen oder aus Einzelleistungen zusammengesetzten Diensten kann auch eine kurze Abwesenheit schon erheblich sein.
Beispiele: Der Arzt, der einen Hausbesuch wegen Krankheit nicht machen kann, bekommt kein Geld dafür. Die Musiklehrerin, die eine Stunde aus persönlichen Gründen ausfallen lässt, ebenfalls nicht – außer, der Unterricht verzögert sich nur minimal.
Noch ein paar Bedingungen: Der Grund muss in Deiner Person liegen. Also Geburt, Hochzeit, Todesfall in der Familie oder eigene Erkrankung. Verkehrsstau oder Glatteis zählen nicht – hier greift § 616 BGB nicht.
Du darfst den Ausfall nicht selbst verschuldet haben. Und die Rechtsprechung ist streng: Nur grobes Fehlverhalten ist relevant, kleine Versäumnisse nicht.
So sorgt § 616 BGB dafür, dass kurze, persönliche Hinderungen fair behandelt werden – und Du nicht gleich auf Deinem Lohn sitzen bleibst.
