Stell Dir vor, zwei Leute streiten sich oder sind sich einfach unsicher, wie ein bestimmtes Rechtsverhältnis aussieht. Genau hier kommt der Vergleich nach § 779 BGB ins Spiel: Beide Seiten rücken ein Stück von ihrem bisherigen Standpunkt ab – das nennt man „gegenseitiges Nachgeben“ – und beenden so den Streit. Meistens ist das Ganze ein ganz normaler Vertrag, in dem die neuen Ansprüche dann schön im Gegenseitigkeitsverhältnis stehen. Aber: Es gibt auch Vergleiche, die nur eine Seite verpflichten – auch das ist möglich.

Solche Vergleiche lassen sich völlig formlos außergerichtlich schließen.

Spannender wird’s aber beim Prozessvergleich (§ 127a, §§ 160 ff., 794 Abs.1 Nr. 1 ZPO): Der ist nach herrschender Meinung eine echte Mischform. Einerseits ist er ein stinknormaler privatrechtlicher Vertrag, auf den das BGB angewendet wird. Andererseits hat er aber auch prozessuale Superkräfte – er beendet den Prozess und dient sogar als Vollstreckungstitel. Ziemlich praktisch, oder?

Voraussetzungen

Damit das Ganze überhaupt ein Vergleich ist, brauchst Du zunächst einen Streit oder wenigstens eine Unsicherheit über ein Rechtsverhältnis (§ 779 Abs. 1 BGB). Und nein, das muss nicht „objektiv“ sein – es reicht schon, wenn die Parteien subjektiv meinen, dass da was unklar ist (§ 779 Abs. 2 BGB).

Das Herzstück ist das gegenseitige Nachgeben. Das kann ein großes Zugeständnis sein, muss es aber nicht. Schon kleine Abstriche genügen – also: „Okay, ich verschiebe die Fälligkeit“ oder „Ich gewähre Dir eine Stundung“. Aber Achtung: Gibt nur einer nach, ist das kein Vergleich. Dann landet man eher beim Schuldanerkenntnis – und da hilft § 779 BGB über die Hintertür trotzdem weiter.

Allgemeine Unwirksamkeitsgründe

Da der Vergleich ein stinknormaler Vertrag ist, greifen auch hier die allgemeinen Regeln des BGB. Klar: Willenserklärungen, Geschäftsfähigkeit, Anfechtung, Sittenwidrigkeit – das volle Programm.

Form

Grundsätzlich: keine besondere Form. Aber Vorsicht, das, was man im Vergleich vereinbart, kann selbst einer Formvorschrift unterliegen. Beispiel: „Wir übertragen Dir das Grundstück im Vergleichswege.“ Zack – da bist Du mitten in § 311b Abs. 1 BGB und brauchst die notarielle Beurkundung.

Beim Prozessvergleich übernimmt übrigens das Gerichtsprotokoll die Rolle des Notars (§ 127a BGB).

Und falls es im Vergleich um Schuldanerkenntnisse geht: Die sonst in §§ 780, 781 BGB verlangte Schriftform ist hier nach § 782 BGB entbehrlich.

Dispositionsbefugnis

Man kann nur über Dinge vergleichen, über die man auch frei verfügen darf. Klingt logisch, oder? Also: Schuldverhältnisse, Sachenrecht, Familien- oder Erbrecht – alles möglich. Aber klar: Bestand der Ehe? Nein. Nachlass eines Lebenden? Auch nein (§ 311b Abs. 4 BGB). Und im Arbeitsrecht schiebt der Gesetzgeber zum Schutz des Arbeitnehmers öfter mal einen Riegel vor (§ 12 EFZG, § 4 Abs. 3 TVG).

Irrtumsfälle

Jetzt wird’s knifflig. Was, wenn beide Parteien beim Vergleich einem Irrtum unterliegen? Hier musst Du genau unterscheiden:

Irrtum betrifft den angeblich unstreitigen Teil: Dann ist der Vergleich nach § 779 Abs. 1 BGB unwirksam. Das ist quasi ein gesetzlich geregelter Sonderfall von § 313 Abs. 2 BGB (Störung der Geschäftsgrundlage). Beispiel: Beide glauben, ein Testament sei wirksam. Später stellt sich raus: Nö, keine eigenhändige Unterschrift (§ 2247 Abs. 1 BGB). Dann ist der Vergleich futsch.

Irrtum betrifft den streitigen Teil: Tja, Pech gehabt. Genau für solche Unsicherheiten ist der Vergleich da. Ausnahme: Wenn es nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) wirklich unzumutbar wäre, den anderen am Vergleich festzuhalten. Beispiel: G wird bei einem Unfall verletzt, S zahlt eine Abfindung, und G verzichtet auf künftige Ansprüche. Später stellt sich heraus, dass G durch Spätfolgen komplett erwerbsunfähig wird. Hier darf S sich nicht stur auf den Vergleich berufen – das Missverhältnis wäre zu krass.

Rechtsfolgen

Und was passiert nach dem Vergleich? Die Parteien regeln ihre Rechtsbeziehungen neu. Aber: Ob das alte Schuldverhältnis untergeht oder fortbesteht, ist Auslegungssache. Häufig wollen die Gläubiger das alte Schuldverhältnis behalten – etwa, wenn Sicherheiten dranhängen. Denn wenn das Schuldverhältnis weg ist, sind auch die Sicherheiten futsch (§ 767 Abs. 1 S. 1 BGB).

Im Zweifel gilt: Das alte Schuldverhältnis bleibt bestehen, der Vergleich verändert es nur punktuell. Nur wenn die Parteien eine echte Novation wollen, ersetzt der Vergleich die alten Ansprüche.

Beispiel: K kauft bei V einen Gebrauchtwagen für 5.000 Euro. K will wegen Mängeln 2.000 Euro mindern, V bestreitet das. Man einigt sich im Vergleich: „Okay, wir reduzieren um 1.000 Euro, aber nur wegen des Auspuffs, nicht wegen der Bremsen.“ Ergebnis: Kaufpreisanspruch von 4.000 Euro aus § 433 Abs. 2 BGB bleibt bestehen. K kann sich auf Bremsenmängel nicht mehr berufen – aber auf andere, unbekannte Mängel vielleicht schon.