Selbsthilfe
Im Zivilrecht gibt es einige spannende Selbsthilferechte, die einem ähnlichen Prinzip wie die Notwehr entsprechen. Wenn Du Dich in einer Situation befindest, in der Dein Anspruch durch einen anderen gefährdet wird, können §§ 229 und 230 BGB Dir bestimmte Rechte einräumen, die Dir helfen, Dich vor möglichen Schäden zu schützen – und das ohne den langen Weg durch die Gerichte. Es geht dabei nicht darum, Dich selbst zu bereichern oder Deinen Anspruch auf eigene Faust durchzusetzen, sondern lediglich darum, ihn vorübergehend zu sichern.
Selbsthilfelage
Fälliger Anspruch
Nehmen wir einmal ein Beispiel: Du hast jemanden dabei erwischt, wie er Dein Fahrrad stiehlt, und Du stellst fest, dass er auf einem belebten Platz verschwinden will, ohne Dir das gestohlene Rad zurückzugeben. In so einem Fall dürfte Dir das Selbsthilferecht aus § 229 BGB helfen, den Dieb vorübergehend festzuhalten, um zumindest seinen Namen und seine Adresse herauszufinden. Warum? Weil sich die Situation als gefährlich für Deinen Anspruch herausstellen könnte, besonders wenn der Dieb sich schnell aus dem Staub macht und Du keine Möglichkeit hast, später rechtliche Schritte einzuleiten. Klar, das Ganze ist nicht ohne Risiko und muss maßvoll erfolgen – aber es schützt Dich davor, dass der Dieb mit Deiner Sache davonkommt.
Vorrang obrigkeitlicher Hilfe
Bevor Du nun mit einer solchen Maßnahme in Aktion trittst, solltest Du aber wissen, dass staatliche Hilfe grundsätzlich Vorrang hat. Der Staat ist immer die erste Anlaufstelle, wenn es um die Durchsetzung von Ansprüchen geht – und das gilt auch für das Zivilrecht.
Gefährdung der Anspruchsverwirklichung
Das bedeutet, bevor Du zur Selbsthilfe greifst, sollte eine drohende Gefahr für die Anspruchsverwirklichung vorliegen. Ein Beispiel dafür ist, wenn der Schuldner, also der Dieb oder der zahlungsunwillige Gast, bereits mit dem Geld oder der Ware verschwunden ist oder ins Ausland fliehen könnte.
Selbsthilfehandlung
Wichtig zu wissen ist, dass das Selbsthilferecht nicht bedeutet, dass Du mit Gewalt oder Druck Deine Ansprüche durchsetzen darfst, sondern lediglich, dass Du sie vorübergehend sichern kannst, solange Du Dich im Rahmen der gesetzlichen Grenzen bewegst. Wäre es etwa so, dass der Dieb das gestohlene Fahrrad einfach weiter nutzt, dann dürftest Du ihn nicht mehr im gleichen Sinne festhalten, als ob der Diebstahl gerade passiert wäre. Das zeigt, dass das Selbsthilferecht immer nur dann greift, wenn der Angriff auf Dein Recht noch eine unmittelbare Bedrohung darstellt.
Und wie läuft das konkret ab? Du kannst zum Beispiel die Personalien eines Schuldners anfordern, wenn er sich weigert, zu zahlen, oder Du kannst eine pfändbare Sache wegnehmen, um Deinen Anspruch zu sichern.
In einem weiteren Beispiel könnte es so aussehen: Ein Taxi-Fahrer verlangt am Ende einer Fahrt von einem Fahrgast die Bezahlung. Der Fahrgast weigert sich, und der Taxifahrer ist darauf angewiesen, die Personalien des Fahrgasts zu erfahren. Wenn der Fahrgast wegläuft, hat der Fahrer unter bestimmten Voraussetzungen das Recht, den Fahrgast bis zum Eintreffen der Polizei festzuhalten, um seine Identität zu klären. In einem solchen Fall greift das Selbsthilferecht aus § 229 BGB, solange die Maßnahme verhältnismäßig bleibt und im Rahmen der rechtlichen Vorgaben erfolgt.
Subjektives Rechtfertigungselement
Ein ganz wichtiger Punkt bei der Selbsthilfe ist die subjektive Seite der Sache. Das heißt, Du musst in jedem Moment des Handelns auch den klaren Willen haben, Deinen Anspruch zu sichern und nicht einfach auf Rache oder eine eigenmächtige Lösung aus zu sein. Das Ziel ist immer der Schutz des eigenen Rechts und nicht mehr.
Notwehr
Die Norm des § 227 BGB regelt die zivilrechtliche Notwehr und ist eine der grundlegenden Bestimmungen, die die Rechtswidrigkeit von Handlungen unter bestimmten Umständen aufhebt. Eine Handlung wird dann nicht als widerrechtlich angesehen, wenn sie durch Notwehr geboten ist. Was bedeutet das im Detail? Wenn jemand durch einen rechtswidrigen Angriff verletzt wird oder in Gefahr ist, verletzt zu werden, dann kann er sich wehren, um diesen Angriff abzuwehren – und zwar auf eine Art und Weise, die zur Abwehr des Angriffs erforderlich ist.
Notwehr setzt also voraus, dass es einen Angriff gibt, der in der Regel gegen die eigenen Rechte oder das eigene Eigentum geht. Dieser Angriff muss rechtswidrig sein, und das bedeutet, dass er ohne Rechtfertigung erfolgt, also z. B. nicht durch ein gültiges Gesetz oder eine Berechtigung des Angreifers gedeckt ist.
Wichtig ist, dass die Handlung, die zur Abwehr des Angriffs erfolgt, auch erforderlich ist. Das bedeutet: Es darf nur das Mittel eingesetzt werden, das notwendig ist, um den Angriff zu stoppen oder abzuwehren. Wenn jemand also z. B. mit einem kleinen Schubser oder einem anderen milden Mittel den Angreifer stoppen kann, ist es nicht gerechtfertigt, ihn mit übermäßiger Gewalt zu verletzen.
Die Norm des § 227 BGB bringt die Zivilrechtsordnung mit dem klassischen, strafrechtlichen Konzept der Notwehr in Einklang. Sie sichert das Recht, sich gegen rechtswidrige Angriffe zu wehren, ohne dafür rechtliche Konsequenzen befürchten zu müssen. Doch die Grenzen dieser Notwehr sind streng gezogen: Der Abwehrmechanismus muss immer verhältnismäßig bleiben und darf nicht aus dem Rahmen dessen, was zur Gefahrenabwehr notwendig ist, herauswachsen.