Wenn wir uns § 28 StGB vornehmen, müssen wir zuerst die Grundidee verstehen. Es geht darum, dass bei bestimmten Straftaten „besondere persönliche Merkmale“ existieren, die so sehr mit der Höchstpersönlichkeit der Tat verknüpft sind, dass wir ohne diese Merkmale nicht den vollen Umfang der Tat erkennen können. Einfach gesagt, wenn jemand kein solches Merkmal hat, könnte die Anwendung der allgemeinen Regeln zu Ergebnissen führen, die irgendwie unbefriedigend wären. Man könnte sagen, das Merkmal ist fast wie der Fingerabdruck der Tat.
Strafrahmenverschiebung
Nun wird’s spannend, weil § 28 Abs. 1 StGB auch gleich eine Strafrahmenverschiebung anordnet. Wenn ein solcher persönlicher Makel fehlt, dann verschiebt sich der Strafrahmen zugunsten des Täters. Also, stellen wir uns mal vor, der Geschäftsführer A lässt sich von seiner Frau B dazu anstiften, 500 Euro von den Tageseinnahmen seines Ladens abzweigen, um damit eine gemeinsame Reise zu finanzieren. Ziemlich harmlos auf den ersten Blick, oder? Doch A erfüllt damit den Tatbestand des § 266 StGB. Der Punkt hier ist, dass die Vermögensbetreuungspflicht, die A als Geschäftsführer hat, ein solches „besonderes persönliches Merkmal“ darstellt.
Für B als Anstifterin gilt nun der § 28 Abs. 1 StGB, das bedeutet, ihre Strafe wird gemildert, weil ihr eben dieses persönliche Merkmal fehlt. Es wird also nicht die gleiche Härte der Strafe angewendet, die für A als Haupttäter gelten würde. Und wenn Bs Beitrag mehr wie der eines Gehilfen gewertet wird, könnte das nochmal ein weiteres Milderungsmerkmal nach sich ziehen.
Tatbestandsverschiebung
§ 28 Abs. 2 StGB befasst sich mit der sogenannten Tatbestandsverschiebung. Hier wird entschieden, wie die Tat entweder schärfer oder milder bestraft wird, je nachdem, ob das besondere Merkmal vorliegt oder nicht.
Häufig geht es dabei darum, ob jemand von einer Qualifikation des Delikts auf das Grunddelikt oder umgekehrt verschoben wird. Ein gutes Beispiel: Wenn A nicht nur den einfachen Diebstahl begangen hat, sondern auch noch in einer besonders schweren Form, dann stellt sich die Frage, ob der strafschärfende Tatbestand in Kraft tritt. Aber was passiert, wenn A bei der Unterschlagung eben genau dieses „Anvertrautsein“ hat, das die Strafe schärfen würde? In diesem Fall würde § 28 Abs. 2 StGB diesen Aspekt „wegnehmen“, und A müsste sich eher nach den leichteren §§ 246 Abs. 1, 26 StGB richten. So verschiebt sich der Tatbestand also, was natürlich Auswirkungen auf die Strafe hat.
Natürlich gibt es auch strafmildernde Merkmale. Schwangere Frauen oder jemand, der aus Mitleid handelt, können nach § 28 II StGB in der Strafe milder behandelt werden, etwa bei einem Schwangerschaftsabbruch. Aber auch wenn jemand unter den Einfluss einer starken Mitleidsmotivation handelt, dann kann das eine Rolle spielen.
Nicht zu vergessen sind strafausschließende Merkmale, die in § 28 II StGB ebenfalls genannt werden. Allerdings ist deren praktische Relevanz geringer, weil sie meist nicht direkt in den üblichen Straftatbeständen zu finden sind.
Beteiligte
Was man auch im Kopf behalten muss: § 28 Abs. 1 StGB bezieht sich nur auf Teilnehmer einer Straftat. Wenn bei dem Haupttäter ein solches Merkmal fehlt, dann gibt es keine Haupttat, also auch keine Anwendung von § 28 Abs. 1 StGB. Bei der Anwendung auf Mittäter ist die Sache schon ein wenig klarer, aber auch hier hat die Vorschrift nur eine klärende Funktion.
Persönliche Merkmale im Einzelnen
Zum Schluss noch ein paar Gedanken zu den persönlichen Merkmalen: Die juristische Literatur unterscheidet zwischen Merkmalen, die den Täter betreffen und solchen, die eher die Tat kennzeichnen. Letztere, wie etwa ein besonders gefährliches Verhalten des Täters, gehen mehr in Richtung der Tatbeschreibung. Wenn wir also über das „besondere persönliche Merkmal“ sprechen, geht es in erster Linie um den Täter – um seine Rolle und seine Eigenschaften, die ihn zu dem machen, was er ist. Ein ganz klares Beispiel für ein solches Merkmal ist die Vermögensbetreuungspflicht des § 266 StGB oder die Amtsträgereigenschaft, die immer wieder in der Praxis vorkommen. Wenn wir aber von Merkmalen sprechen, die eher die Tat betreffen, dann geht es darum, wie gefährlich oder grausam die Tat an sich ist. Auch die Motivation des Täters, etwa Böswilligkeit oder Rücksichtslosigkeit, spielt hier eine Rolle. Doch eine Ausnahme gibt es: Nicht jedes subjektive Merkmal gehört gleich unter § 28 StGB. Die Absicht, sich zu bereichern, gehört nicht dazu, weil diese eher die Tat beschreibt als den Täter selbst.