Beim Rücktritt geht es nicht um einen Schuldausschließungsgrund, sondern um einen persönlichen Grund, der eine Strafaufhebung bewirken kann – das ist die herrschende Meinung. Rücktritt, das bedeutet immer, dass es nur der Person zugutekommt, die ihn selbst erklärt, und nicht etwa anderen Beteiligten. Schau Dir den Wortlaut in § 24 Abs. 2 StGB an: Da steht eindeutig „wer“, „seiner“, „sein“. Der Rücktritt ändert nichts an der Tatsache, dass eine vorsätzliche, rechtswidrige Tat vorliegt, an der der Täter beteiligt war. Und ein Rücktritt nach § 24 StGB setzt immer voraus, dass vorher ein strafbarer Versuch nach § 22 StGB vorlag.
Warum der Rücktritt eigentlich straffrei bleibt, darüber gibt es unterschiedliche Theorien, die weniger im Streit miteinander liegen, sondern sich viel mehr gegenseitig ergänzen.
Die kriminalpolitische Theorie nimmt an, dass das Gesetz dem Täter quasi eine „goldene Brücke“ zurück in die Legalität bauen möchte. Das heißt: Der Rücktritt soll für ihn ein Anreiz sein, vom weiteren Handeln abzusehen – im Idealfall, weil er sich vorstellt, dass es sich nicht mehr lohnt weiterzumachen, da er ohnehin bestraft wird. Diese Theorie zielt auch auf Opferschutz ab, weil der Täter so vielleicht auf die Tat verzichtet und damit Opfer verhindert werden können.
Die Verdienstlichkeitstheorie, auch Gnadentheorie genannt, sieht den Rücktritt eher als eine Art Belohnung für den Täter, der sich freiwillig aus der Illegalität zurückzieht. Der Gesetzgeber gibt ihm quasi „Straffreiheit“ als Verdienst für diesen Schritt. Diese Theorie hilft, die Figur des fehlgeschlagenen Versuchs und das Merkmal der Freiwilligkeit besser zu verstehen.
Die Strafzwecktheorie schließlich bezieht sich auf die Prinzipien der General- und Spezialprävention. Sie argumentiert, dass bei einem freiwilligen Rücktritt kein weiteres Strafbedürfnis mehr besteht. Denn aus präventiven Gründen braucht der Täter nicht weiter bestraft zu werden – er hat ja seine Tat freiwillig aufgegeben und damit ein Strafbedürfnis entfallen.
Rücktritt des Einzeltäters
Einzeltäter sind Alleintäter, mittelbare Täter, angestiftete und von einem Gehilfen unterstützte Täter.
Kein fehlgeschlagener Versuch
Fangen wir mit der ersten Frage an: Ein fehlgeschlagener Versuch schließt einen Rücktritt grundsätzlich aus. Das wird sowohl in der Rechtsprechung als auch von der herrschenden Meinung angenommen. Warum? Weil das ganz gut mit der Verdienstlichkeits- oder Gnadentheorie zusammenpasst. Bei einem fehlgeschlagenen Versuch gibt es keinen Raum mehr für einen Rücktritt, denn der Täter kann nicht mehr zum Ziel kommen, auch wenn er es wollte.
Für den Täter bedeutet das konkret: Es kommt nicht darauf an, ob er objektiv gesehen noch eine Chance hätte, sondern ob er es selbst so einschätzt. Dieser subjektive Blickwinkel ist entscheidend.
Zum Beispiel, wenn der Täter glaubt, dass seine Waffe geladen ist, obwohl sie es nicht ist, dann liegt kein fehlgeschlagener Versuch vor. Umgekehrt aber muss ein fehlgeschlagener Versuch auch anerkannt werden, wenn die Waffe tatsächlich geladen ist, der Täter aber glaubt, sie sei leer.
Ein weiterer wichtiger Punkt: Der Zeitpunkt des Rücktritts, auch Rücktrittshorizont genannt, spielt hier eine zentrale Rolle. Denn der Rücktritt kann nur dann wirksam sein, wenn der Täter zu einem Zeitpunkt zurücktritt, an dem er noch glaubt, die Tat fortführen zu können. Diese Überlegung hat auch Auswirkungen auf die Abgrenzung zwischen einem unbeendeten und einem beendeten Versuch.
Zudem kann der Tatplan des Täters bei der Bewertung eines fehlgeschlagenen Versuchs eine Rolle spielen. Wenn der Täter nach einem misslungenen Versuch erkennt, dass er seine Taktik ändern muss, um noch ans Ziel zu kommen, dann könnte das einen fehlgeschlagenen Versuch nahelegen.
Ein paar konkrete Beispiele für fehlgeschlagene Versuche:
Wenn der Täter erkennt, dass es objektiv nicht möglich ist, den Tatbestand zu erfüllen, dann handelt es sich um einen fehlgeschlagenen Versuch. Dies trifft auf alle untauglichen Versuche zu – etwa wenn der Täter mit einer defekten Waffe schießen möchte oder beim Einbruch auf eine Kasse trifft, die leer ist (Unmöglichkeit der Tatbestandsverwirklichung)
Fälle, in denen der Täter nach dem Tatplan erkennt, dass die weitere Ausführung sinnlos ist. In manchen Fällen könnte man den fehlgeschlagenen Versuch also direkt abkürzen und den Rücktritt gemäß § 24 Abs. 1 S. 1 StGB annehmen (Sinnlosigkeit der weiteren Tatausführung). Wenn der Täter in der Mitte des versuchten Mordes erkennt, dass er nicht die beabsichtigte Person getroffen hat, sondern eine andere, bricht er die Tat ab. In diesem Fall nehmen wir einen fehlgeschlagenen Versuch an. Wenn der Täter die falsche Person angegriffen hat und nach dem Angriff erkennt, dass er das falsche Ziel erwischt hat, aber freiwillig die Rettung des Opfers veranlasst, dann liegt kein fehlgeschlagener Versuch vor. Der Rücktritt nach § 24 Abs. 1 S. 1 Alt. 2 StGB ist hier zu bejahen, da es sich um eine freiwillige Handlung handelt. Wenn das Tatobjekt nicht den Erwartungen des Täters entspricht, dann kann dies ebenfalls einen fehlgeschlagenen Versuch darstellen. Ein klassisches Beispiel: Der Täter will einen großen Geldbetrag stehlen, findet aber nur einen kleinen Betrag und verzichtet dann freiwillig auf den Diebstahl. Auch hier sprechen wir von einem fehlgeschlagenen Versuch, weil das Ziel nicht erreicht wurde.
Zuletzt gibt es noch die rechtliche Unmöglichkeit als Fallgruppe des fehlgeschlagenen Versuchs. Hier geht es darum, dass eine Tat nur dann vollendet werden kann, wenn der Täter gegen den Willen des Berechtigten handelt. Wenn jedoch das Opfer plötzlich seine Einwilligung gibt – etwa der Diebstahl im Haus wird durch ein freiwilliges Geschenk des Eigentümers gestoppt –, dann ist der Versuch fehlgeschlagen. Hier kann der Täter nicht mehr rückgängig machen, was er begonnen hat, auch wenn er es vielleicht freiwillig oder aus Reue tun würde.
Mehraktige Geschehensabläufe
Nehmen wir mal den Fall eines Täters, der sich entschieden hat, jemanden mit einem Messer zu töten. Er sticht zuerst zu, aber merkt dann, dass er die Person gar nicht so schwer verletzt hat, wie er dachte. Was passiert jetzt? Der Täter könnte, je nachdem, was er in diesem Moment denkt und fühlt, entweder weitermachen oder von seinem Plan ablassen.
In der Rechtsprechung haben wir verschiedene Ansichten darüber, wann der Rücktritt eines Täters von einem Versuch tatsächlich möglich ist. Früher dachte man, dass es darauf ankommt, was der Täter am Anfang seiner Tat geplant hat. Aber heute sieht man das etwas differenzierter. Es geht vielmehr um den Moment, in dem der Täter nach seiner letzten Handlung realisiert, dass er den Erfolg nicht mehr erreichen kann oder nicht mehr will.
Diese Vorstellung wird als Rücktrittshorizont bezeichnet. Sie beschreibt den Moment, in dem sich die Perspektive des Täters ändert und er erkennt, dass er sein Ziel nicht mehr erreichen kann. Und das Schöne daran ist, dass dieser Rücktrittshorizont nicht immer ein fester Punkt ist. Im Gegenteil: Es gibt die sogenannte „korrigierte Rücktrittshorizont-Theorie„, nach der der Zeitpunkt des Rücktritts flexibel ist und sich in Abhängigkeit vom gesamten Verlauf der Handlung ändern kann.
Schauen wir uns dazu ein Beispiel an: Ein Täter, der zuerst mit einem Messer auf sein Opfer zusticht und dann merkt, dass der erste Stich weniger Schaden anrichtet als er dachte, entscheidet sich, nicht weiter anzugreifen. Was passiert nun? Wenn er glaubt, dass er dem Opfer schon genügend Schaden zugefügt hat und dass der Erfolg, den er beabsichtigt hat, nicht mehr erreicht werden kann, könnte er tatsächlich freiwillig zurücktreten. Doch was ist, wenn er nach zwei Minuten merkt, dass das Opfer durch den ersten Stich doch in Lebensgefahr ist? Jetzt hat sich der Rücktrittshorizont verschoben – und damit könnte sich der Versuch von „unbeendet“ zu „beendet“ wandeln. Und das bedeutet, dass der Täter zwar freiwillig zurücktreten kann, allerdings nur unter angepassten Voraussetzungen (siehe weiter unten).
Genau diese dynamische Sichtweise hat zu unterschiedlichen Lehrmeinungen geführt. Die „rücktrittsfeindliche“ Einzelaktstheorie betrachtet jede Handlung des Täters als getrennte Tat. Wenn also eine Handlung scheitert, gilt sie als gescheitert, und der Täter kann nicht einfach zurücktreten, wenn er seine nächsten Schritte überdenkt. Die „rücktrittsfreundliche“ Gesamtbetrachtungslehre hingegen sieht den gesamten Verlauf einer Handlungseinheit und geht davon aus, dass alle Handlungen miteinander verbunden sind. Diese Sichtweise ist heute herrschend.
Letztlich wird immer der Rücktrittshorizont geprüft: Hatte der Täter nach der letzten Handlung noch die Möglichkeit, das Tatziel zu erreichen, oder hat er zu diesem Zeitpunkt tatsächlich die Absicht aufgegeben? Wenn der Täter erkennt, dass er seine Tat nicht vollenden kann, könnte er zurücktreten – und zwar nicht nur aus praktischen, sondern auch aus moralischen Gründen. Die Rechtsprechung stellt so sicher, dass wir nicht nur nach der reinen Faktenlage urteilen, sondern auch der Absicht des Täters Raum geben.
Im Denkzettel-Fall hat A das Messer in den Leib von B gestoßen, aber nicht, um ihn zu töten, sondern um ihm eine Lektion zu erteilen und klarzumachen, dass er keine Gegenwehr dulden würde. Dabei nimmt A den Tod von B billigend in Kauf – also mit einem dolus eventualis. Nachdem A das Messer wieder herauszieht, stellt er fest, dass B nicht lebensgefährlich verletzt ist, und lässt ihn schließlich in Ruhe. Er weiß, dass er noch weiter zustechen könnte, aber er verzichtet darauf. Jetzt kommt der entscheidende Punkt: Laut der Einzelaktstheorie wird dieser Fall als fehlgeschlagener Versuch gewertet. Das liegt daran, dass A mit seiner konkreten Handlung (dem Messerstechen) die Tötung des B als Ziel hatte und die Handlung an sich erfolgstauglich war. In diesem Fall wird A für seinen Versuch, B zu töten, strafrechtlich belangt, weil er das Opfer mit seinem Messerstich objektiv gefährdet hat. Ein Rücktritt kommt in dieser Theorie nicht in Frage, da A das Ziel der Tötung aus seiner Sicht erreicht hat – er wollte dem B ja eine Lektion erteilen, die mit dem Stich erzielt wurde. Wenn wir die Gesamtbetrachtungslehre hinzuziehen, sieht die Sache anders aus. Die Grundidee dieser Theorie ist, dass man das gesamte Geschehen als eine einheitliche Handlung betrachtet. Also, auch wenn A ursprünglich den Tod von B billigend in Kauf genommen hat, muss man den Fall nach der letzten Ausführungshandlung beurteilen. A hat nach dem Messerstechen festgestellt, dass B nicht lebensgefährlich verletzt ist, und hat dann freiwillig entschieden, die Tat zu beenden. Hier wird der Rücktritt nach der Gesamtbetrachtungslehre nicht nur möglich, sondern sogar gefordert, weil A das Opfer nicht weiter gefährdet hat. Es wird keine neue, von der ersten Tat unabhängig stehende Kausalkette in Gang gesetzt. Die Rücktrittsmöglichkeit in diesem Fall folgt aus dem Gedanken des Opferschutzes und der geringeren kriminellen Energie, die A aufweist. A hat nach der ersten Tat erkannt, dass der Tod von B nicht mehr wahrscheinlich ist und somit seine Tötungsabsicht abgelegt. Ein Rücktritt in dieser Situation ist also gerechtfertigt, auch wenn A noch die Möglichkeit gehabt hätte, weiter zuzustechen. Der Gesetzgeber will hier nicht, dass A bestraft wird, nur weil er noch eine weitere Handlungsmöglichkeit gehabt hätte. Der Rücktritt zeigt, dass A freiwillig von weiteren Tötungsversuchen absieht – er hat die Tat aufgegeben, und das verdient eine strafbefreiende Wirkung.
Zusammenfassend lässt sich sagen: Der Rücktrittshorizont und die Gesamtbetrachtungslehre erweitern die Möglichkeiten für einen Rücktritt, sodass der Täter in vielen Fällen nicht schon durch das Scheitern einer Handlung automatisch als gescheitert gilt. Die Frage bleibt, ob er wirklich freiwillig die Tat aufgegeben hat – und dabei spielt die Perspektive des Täters zum Zeitpunkt der letzten Handlung eine entscheidende Rolle.
Rücktritt vom unbeendeten Versuch
Der Täter hat in einem unbeendeten Versuch den festen Glauben, dass er noch nicht alles getan hat, um sein Ziel zu erreichen. Die Vollendung liegt also noch im Bereich des Möglichen. In solchen Fällen, so regelt es § 24 Abs. 1 Alt. 1 StGB, ist der Versuch unbeendet. Unter bestimmten Bedingungen kann er demnach strafbefreit davonkommen. Die entscheidenden Punkte sind die Aufgabe der weiteren Ausführung der Tat und die Freiwilligkeit des Handelns.
Aufgabe der weiteren Ausführung der Tat
Lass uns das genauer anschauen. Zunächst einmal: Was bedeutet es, die „weitere Ausführung der Tat aufzugeben“? Es wurde noch nicht alles getan, um das Ziel zu erreichen. Wenn der Versuch also aufgegeben wird – vielleicht gedanklich oder tatsächlich in Form eines entschlossenen Handelns –, dann tritt der Täter von der Tat zurück. Wichtig dabei ist, dass der Rücktritt nur dann angenommen wird, wenn ein neuer Entschluss gefasst wurde, die Tat nicht weiter auszuführen. Ein bloßes Innehalten reicht nicht aus, vor allem nicht, wenn der Täter sich schon wieder vorbehält, später weiterzumachen.
Aber hier wird’s spannend: Muss der Rücktritt endgültig sein, oder reicht auch eine vorläufige Aufgabe der Tat? Die herrschende Meinung sagt, dass eine vorläufige Aufgabe durchaus ausreicht. Die Tat kann also vorübergehend aufgeben werden, ohne dass das Ganze endgültig sein muss. Wichtig ist nur, dass während des gesamten Vorgangs ein klarer Entschluss gefasst wird, die Tat nicht weiterzuführen.
Freiwilligkeit
Nun kommt der zweite große Punkt: Freiwilligkeit. Dieser Aspekt ist entscheidend. Man handelt freiwillig, wenn man den Entschluss, von der Tat abzusehen, selbst und eigenständig fällt. Dabei ist es völlig unerheblich, warum man aufhört. Die Motive können von Gewissensbissen bis hin zu Scham oder der Angst vor einer hohen Strafe reichen – sie müssen nur eine eigene Entscheidung darstellen. Wenn man also, nach einer misslungenen Handlung oder wegen eines äußeren Anstoßes, wie einem beruhigenden Gespräch, beschließt, von einer Tat abzusehen, dann handelt man freiwillig, sofern man den Entschluss selbst fasst. Selbst wenn ein Dritter vielleicht dazu geraten hat oder man durch äußeren Druck in seinem Handeln beeinflusst wurde, zählt dies als freiwillig, solange man sich letztlich autonom für den Rücktritt entscheidest.
Die Aufgabe der Tat aufgrund des Risikos, erwischt zu werden, könnte die Freiwilligkeit allerdings infrage stellen. Klar, wenn das Entdeckungsrisiko unerträglich hoch ist, dann handelt es sich um ein unfreies Hindernis, das den Rücktritt ausschließt. Aber nur weil man nach dem Voranschreiten einer Tat plötzlich das Risiko einer Entdeckung erkennt und deshalb aufhört, macht es das nicht gleich unfreiwillig. Hier geht’s wirklich darum, ob die Entscheidung, den Rücktritt zu vollziehen, aus eigener Kraft getroffen wurde – ohne von äußeren Umständen gezwungen zu werden.
Ein weiteres Problem tritt dann auf, wenn die Tat aufgegeben wird, um eine andere, möglicherweise lukrativere Straftat zu begehen. In solchen Fällen muss man das Motiv hinter dem Rücktritt genau prüfen. Es geht nicht nur darum, dass die Tat aufgegeben wurde – es geht darum, dass dies aus einem freien Entschluss heraus getan wurde und nicht, weil einfach auf die Möglichkeit einer anderen Straftat ausgewichen wird.
Und dann gibt’s da noch diese speziellen Situationen, in denen jemand die Tat aus einem psychischen oder emotionalen Zustand heraus aufgibt – vielleicht, weil er plötzlich emotional überfordert ist. Solche Fälle sind besonders heikel und erfordern eine detaillierte Betrachtung der Situation. Hier wird geprüft, ob der Täter tatsächlich in der Lage war, die Tat planmäßig zu vollenden und ob der Rücktritt psychologisch und emotional freiwillig war.
Rücktritt vom beendeten Versuch
Also, der Versuch ist dann beendet, wenn der Täter glaubt, alles Notwendige getan zu haben, um den Erfolg herbeizuführen, und er sich sicher ist, dass der Erfolg immer noch möglich ist. Was bedeutet das konkret? Nun, der Täter hat schon alles in Bewegung gesetzt, was er in seiner Vorstellung tun musste, und dann ist er der Meinung, dass der Erfolg noch eintreten könnte.
Nun kommt das große Aber: Wer einfach nur zurücktritt, weil er sich denkt, „oh, jetzt will ich doch nicht“, der hat keine Chance auf Straffreiheit, wenn er nicht aktiv handelt. Der Täter muss etwas tun, um den Erfolg zu verhindern. Er muss den Kausalverlauf aktiv unterbrechen und sicherstellen, dass die Tat nicht vollendet wird – und das mit einer bewussten und klaren Entscheidung, sich zu entfernen. Also kein „Ich zieh mich zurück und hoffe mal, dass es nicht passiert“, sondern er muss dafür sorgen, dass der Erfolg ausbleibt.
Verhinderung der Vollendung
Objektiv betrachtet muss der Täter also aktiv in den Ablauf eingreifen und etwas unternehmen, das wirklich den Erfolg verhindert. Wie genau das aussieht? Er muss mit seinem Verhalten eine neue Kette von Ereignissen anstoßen, die den Erfolg des Verbrechens blockiert. Nur dann kann er sagen, er habe alles in seiner Macht Stehende getan, um das Unheil abzuwenden.
Was passiert, wenn er zwar alles tut, aber der Erfolg dennoch eintritt? Dann wird er trotzdem bestraft, weil er das Rücktrittsrisiko trägt. Der Erfolg ist schlicht und einfach eingetreten, obwohl er sich Mühe gegeben hat.
Es gibt aber auch Fälle, in denen der Täter nichts tun kann, weil die Nichtverwirklichung des Erfolges nicht auf sein Handeln zurückzuführen ist. Beispiel: Der Täter denkt, er hat alles getan, aber der Erfolg tritt durch einen unvorhergesehenen Umstand ein. In diesem Fall wird der Rücktritt aus § 24 Abs. 1 Alt. 2 StGB ausgeschlossen. Das ist eine Frage der objektiven Zurechnung. Wenn der Täter also nicht wirklich etwas mit dem Erfolg zu tun hatte, dann gilt das nicht als Rücktritt, sondern eher als ein Fall von § 24 Abs. 1 S. 2 StGB.
Der Täter muss auch wirklich eine Rettungschance schaffen, die für den Erfolg entscheidend ist. Die Frage, die sich hier stellt, ist: Hat der Täter aktiv dazu beigetragen, dass der Erfolg nicht eintritt? Wenn der Erfolg aufgrund eines Zufalls oder durch Dritte verhindert wird, dann ist das nicht der Rücktritt des Täters. Er muss also eine Chance zur Rettung einleiten, die für den Ausgang der Sache wirklich maßgeblich ist.
Der Rücktritt muss natürlich auch subjektiv im Kopf des Täters klar und bewusst sein. Das heißt, er muss wissen, was er tut und warum er es tut – nämlich, weil er den Erfolg verhindern möchte. Es reicht nicht aus, einfach nur „aus Versehen“ den Ablauf zu stoppen.
Es gibt immer die Diskussion über die Qualität des Rücktritts. Und dabei geht es um die Frage, ob es wirklich ernst gemeint ist, was der Täter tut, oder ob es nur ein halbherziges „ich habe ja mal was versucht“-Verhalten ist. Einige sagen, der Rücktritt muss „ernsthaft“ sein (Bestleistungstheorie)), damit er strafbefreiend wirkt. Andere sind der Meinung, dass es in Ordnung ist, wenn der Täter wenigstens irgendetwas unternimmt, auch wenn es nicht ganz perfekt ist. Und ja, auch hier entscheidet der Blick auf den Schutz des Opfers, dass es besser ist, wenn der Täter etwas unternimmt, als nichts zu tun – selbst wenn das Verhalten nicht perfekt war (Chanceneröffnungstheorie).
Stell Dir vor, Du bist in einem Mehrfamilienhaus, und plötzlich öffnet jemand – nennen wir ihn A – zwei Gashähne in der Hoffnung, dass er sich selbst umbringt. Doch die Situation eskaliert und es kommt zu einer Explosion, die für andere Hausbewohner tödlich enden könnte. Was macht A? In einem Moment der Besinnung ruft er bei der Polizei an, gibt seine Identität preis und fordert, dass die Rettungskräfte kommen und das Gas abdrehen. Doch was er nicht macht, ist, selbst aktiv zu werden und das Gas abzustellen – das würde seine Todesabsicht untergraben. Die Feuerwehr kommt rechtzeitig, evakuiert das Gebäude, dreht die Hähne zu und findet A schließlich bewusstlos. Der BGH hat in diesem Fall einen Rücktritt gemäß § 24 Abs. 1 S. 1 Alt. 2 StGB bejaht, obwohl A nicht selbst die Hähne zugedreht hat. Es genügt, dass A zumindest den nötigen Impuls für die Rettungsmaßnahmen gegeben hat – das wäre die entscheidende Rücktrittshandlung. Klar, er hat sich nicht optimal verhalten und die Sache nicht selbst in die Hand genommen. Aber der Rücktritt wird trotzdem anerkannt, weil A immerhin aktiv etwas unternommen hat, um das drohende Unheil zu verhindern, indem er Hilfe rief. Was wir hier also sehen, ist, dass ein Rücktritt auch dann möglich ist, wenn der Täter nicht jede erdenkliche Anstrengung unternimmt, aber dennoch einen wichtigen Beitrag zur Verhinderung des Erfolgs leistet. Der Gedanke dahinter ist einfach: Auch wenn A sich nicht perfekt verhält, ist er immer noch derjenige, der den rettenden Impuls gegeben hat – und genau das reicht hier, um den Rücktritt als wirksam zu sehen.
Ein bisschen verrückt wird es bei der Idee des antizipierten Rücktritts. Hier stellt sich die Frage, ob der Täter schon vor der Tat aktiv wird, um später einen Erfolg zu verhindern. Ein Beispiel: Ein Täter legt Landminen, um Flucht zu verhindern, aber sorgt dafür, dass die Flüchtlinge im Fall einer Verletzung sofort ärztliche Hilfe bekommen. Hier wird die Möglichkeit eines Rücktritts ebenfalls anerkannt, weil das Gesetz nicht nur auf das Verhalten während der Tat, sondern auch auf präventive Maßnahmen eingeht, die später im Rücktritt wirken können.
Freiwilligkeit
Am Ende steht wieder die Frage der Freiwilligkeit des Rücktritts: Es muss aus freien Stücken geschehen und nicht aufgrund von Zwang oder äußerem Druck. Der Rücktritt ist also nur dann relevant, wenn er wirklich auf der freien Entscheidung des Täters beruht.
Rücktritt vom beendeten Versuch durch Sichbemühen
Nun wird es spannend, denn wir tauchen in einen der kniffligeren Bereiche des Rücktrittsrechts ein: den Rücktritt vom beendeten Versuch nach § 24 Abs. 1 S. 2 StGB. Hier geht es nicht einfach nur darum, ob der Täter die Vollendung der Straftat verhindert hat, sondern viel mehr um die Frage, wie er sich dabei bemüht hat – und ob dieses Bemühen auch ernsthaft war. Aber was bedeutet das genau?
Nichtvollendung ohne Zutun
Zunächst einmal müssen wir unterscheiden: In § 24 Abs. 1 S. 1 Alt. 2 StGB geht es um Fälle, in denen der Täter die Vollendung der Tat durch eigenes Verhalten verhindert. Doch bei einem beendeten Versuch, also wenn der Täter denkt, die Tat sei schon in vollem Gange, wird die Sache komplizierter. Ein beendeter Versuch kann dann objektiv nicht mehr auf dem Verhalten des Täters beruhen – die Tat ist schlicht nicht vollendet, aber nicht durch den Täter selbst. Warum das so ist, erklärt sich durch die Natur des beendeten Versuchs, bei dem der Täter nicht mehr aktiv in den Kausalverlauf eingreifen kann, weil dieser bereits abgeschlossen oder überschritten wurde. Doch der Gesetzgeber wollte auch in diesen Fällen dem Täter eine Rücktrittsmöglichkeit einräumen, um ihn nicht zu bestrafen, nur weil er in einer misslichen Lage gelandet ist. Es wäre ungerecht, einem Täter, der in dieser Hinsicht nicht zurücktreten kann, zu verwehren, trotzdem eine Rücktrittsmöglichkeit zuzugestehen – auch wenn sein Verhalten in der Tat nicht direkt den Erfolg verhindert hat.
Ein klassisches Beispiel, das den § 24 Abs. 1 S. 2 StGB verdeutlicht, wäre ein untauglicher Versuch. Stell Dir vor, A schießt auf B mit dem Ziel, ihn zu töten, aber B ist bereits tot, bevor der Schuss überhaupt abgegeben wird. A denkt, er habe den tödlichen Schuss abgegeben, doch das Gegenteil ist der Fall. Später bereut er sein Handeln und tut alles, was er kann, um zu verhindern, dass die Situation weiter eskaliert. Der Gesetzgeber ermöglicht es A, trotz des untauglichen Versuchs durch den Rücktritt noch eine Chance auf Straffreiheit zu bekommen – und das ist der eigentliche Sinn des § 24 Abs. 1 S. 2 StGB.
Sichbemühen
Aber worum geht es hier eigentlich genau? Die Antwort ist: um das Sichbemühen. Ein Rücktritt im Sinne des § 24 Abs. 1 S. 2 StGB setzt voraus, dass der Täter sich aktiv darum bemüht, den Erfolg der Tat zu verhindern. Hier wird eine klare Grenze gezogen: Es reicht nicht, einfach nur passiv zu bleiben oder zu hoffen, dass Dritte das Richtige tun. Der Täter muss sich ernsthaft und bewusst für die Verhinderung der Tat einsetzen. Dabei geht es nicht darum, die beste aller Lösungen zu finden – sondern darum, dass der Täter zumindest in seiner Vorstellung eine geeignete Möglichkeit sieht, den Schaden zu stoppen.
Was bedeutet das für unseren Gasexplosionsfall? Wenn wir diesen Fall auf § 24 Abs. 1 S. 2 StGB übertragen, könnte man sich vorstellen, dass A die Explosion für bereits vorprogrammiert hält, weil er die Gasleitungen geöffnet hat. Die Rettungskräfte kommen und verhindern die Katastrophe. Doch A hätte sich möglicherweise anders verhalten können. Anstatt nur auf die Hilfe der Feuerwehr zu warten, hätte er die Gashähne selbst zudrehen können. Wenn er das nicht getan hat, fehlt ihm das ernsthafte Bemühen, den Erfolg zu verhindern – auch wenn er subjektiv dachte, er sei bereits zu spät. Ein Rücktritt im Sinne des § 24 Abs. 1 S. 2 StGB wäre hier nicht mehr möglich, weil er die effektivere Handlung (das Zudrehen der Hähne) nicht gewählt hat.
Ernsthaftigkeit
Das führt uns zu einem weiteren wichtigen Punkt: der Ernsthaftigkeit des Bemühens. Der Täter muss alles in seiner Macht Stehende tun, um den Erfolg zu verhindern. Dies bedeutet nicht, dass er jede denkbare Maßnahme ergreifen muss, sondern dass er aktiv und entschlossen handelt, um die Situation zu entschärfen. Im Gasexplosionsfall wäre es der Unterschied zwischen passiv abwarten und aktiv werden, also dem Versuch, durch das Zudrehen der Hähne den Erfolg noch zu verhindern, anstatt sich nur auf die Hilfe von außen zu verlassen.
Freiwilligkeit
Auch hier muss der Täter freiwillig handeln.
Rücktritt des Beteiligten
Wenn mehrere Personen an einer Tat beteiligt sind, kommt die Rücktrittsregelung des § 24 Abs. 2 StGB ins Spiel. Die Voraussetzungen für einen strafbefreienden Rücktritt nach dieser Vorschrift sind grundsätzlich strenger als beim Einzeltäter. Das hat seinen Grund in der erhöhten Gefährlichkeit des Tatgeschehens sowie den gruppendynamischen Kräften, die die Wahrscheinlichkeit einer Tatausführung erhöhen.
Die Vorschrift betrifft den Rücktritt eines Mittäters, Anstifters oder Gehilfen, die sich an einer nach § 22 StGB nur versuchten Tat beteiligt haben. Doch bevor wir in die Details einsteigen, sollten wir zunächst klarstellen, wann diese Regelung überhaupt Anwendung findet.
§ 24 Abs. 2 StGB kommt nicht in Betracht, wenn die Tat das Versuchsstadium noch nicht erreicht hat und sich nur im Vorbereitungsstadium befindet. In solchen Fällen könnte bei Verbrechen nur ein Versuch der Beteiligung nach § 30 Abs. 1, Abs. 2 StGB in Frage kommen, der unter Umständen einen Rücktritt nach § 31 StGB ermöglicht.
Wenn ein Beteiligter im Vorbereitungsstadium seine Mitwirkung an der Tat zurückzieht und alles dafür tut, seine Tatbeiträge zu neutralisieren, kommt ein Rücktritt nach § 24 Abs. 2 StGB trotzdem nicht infrage. Sobald also ein Mittäter von der Tat Abstand nimmt und die anderen Mitwisser über diese Entscheidung informiert, entfällt der gemeinsame Tatentschluss, der für die Mittäterschaft erforderlich ist.
Wenn sich ein Anstifter oder Gehilfe zurückzieht, muss er sicherstellen, dass sein Tatbeitrag in der späteren Tat nicht mehr wirksam ist. Das ist der Fall, wenn durch seine Rücknahme der Mitwirkung bereits der objektive Teilnahmetatbestand nicht mehr erfüllt werden kann. Ein Beispiel: A stiftet B zu einem Raubüberfall an. Doch bevor B die Tat begeht, überzeugt A ihn, die Tat doch nicht durchzuführen. Drei Wochen später begeht B einen Raubüberfall auf einen anderen, D. A hat zwar in Bezug auf C einen Versuch nach §§ 249, 26 StGB unternommen, doch hat er sich durch seine Rücktrittshandlungen strafbefreiend nach § 31 Abs. 1 Nr. 1 StGB distanziert.
In Fällen, in denen Rücktrittsbemühungen im Vorbereitungsstadium scheitern und der Mitbeteiligte dennoch strafbar wird, ist die analoge Anwendung von § 24 Abs. 2 StGB gerechtfertigt. Beispielsweise: A leiht B ein Werkzeug für einen Einbruch. Bevor es zu dem Einbruch kommt, versucht A, das Werkzeug von B zurückzubekommen, was ihm jedoch nicht gelingt. Also ruft er die Polizei, die B bei der Tat auf frischer Tat ertappt. Auch hier hat A sich durch seinen Rücktritt gem. § 24 Abs. 1 S. 1 StGB strafbefreiend verhalten.
Ein Rücktritt nach § 24 Abs. 2 StGB scheidet schließlich aus, wenn die Tat vollendet wird, der rücktrittswillige Beteiligte jedoch trotz aller Bemühungen nicht verhindern kann, dass seine Tatbeiträge weiterwirken. Wenn ein Tatbeitrag also weiterhin zu einer vollendeten Straftat führt, trägt der Beteiligte das Risiko, dass seine Rücktrittshandlungen scheitern. Beispiel: A, B und C planen gemeinsam einen Bankraub. Auf dem Weg zur Bank zieht sich C jedoch aus der Tat zurück, weil er Angst bekommt. Trotzdem führen A und B die Tat durch, weil sie sich nicht von C aufhalten lassen. C hat sich zwar zurückgezogen, doch sein Beitrag wirkt weiter, da er als Gehilfe nach § 27 StGB für die Vollendung haftet.
Verhindern der Vollendung
Wie beim Einzeltäter kommt ein Rücktritt bei einem fehlgeschlagenen Versuch nicht in Betracht.
Im Gegensatz zum Einzeltäter spielt hier jedoch die Unterscheidung von beendetem und unbeendetem Versuch keine Rolle. Die Vollendung muss verhindert werden, was oft durch aktive Gegenmaßnahmen passiert. Es reicht aber auch, wenn die Tat einfach „passiv“ aufgegeben wird, solange dafür gesorgt wird, dass die Tat nicht weitergeführt wird.
Ein praktisches Beispiel: Stell Dir ein organisiertes Umfeld vor, in dem ein Befehlsempfänger aufgefordert wird, einen Mordversuch durchzuführen. Der Befehlsempfänger entscheidet sich, den Auftrag nicht auszuführen, sondern zurückzutreten und verhindert die Vollendung der Tat. Hier könnte er – je nach Situation – nach § 24 Abs. 1 S. 1 Alt. 2 StGB Straffreiheit erlangen. Doch auch für den Auftraggeber, der die Rücktrittsanordnung bereits vor der Tat erteilt hat (antizipierter Rücktritt), greift § 24 Abs. 2 StGB, und auch er kann sich unter bestimmten Umständen vom Tatbeitrag befreien.
Ernsthaftes Bemühen
Doch wie steht es mit dem Ernst der Bemühungen? Und wie viel Aufwand muss man betreiben, um die Vollendung der Tat zu verhindern? Hier kommt § 24 Abs. 2 S. 2 Alt. 1 StGB ins Spiel. Wenn die Tat ohne Zutun nicht vollendet wird, musst man sich freiwillig und ernsthaft darum bemühen, die Vollendung zu verhindern. Das bedeutet nicht nur passives Abwarten – man musst aktiv werden, wenn man den Rücktritt erfolgreich umsetzen will.
Begehung der Tat unabhängig vom früheren Tatbeitrag
Und dann gibt es noch eine besondere Regelung: § 24 Abs. 2 S. 2 Alt. 2 StGB. Hier geht es um eine Konstellation, in der ein Beitrag zu einer Tat geleistet wurde, aber dieser Beitrag dann keine Bedeutung mehr hat. Stell Dir vor, Du leihst jemandem ein Werkzeug für einen Einbruch, nimmst es aber zurück, bevor der Einbruch erfolgt. Derjenige, der das Werkzeug jetzt für den Einbruch nutzt, tut das ohne Deine Hilfe, also tritt Dein Tatbeitrag zurück. Aber hier ist es nicht genug, einfach zu sagen: „Ich bin raus!“, sondern Du musst ernsthaft versuchen, die Person davon abzuhalten, die Tat zu begehen. Nur dann kannst Du nach § 24 Abs. 2 S. 2 Alt. 2 StGB tatsächlich vom Rücktritt Gebrauch machen.
Tätige Reue
Ist die Tat vollendet, kommt kein Rücktritt, sondern allenfalls eine tätige Reue in Betracht. Die Vorschriften zur tätigen Reue finden wir meist in Delikten, die eine abstrakte Gefährdung schaffen – also Taten, die bereits weit vor einer Verletzung oder einem Schaden eine Strafbarkeit auslösen können. Interessanterweise gibt es aber keine einheitliche Systematik, wenn es um die Anwendung der tätigen Reue geht. So existieren unechte Unternehmensdelikte, bei denen der Versuch ebenfalls strafbar ist, aber die Möglichkeit zur tätigen Reue fehlt. Beispiele hierfür sind die §§ 257, 265, 316a und 323c StGB. Das Gesetz schweigt hier zur Reue, weshalb die Frage aufkommt, ob wir analog auf die bestehenden Regelungen zur tätigen Reue zurückgreifen können. Viele vertreten die Ansicht, dass die Analogie sinnvoll ist, da sie dem Schutz von Rechtsgütern und Opfern dient, während andere diesen Schritt ablehnen, weil sie keine planwidrige Lücke im Gesetz erkennen.
Ein Beispiel hilft, das Ganze greifbarer zu machen: A geht in einen Supermarkt und steckt kurz vor der Kasse Lebensmittel in seine Jackentasche – die Absicht, sie zu stehlen, ist klar. Doch plötzlich kommt ihm die Vernunft, und er entscheidet sich, die Waren wieder zurück ins Regal zu legen. Der Ladendetektiv hat das Geschehen beobachtet und erstattet Strafanzeige. Hier ist der Diebstahl bereits vollendet, da A die Waren ohne Bezahlung entnommen hatte. Die Rücktrittsmöglichkeit entfällt also. Was bleibt, ist die Option der tätigen Reue, die jedoch im Fall des § 242 StGB nicht greift. Stattdessen könnte man die Wiedergutmachung strafmildernd berücksichtigen und das Verfahren gemäß § 153 StPO einstellen.