Der Versuch ist so etwas wie die Zielgerade einer Straftat – nur ohne den tatsächlichen Erfolg. Einfach gesagt: Jemand will eine Straftat begehen und glaubt, alles dafür getan zu haben, aber aus irgendeinem Grund klappt es nicht. Dieser Grund kann entweder an den Tatsachen scheitern oder an einer rechtlichen Hürde hängen bleiben. Ein Beispiel aus dem echten Leben: Wenn jemand mit Tötungsvorsatz schießt, aber daneben trifft, ist das ein klassischer Versuch. Schwieriger wird es, wenn der Erfolg zwar eingetreten ist, aber der Täter trotzdem aus rechtlichen Gründen nicht bestraft werden kann.
Für den entscheidenden Punkt – nämlich wann ein Versuch strafbar ist – musst Du § 22 StGB im Blick behalten. Der Paragraf legt fest, dass es auf die Vorstellung des Täters ankommt. Danach wird geprüft, ob der Täter zur Tat unmittelbar angesetzt hat. Diese Prüfung folgt der sogenannten gemischt subjektiv-objektiven Theorie. Kurz gesagt: Es braucht den ernsthaften Tatentschluss und eine Handlung, die objektiv eng mit der Tat verknüpft ist. Wer also bloß daran denkt, ein Delikt zu begehen, bleibt straffrei. Wer hingegen den Plan in die Tat umsetzt – auch wenn das Ziel verfehlt wird – betritt das Versuchsstadium.
Warum bestraft man überhaupt einen Versuch? Die herrschende Meinung sieht den Strafgrund im „rechtserschütternden Eindruck„. Mit anderen Worten: Wer seine kriminellen Absichten nach außen zeigt, sorgt für Unruhe in der Gesellschaft und gefährdet das allgemeine Sicherheitsgefühl. Diese Bedrohung reicht aus, um einzugreifen – auch wenn das Vorhaben scheitert.
Nicht jeder Versuch ist strafbar. § 23 StGB stellt klar, dass das bei Verbrechen immer der Fall ist, bei Vergehen hingegen nur, wenn es ausdrücklich im Gesetz steht. Außerdem erlaubt § 23 Abs. 2 StGB eine Strafmilderung für den Versuch – was durchaus fair erscheint, wenn das Verbrechen nicht vollendet wurde. Besonders spannend ist § 23 Abs. 3 StGB, der sich mit dem sogenannten untauglichen Versuch beschäftigt. Hier versucht jemand eine Straftat zu begehen, aber sein Plan ist von Anfang an zum Scheitern verurteilt – zum Beispiel, weil die Pistole ungeladen ist.
Ein Joker für den Täter kann § 24 StGB sein: die Rücktrittsregelung. Wer im Versuchsstadium rechtzeitig die Notbremse zieht und die Tat aufgibt, kann straffrei ausgehen. Für Dich als angehenden Rechtsexperten bedeutet das: Immer daran denken, ob ein Rücktritt möglich ist.
Um das Ganze zeitlich zu greifen, hilft eine einfache Einteilung: Vor dem Versuch gibt es die Vorbereitung. Hier entstehen die ersten Gedanken und Pläne – etwa das Besorgen einer Waffe. Diese Phase ist grundsätzlich nicht strafbar, es sei denn, es handelt sich um bestimmte Ausnahmefälle wie die Verbrechensverabredung (§ 30 StGB). Der Versuch beginnt, sobald die Strafbarkeitsschwelle aus § 22 StGB überschritten ist – also wenn der Täter zur Tat unmittelbar ansetzt. Die Vollendung tritt ein, wenn alle objektiven Tatbestandsmerkmale erfüllt sind. Danach folgt die Beendigung, also der tatsächliche Abschluss des Geschehens. Bei manchen Delikten wie einem einzelnen Messerstich fallen Erfolg und Beendigung sogar zusammen.
Besonders wichtig ist hier das sogenannte Koinzidenzprinzip. Der Täter muss im entscheidenden Moment, also beim unmittelbaren Ansetzen, den Vorsatz zur Tat haben. Vorherige Überlegungen (dolus antecedens) oder nachträgliche Einsicht (dolus subsequens) reichen nicht aus. Auch bei besonderen Tatbeständen wie Mord mit Heimtücke spielt der Zeitpunkt eine Rolle: Erkennt das Opfer vor dem unmittelbaren Ansatz den Angriff, fällt die Arglosigkeit weg – und damit das Mordmerkmal.
Die Versuchsstrafbarkeit mag auf den ersten Blick kompliziert wirken, aber im Kern ist sie klar strukturiert: Es geht darum, wann der Täter den entscheidenden Schritt von der bloßen Absicht zur konkreten Tat gemacht hat. Und wenn Du diesen Moment erkennst, hast Du den Schlüssel zur Lösung jeder Versuchskonstellation in der Hand.
Vorprüfung
Zunächst muss festgestellt werden, dass die Tat nicht vollendet ist und sich die Strafbarkeit des Versuchs aus §§ 23 Abs. 1, 12 Abs. 1 StGB bzw. § 23 Abs. 1 StGB i. V. m. […] ergibt.
Tatentschluss
Du hast es sicher schon bemerkt: Im Strafrecht ist der subjektive Tatbestand oft der Dreh- und Angelpunkt. Wenn jemand vorsätzlich handelt, dann bedeutet das nicht einfach nur, dass er die Tat begeht. Nein, es gehört immer ein klarer Tatentschluss dazu, der endgültig und konkret ist – der sich auf alles bezieht, was der objektive Tatbestand verlangt. Man nennt das die Tatentschlossenheit. Besonders wichtig wird diese Feststellung, wenn es um den Versuch geht, wie zum Beispiel bei einer Verbrechensverabredung oder einem noch nicht realisierten Delikt. Dann muss der Vorsatz eindeutig festgestellt werden, obwohl das Geschehen noch nicht in die Tat umgesetzt wurde.
Aber Achtung: Der endgültige Tatentschluss ist nicht dasselbe wie die bloße Tatgeneigtheit. Hier steckt ein entscheidender Unterschied. Denn in einem Zustand der Tatgeneigtheit hat der Täter zwar schon eine konkrete Vorstellung davon, was er tun möchte – aber er ist noch unentschlossen. Er weiß noch nicht, ob er die Tat wirklich begehen will. Stell Dir das so vor: A hat lange einen Banküberfall geplant. Er betritt eine Filiale und überlegt, ob er unter den richtigen Bedingungen zuschlagen soll. Aber ob er es wirklich macht, ist noch unklar. So spricht man von der Tatgeneigtheit.
Jetzt gibt es auch noch eine andere Variante: Der Täter ist zwar entschlossen, die Tat zu begehen, aber er macht diese Entscheidung von äußeren Umständen abhängig, auf die er keinen Einfluss hat. Ein sogenannter bedingter Handlungswille – und zwar in einer ganz konkreten Situation. A will den Überfall durchführen, aber nur, wenn keine Kunden in der Filiale sind. Als er dann doch zwei Kunden sieht, verschwindet er wieder. Hier liegt keine Unentschlossenheit mehr vor, sondern eine Entscheidung, die nur unter bestimmten Bedingungen getroffen wird.
Was ist nun entscheidend für die Feststellung des Vorsatzes? Laut § 22 StGB sind es die Vorstellungen des Täters, die zählen. Der Täter muss sich die konkreten Umstände vorstellen, die für die Vollendung der Tat erforderlich sind. Das ist beim vollendeten Delikt kein Problem, weil der Täter die realen Tatsachen kennt. Beim Versuch hingegen muss er sich diese Umstände vor seinem inneren Auge ausmalen – und genau darin liegt der Unterschied. Man könnte es fast so sehen, als ob man in einem fiktiven Szenario prüft, ob der Täter den Tatbestand mit all seinen Merkmale in Gedanken erfüllt. Ansonsten ist der Vorsatz der gleiche wie bei einem vollendeten Delikt.
Natürlich gibt es auch noch die klassischen Vorsatzprobleme, die nicht nur bei vollendeten Taten, sondern auch beim Versuch auftreten können – wie etwa der Tatbestandsirrtum. Hier ist alles, was der Täter falsch versteht oder was ihn daran hindert, den Vorsatz korrekt zu fassen, von Bedeutung.
Und beim Versuch? Da muss der Täter mehr wollen, als tatsächlich passiert ist. Sein Vorsatz muss über das hinausgehen, was objektiv geschehen ist. Es reicht also nicht, einfach nur eine halbfertige Tat zu planen – der Vorsatz muss alle relevanten Elemente umfassen.
Untauglicher Versuch
Ein untauglicher Versuch ist dann gegeben, wenn der Täter aufgrund falscher Vorstellungen davon ausgeht, eine Straftat zu begehen, obwohl die Tat objektiv gar nicht vollendet werden kann.
Stell Dir vor, A schießt mit Tötungsvorsatz auf B, aber B ist längst tot. In diesem Fall hätte A eine Vorstellung von der Tat, die so nie zum Erfolg führen kann (§ 23 Abs. 3 StGB) – und das bedeutet, es handelt sich um einen untauglichen Versuch. Diese falsche Vorstellung über den Erfolg einer Tat wird als umgekehrter Tatbestandsirrtum bezeichnet, weil der Täter im tatsächlichen Bereich Fehler macht, die zu einer belastenden Fehlvorstellung führen.
Das Gesetz spricht hier explizit von einem untauglichen Objekt – wie bei A, der mit einer leeren Waffe auf den Toten schießt, oder von einem untauglichen Mittel – zum Beispiel, wenn er mit einer defekten Waffe schießt. Die Vorstellung des Täters entspricht einem Fehler, der in diesem Fall objektiv nicht zur Vollendung der Tat führen kann.
Ein weiteres Beispiel: A will B umbringen und schießt auf ihn, aber seine Waffe ist ungeladen. Das führt genauso zu einem untauglichen Versuch. Die Strafbarkeit bleibt trotzdem bestehen, auch wenn die Tat objektiv nicht vollendet werden kann. Der Versuch ist also grundsätzlich strafbar – allerdings kann das Gericht die Strafe mildern oder sogar ganz absehen, wenn es das für gerechtfertigt hält.
Abergläubischer Versuch
Der abergläubische Versuch geht einen Schritt weiter und wird oft als straflos angesehen. Der Täter glaubt an magische Kräfte – etwa, dass er durch Zauberei oder Totbeten einen Erfolg herbeiführen kann. In diesem Fall hat der Täter eine Vorstellung von einer Tat, die durch übersinnliche Kräfte zustande kommen soll, und das führt zu einer ganz anderen Bewertung: Er kann nicht ernsthaft einen Vorsatz fassen, weil er glaubt, dass er eine Straftat durch Zaubern oder ähnliches vollziehen kann. Deshalb bleibt der Versuch straflos.
Wahndelikt
Ganz anders sieht es bei einem Wahndelikt aus. Hier geht der Täter davon aus, etwas strafbares zu tun, obwohl die Umstände in Wirklichkeit anders sind. Er hat zwar die tatsächlichen Gegebenheiten richtig erfasst, aber er bewertet sie falsch – etwa weil er glaubt, dass etwas strafbar ist, was es nicht ist.
Ein Beispiel: A glaubt, es sei strafbar, ein gebrauchtes Buch vorübergehend zu entwenden. Tatsächlich ist dies aber keine Straftat. In diesem Fall spricht man von einem Wahndelikt. Der Täter irrt sich in der rechtlichen Bewertung, nicht in den Tatsachen.
Irrtümer im Vorfeld des Tatbestandes
Im Vorfeld des Tatbestandes gibt es einige Fälle, bei denen die Grenze zwischen einem untauglichen Versuch und einem Wahndelikt besonders schwierig zu ziehen ist. In diesen Fällen geht es oft um die falsche Vorstellung über bestimmte Merkmale einer Straftat.
Zum Beispiel könnte A denken, eine ihm noch gehörende Sache sei schon fremd, weil er die zivilrechtlichen Vorschriften nicht richtig versteht. Oder er irrt sich darüber, ob er einen rechtmäßigen Anspruch hat und glaubt, dass er dadurch eine Straftat begeht.
Die Diskussion in der Rechtsprechung ist noch nicht abgeschlossen, wie man diese Fälle genau bewerten sollte. Die herrschende Meinung neigt jedoch dazu, in diesen Fällen einen untauglichen Versuch anzunehmen – vor allem dann, wenn es um die falsche Vorstellung von „fremd“ oder „rechtswidrig“ geht.
Unmittelbares Ansetzen
Die Grenze zwischen einem straflosen Vorbereitungsstadium und dem strafbaren Versuchsstadium ist von entscheidender Bedeutung.
Ein unmittelbares Ansetzen liegt dann vor, wenn der Täter, basierend auf seiner Vorstellung von der Tat, die Schwelle zum „Jetzt geht es los“ überschreitet und durch objektive Handlungen in einem so engen zeitlichen und räumlichen Zusammenhang zur Tat steht, dass die Tat, nach seinem Tatplan, in ungestörtem Fortgang ohne wesentliche Zwischenakte unmittelbar zur Erfüllung des Tatbestands führen würde.
Die Diskussion dreht sich um verschiedene Theorien: Die Zwischenaktstheorie geht davon aus, dass ein unmittelbares Ansetzen dann vorliegt, wenn kein wesentlicher Zwischenakt mehr erforderlich ist. Die Gefährdungstheorie hingegen fragt, ob die Gefährdung des geschützten Rechtsguts bereits unmittelbar bevorsteht. Die Sphärentheorie stellt die Frage, ob der Täter in unmittelbare Nähe zur Sphäre des Opfers vordringt und damit eine unmittelbare Gefährdung erzeugt.
Ein unproblematischer Versuch liegt vor, wenn der Täter eine tatbestandliche Handlung vollzieht – etwa die Tötungshandlung. Wenn der Täter alles getan hat, was nötig ist, um die Tat zu vollenden, aber das Opfer das tödliche Attentat überlebt oder verfehlt wird, ist der Versuch dennoch bejaht. Auch wenn nur ein Teil des Tatbestands realisiert wurde – zum Beispiel wenn der Raubopfer erfolgreich Widerstand leistet – spricht vieles dafür, dass der Versuch nach § 22 StGB erfüllt ist.
Abgrenzung zur bloßen Vorbereitungshandlung
Nicht jede Handlung führt direkt zum Versuch einer Straftat. Vorbereitende Handlungen, wie etwa das Besorgen von Waffen oder das Verstecken von Tatmitteln, sind in der Regel straflos.
Ein klassisches Beispiel: Bei einem Banküberfall, wenn die Täter noch im Fahrzeug sitzen und keine Maßnahmen wie das Vorbereiten der Waffen ergreifen, liegt noch kein Versuch vor. Das zeigt, wie wichtig der Übergang zwischen Vorbereitung und Versuch zu verstehen ist. Nur weil der Täter in seinem Fahrzeug sitzt, hat er noch keine Handlung gesetzt, die den Tatbestand direkt erfüllt. Erst wenn er aktiv in die Tat übergeht, etwa durch das Hervorholen der Waffe, kommt der Versuch in Betracht.
Ähnlich verhält es sich bei Schusswaffen: Wenn der Täter die Waffe aus der Tasche zieht oder sie auf das Opfer richtet, tritt er ins Versuchsstadium ein. Auch hier ist die Grenze zwischen Vorbereitung und Versuch klar: Die Handlung, die er ausführt, führt direkt zur Tat und ist nicht mehr bloße Vorbereitung.
Ein weiteres Beispiel wäre der sogenannte „Haustür-Fall„: Wenn der Täter ein Opfer töten will, aber beim Klingeln an der Tür festgenommen wird, liegt noch kein Versuch vor. Auch hier braucht es noch einen Schritt, der den Versuch einleitet – etwa die Vorstellung, dass das Opfer gleich öffnen wird und der Angriff unmittelbar folgt.
Stellen von Fallen und Distanzdelikten
In Fällen wie „Distanzdelikten“ oder „Fallenstellen“ ist der Übergang vom Vorbereitungsstadium zum Versuch nicht immer so klar. Manchmal hat der Täter schon alles getan, um den Tatbestand zu erfüllen, doch der Erfolg – etwa das Gift oder die Falle – tritt erst später ein. Es geht dabei um Fälle wie Gift- oder Sprengfallen, bei denen der Täter seine Handlung in Gang gesetzt hat, aber der Erfolg erst später eintreten soll, und zwar unter Umständen mit einer Verzögerung. Die Frage ist hier, ob der Täter bereits unmittelbar angesetzt hat, oder ob er die Tat so weit zurückstellt, dass der Versuch noch nicht vorliegt.
Drei grundlegende Meinungen konkurrieren in solchen Fällen: Die erste, ältere Auffassung, geht davon aus, dass der Versuch immer dann beginnt, wenn der Täter eine Handlung vollzieht, die unmittelbar zu einem Erfolg führen kann. Die zweite Meinung fordert, dass der Täter erst dann ins Versuchsstadium übergeht, wenn das Opfer in den Wirkungsbereich des Tatmittels gerät und damit unmittelbar gefährdet wird. Die dritte und heute meist vertretene Meinung sieht den Versuch auch dann als begonnen an, wenn der Täter die Kontrolle über den weiteren Verlauf des Geschehens verloren hat, wie etwa im Falle einer vergifteten Flasche, die das Opfer später selbst konsumieren könnte.
Zusammengesetzte Delikte, Qualifikationen und Regelbeispiele
Schließlich wird beim Versuch von zusammengesetzten Delikten und Qualifikationen die Frage relevant, ob der Täter in seinem Tatplan bereits unmittelbar zur Verwirklichung des Grundtatbestands angesetzt hat. Das heißt, bei einem versuchten Raub, bei dem Gewalt oder Drohung zur Wegnahme führen soll, muss der Täter in seinem Plan bereits unmittelbar dazu übergehen.
Ein ähnliches Bild ergibt sich bei den Regelbeispielen: Zur Verwirklichung des Grundtatbestandes muss ebenfalls unmittelbar angesetzt worden sein.
In der Praxis wird das oft an den Beispielen von Wohnungseinbrüchen deutlich: Wenn der Täter beispielsweise eine Tür aufbricht und davon ausgeht, im Anschluss ungehindert auf die Beute zugreifen zu können, ist der Versuch bereits durch das Aufbrechen der Tür bejaht, auch wenn er danach noch weitere Schritte tun muss.
Sonderfälle
Versuchsbeginn bei mittelbarer Täterschaft
Wann der Versuch bei der mittelbaren Täterschaft beginnt, sorgt immer wieder für Diskussionen. Die Schwierigkeit liegt vor allem darin, dass als Werkzeug nicht nur ein Dritter, den der Täter für die Tat benutzt, in Frage kommt, sondern auch das Opfer, das sich ahnungslos in eine Falle begibt. So kommen wir zu den Problemstellungen, die wir bereits beim Versuch des Einzeltäters angesprochen haben, etwa beim Fallenstellen oder bei Delikten mit Distanz. Hier gibt es Parallelen, aber auch viele offene Fragen.
Die enge Gesamtlösung geht davon aus, dass Täter und Werkzeug eine Einheit bilden und der Versuch erst dann beginnt, wenn das Werkzeug die Schwelle des § 22 StGB überschreitet. Der Hauptgrund für diese Ansicht ist, dass der mittelbare Täter nicht strenger bestraft werden darf als der Anstifter, dessen Haftung stets von der Haupttat abhängt. Kritiker halten diese Gesamtlösung jedoch für zu restriktiv. Sie argumentieren, dass der mittelbare Täter die Kontrolle über das Tatgeschehen hat, weil er das Werkzeug lenkt – ein klarer Fall für eine Vorverlagerung der Strafbarkeit. Schließlich könnte der Tatmittelperson vieles entgleiten, und der Erfolg könnte zufällig eintreten. Kritiker der Gesamtlösung sehen auch das Problem, dass die Versuchsstrafbarkeit des Anstifters nach § 30 Abs. 1 StGB anerkannt ist, während das einfache Losschicken eines Tatmittlers unter Umständen straffrei bleiben würde.
Im Gegensatz dazu steht die weite Einzellösung, nach der der Versuch schon mit der Einwirkung auf den Tatmittler beginnt. Hier wird auf die Parallele zur versuchten Anstiftung verwiesen, wobei jedoch die Gefahr besteht, dass diese Einwirkung weit vor der Haupttat liegt. Es ist fraglich, ob eine solche Handlung schon den Beginn der Tat des mittelbaren Täters markiert.
Die modifizierte Einzellösung, die von der herrschenden Meinung und der Rechtsprechung vertreten wird, versucht, eine Mitte zu finden. Nach dieser Ansicht beginnt der Versuch des mittelbaren Täters, wenn er den Ablauf des Geschehens in die Hand gibt – also, wenn der Tatmittler losgeschickt wird. Diese Variante ist präziser und berücksichtigt den Moment, in dem der Tatmittler aus der Kontrolle des Täters entlassen wird. In diesem Fall beginnt der Versuch regelmäßig dann, wenn der Tatmittler seine Handlung unmittelbar ausführen soll. Wenn jedoch eine längere Zeitspanne oder Unsicherheit darüber besteht, wann die Tat ausgeführt wird, würde der Versuch erst mit dem tatsächlichen Ansetzen des Tatmittlers beginnen.
Versuchsbeginn bei Mittäterschaft
Ein weiteres Beispiel ist die Frage des Versuchsbeginns bei der Mittäterschaft. Hier herrscht eine breite Übereinstimmung, dass der Versuch für alle Mittäter beginnt, sobald einer von ihnen gemäß § 22 StGB zur Tatbestandsverwirklichung ansetzt. Diese Sichtweise folgt dem Prinzip der gegenseitigen Zurechnung aller Tatbeiträge (Gesamtlösung).
Demgegenüber steht die Einzellösung, nach der jeder Mittäter nur dann wegen versuchter Mittäterschaft bestraft werden kann, wenn er selbst den Versuch des § 22 StGB überschreitet. Das erscheint jedoch widersprüchlich, wenn man der Meinung ist, dass ein Mittäter auch im Vorbereitungsstadium zur Tatbegehung beitragen kann.
Versuchsbeginn bei vermeintlicher Mittäterschaft
Ein besonders interessanter Punkt tritt auf, wenn es um vermeintliche Mittäterschaft geht. Hier stellt sich die Frage, ob das Zurechnungsprinzip auch dann noch greift, wenn ein vermeintlicher Mittäter die ihm zugedachte Handlung ausführt, ohne dass er tatsächlich ein Mittäter ist. In solchen Fällen könnte der vermeintliche Mittäter seine Handlung gemäß der subjektiven Tatplanperspektive in einem untauglichen Versuch vollziehen. Kritiker dieser Ansicht bestehen darauf, dass der tatsächliche Tatbeitrag des Mittäters notwendig ist, um den Versuch des Täters als solchen zu betrachten.
Versuchsbeginn bei unechtem Unterlassungsdelikt
Ein weiteres Spannungsfeld ergibt sich bei den unechten Unterlassungsdelikten. Ein Standpunkt besagt, dass der Versuch schon beginnt, wenn der Garant die erste Rettungsmöglichkeit verstreichen lässt. Doch das geht vielen zu weit, da die Strafbarkeit bereits sehr früh einsetzt. Andere vertreten die Meinung, dass der Versuch erst dann bejaht werden sollte, wenn die letzte Rettungsmöglichkeit verstreichen ist, was jedoch dazu führen könnte, dass der Garant erst dann in die Strafbarkeit eintritt, wenn das Opfer bereits in großer Gefahr schwebt.
Die herrschende Meinung sieht daher eine Lösung, die auf die sinngemäße Anwendung des § 22 StGB auf die Unterlassungskonstellation abzielt. Der Garant muss dann eingreifen, wenn eine unmittelbare Gefahr für das geschützte Rechtsgut besteht, was auch dann zutrifft, wenn er das Opfer seinem Schicksal überlässt.