Täterkreis
Falschaussage? Klar – kennt man aus Filmen: Zeuge steht vorm Richter, schwört Stein und Bein, dass er nichts gesehen hat, obwohl die Überwachungskamera was anderes sagt. Aber nicht jeder kann sich mit einer Falschaussage strafbar machen. Klingt komisch, ist aber so. Entscheidend ist, wer überhaupt zu den Aussageberechtigten gehört – und wer nicht.
Die §§ 153 und 154 StGB richten sich nämlich nicht gegen jeden, der Unsinn erzählt. Nur wer als Zeuge oder Sachverständige* vor einer zuständigen Stelle aussagt, kommt als Täter in Betracht. Klingt eingeschränkt? Ist es auch. Im Strafprozess darf also zum Beispiel der Angeklagte fröhlich lügen – juristisch erlaubt. Warum? Weil er sich ja nicht selbst belasten muss. Genauso darf im Zivilprozess die Partei lügen, ohne dass das eine strafbare Falschaussage ist. Moralisch daneben, klar – aber keine Straftat im Sinne der §§ 153 ff. StGB.
Und beim Meineid, also dem falschen Schwur? Da gibt’s eine Besonderheit: Wer eidesunmündig oder eidesunfähig ist, fällt grundsätzlich raus. Jugendliche unter 18 sind generell eidesunmündig – selbst wenn sie schon klingen wie Mini-Juristen. Die herrschende Meinung sagt da klar: Kein Eid, keine Strafbarkeit nach § 154 StGB. Punkt.
Zuständige Stelle
Nicht jeder Raum mit Tisch, Richterrobe und Protokollantin qualifiziert sich als Bühne für die strafbare Lüge. Entscheidend ist, wo die Aussage stattfindet. Genauer: Nur wer vor einem Gericht oder einer sonst zur eidlichen Vernehmung befugten Stelle falsche Angaben macht, rutscht in den Anwendungsbereich der Vorschrift.
Ein häufiger Irrtum: Die Polizei zählt nicht dazu. Auch wenn’s ernst aussieht, wenn Du in einem Büro mit Wasserspender und Aktenschrank sitzt – vor Polizisten darfst Du lügen, ohne Dir gleich § 153 StGB einzuhandeln. Gilt auch für die Staatsanwaltschaft. Warum? Weil sie nach der Strafprozessordnung gar nicht befugt sind, Zeugen unter Eid zu vernehmen. Klarer Fall von gesetzlichem Ausschluss.
Falsche Aussage
Jetzt wird’s knifflig. Wann ist eine Aussage eigentlich falsch im Sinne des Gesetzes? Nur, wenn sie objektiv nicht stimmt? Oder reicht’s schon, wenn der Zeuge selbst weiß, dass er was anderes gesehen hat?
Die objektive Theorie sagt: Falsch ist, was mit der Realität nicht übereinstimmt – egal, was der Zeuge glaubt. Wenn jemand aussagt, dass es am 28. Mai keine Schlägerei vor der Kneipe gab, obwohl er’s vielleicht einfach falsch erinnert, dann ist das laut dieser Theorie objektiv falsch.
Die subjektive Theorie schaut auf das Innere: Falsch ist, was dem eigenen Erinnerungsbild widerspricht. Wer sich erinnert, dass etwas passiert ist, aber das Gegenteil sagt, handelt falsch – selbst wenn er zufällig die Wahrheit trifft. Erinnert sich jemand an eine Schlägerei, sagt aber, es sei ruhig gewesen: subjektiv falsch, auch wenn es objektiv stimmt.
Die Pflichttheorie setzt auf Sorgfalt: Wer nicht das Beste wiedergibt, was er mit gutem Willen erinnern könnte, verletzt seine Wahrheitspflicht – und macht sich strafbar, wenn er das merkt. Also: Wer liederlich erinnert und sich trotzdem sicher äußert, könnte drinhängen.
Die herrschende Meinung? Die objektive Theorie. Warum? Weil’s einfacher ist: Die Rechtsordnung will echte Fakten – keine Gedankenspiele über Erinnerung und Ehrlichkeit. Und: Nur so lässt sich auch der § 160 StGB sauber anwenden, der sich mit der Verleitung zu falschen Aussagen beschäftigt.
Gegenstand der Aussage
Nicht alles, was ein Zeuge sagt, wird gleich auf die Goldwaage gelegt. Entscheidend ist der Vernehmungsgegenstand – also das Thema, um das es bei der Aussage geht. Wer spontan was erzählt, was mit der eigentlichen Frage nichts zu tun hat, kann sich nicht strafbar machen – außer der Richter springt darauf an und vertieft das Thema dann aktiv.
Gleiches gilt fürs Verschweigen: Wer etwas weglässt, obwohl es offensichtlich zur Sache gehört, und dann so tut, als habe er alles gesagt, macht sich ebenfalls strafbar – weil die Aussage dann in ihrer Gesamtheit falsch ist.
Auch wichtig: Der Zeitpunkt der Vollendung. Strafbar ist nämlich nur die vollendete Falschaussage – und die liegt erst dann vor, wenn die Vernehmung abgeschlossen ist. Heißt konkret: Solange der Zeuge noch redet oder die Möglichkeit zur Korrektur besteht, ist der Tatbestand noch nicht erfüllt. Korrigiert jemand also rechtzeitig seine Aussage, bleibt’s folgenlos.
Meineid
Jetzt wird’s ernst: Kommt ein Eid ins Spiel, wird aus der falschen Aussage ein Meineid – und aus dem Vergehen (§ 153) ein Verbrechen (§ 154). Das heißt: mindestens ein Jahr Freiheitsstrafe. Der Klassiker: „Ich schwöre, dass ich die Wahrheit gesagt habe“ – und das war glatt gelogen. Dann brennt die Hütte.
Hier gilt: Der Eid muss von einer gesetzlich zuständigen Person abgenommen werden, und das Verfahren muss überhaupt einen Eid zulassen. Eine Vereidigung durch den Referendar – nett gemeint, aber irrelevant. Genau wie der Versuch, einen Beschuldigten zu vereidigen: kennt das Gesetz nicht, ist also nicht strafbar.
Und wie beim § 153 gilt auch hier: Wer von vornherein gar nicht vereidigt werden darf – etwa wegen Eidesunmündigkeit – kann auch keinen Meineid begehen.