Stell Dir vor, jemand erzählt hinter Deinem Rücken: „Der kriegt seine Scheine beim Prof. nur gegen Geld.“ Und Du denkst Dir: Moment mal, das ist doch totaler Quatsch – aber trotzdem steht der Ruf plötzlich schief im Wind. Willkommen bei § 186 StGB – dem Paragrafen für üble Nachrede.

Bevor wir richtig einsteigen, ein kleiner Hinweis: Es gibt auch noch § 187 StGB – die Verleumdung. Die ist sozusagen die große Schwester der üblen Nachrede und setzt voraus, dass der Täter ganz genau weiß, dass seine Behauptung falsch ist. Weil das juristisch ein ziemlicher Unterschied ist, prüft man die beiden lieber getrennt. In Klausuren geht’s meist mit § 186 StGB los – es sei denn, der Fall schreit geradezu nach einer Verleumdung. Dann darf man auch ruhig mit § 187 StGB starten und § 186 StGB nur noch kurz als „vom Spezialgesetz verdrängt“ abhandeln.

Ehrenrührige Tatsache

Herzstück von § 186 StGB ist die Frage: Hat jemand eine Tatsache behauptet oder verbreitet, die dem anderen an die Ehre geht? Wichtig: Es reicht nicht, einfach nur zu lästern oder zu schimpfen – das wäre eher was für § 185 StGB, also für eine Beleidigung.

Tatsachen sind Aussagen, die man auf ihren Wahrheitsgehalt überprüfen kann. „Der hat eine 14-Jährige gedatet“ – das kann man beweisen oder widerlegen. Meinungen hingegen sind subjektiv, zum Beispiel: „Der Typ ist ein Ekel.“ Das ist eine persönliche Einschätzung – nicht strafbar nach § 186 StGB.

Aber wie so oft im Leben ist die Grenze nicht immer klar. Viele Aussagen mischen beides. Dann schaut man sich den Gesamtzusammenhang an: Überwiegt der Tatsachenkern oder das wertende Element? Wenn die Aussage stark meinungsgeprägt ist – zum Beispiel im politischen oder gesellschaftlichen Diskurs – schützt sie Art. 5 Abs. 1 GG besonders intensiv. Dann gilt: Im Zweifel eher Meinung.

Beispiele gefällig? „Der ist ein Verbrecher.“ Klingt wie ein Werturteil, kann aber auch heißen: „Der hat XY gemacht“ – also eine Tatsachenbehauptung. „Deine Frau ist ’ne schamlose Hure.“ Wenn das auf eine Affäre anspielt, steckt eine konkrete Tatsachenbehauptung drin. „Die da im Laden sind alles Betrüger.“ Kommt drauf an, ob das nur Frust über die Preise ist oder ein konkreter Vorwurf wegen Mängeln. Kurzum: Es kommt nicht nur drauf an, was gesagt wird, sondern wie und in welchem Kontext.

In Beziehung auf einen anderen

Klar, oder? Es muss sich um eine andere Person handeln, die auch beleidigungsfähig ist – also ein Mensch, ein Unternehmen, eine Behörde, je nachdem. Und natürlich geht’s nicht, wenn ich über mich selbst was erzähle. Wer sich selbst „in die Pfanne haut“, kann keine üble Nachrede begehen.

Kundgabe durch Behaupten oder Verbreiten gegenüber einem Dritten

Der Clou bei § 186 StGB ist: Es reicht nicht, wenn jemand einem anderen direkt ins Gesicht sagt: „Du bist ein Dieb.“ Dann sind wir bei § 185 StGB. Bei der üblen Nachrede wird die Aussage einem Dritten gegenüber gemacht. Es geht also um das klassische „Hintenrum-Reden“.

Beispiele: S flüstert im Hörsaal: „Beim Prof. X kann man die Scheine kaufen.“ Klare Kundgabe gegenüber Dritten. T schreibt den Eheleuten X einen Brief und behauptet etwas Ehrabschneidendes über Frau X. Sobald Herr X das liest – zack, § 186 StGB. Was nicht reicht: Wenn die Aussage so verklausuliert ist, dass kein Dritter checkt, wer gemeint ist – oder wenn jemand absichtlich andere in die Irre führt. Beispiel: M gibt eine Anzeige mit der Nummer seiner Ex auf – „Model-Hostess sucht nette Kontakte“. Hier fehlt der klare Drittbezug. Nach h. M. wäre das allenfalls eine Beleidigung, keine üble Nachrede.

Vorsatz

Der Täter muss wissen (oder jedenfalls billigend in Kauf nehmen), dass er eine ehrverletzende Tatsache über jemand anderen behauptet oder verbreitet. Aber – und das ist wichtig – er muss nicht wissen, dass die Aussage falsch ist. Das heißt: Auch wer ehrlich glaubt, dass das Gerücht stimmt, macht sich strafbar, wenn er es weitererzählt und es sich am Ende nicht beweisen lässt.

Nichterweislichkeit der Tatsache

In § 186 StGB steht nicht einfach nur: „Wer sowas sagt, ist dran.“ Sondern: „wenn nicht diese Tatsache erweislich wahr ist.“ Das klingt harmlos, ist aber ein Knackpunkt. Dieser Halbsatz ist nämlich keine normale Voraussetzung, sondern eine sogenannte objektive Strafbarkeitsbedingung. Der Täter muss sie also nicht kennen oder einkalkulieren – sie wirkt „hintenrum“. Für Dich heißt das: Auch wenn der Täter felsenfest von der Wahrheit überzeugt war – wenn man es nicht beweisen kann, ist er trotzdem dran.

Das Gericht muss alles versuchen, um rauszufinden, ob die Sache stimmt. Aber wenn das nicht klappt – Pech für den Täter. Dann gilt: nicht erweislich wahr = strafbar. Es geht also nicht darum, dass die Aussage falsch war, sondern dass der Wahrheitsbeweis misslingt. Das macht § 186 StGB zu einem echten Gefährdungsdelikt – denn schon die Verbreitung reicht aus, um die Ehre des Betroffenen zu beschädigen. Deswegen nimmt das Gesetz das so ernst.

Einzige Ausnahme: Der Wahrheitsbeweis gelingt. Wenn Du belegen kannst, dass der Vorwurf stimmt – dann ist § 186 StGB nicht erfüllt. Aber Vorsicht: Selbst dann kannst Du noch wegen § 185 StGB belangt werden, wenn die Form Deiner Aussage beleidigend war. § 192 StGB regelt das.

Beispiele: Supermarkt hängt Fotos von Ladendieben auf – kann strafbar sein, auch wenn’s stimmt. In der Hochzeitsrede plaudert jemand über das wilde Vorleben des Bräutigams – vielleicht wahr, aber trotzdem ehrenrührig.

Und noch ein Spezialfall: Wenn über den angeblichen Betrüger schon ein Strafverfahren lief und es ein rechtskräftiges Urteil gab, dann kommt § 190 StGB ins Spiel. Er sagt: Darüber wird nicht noch mal Beweis erhoben. Wurde der Betroffene verurteilt – darf man das sagen. Wurde er freigesprochen – ist die Behauptung falsch, Punkt.

Qualifikation

Wenn die üble Nachrede in aller Öffentlichkeit passiert – also zum Beispiel in einer Versammlung oder über soziale Medien – wird’s noch ein bisschen ernster. Dann greift die zweite Variante des § 186 StGB („öffentlich, in einer Versammlung oder durch Verbreiten eines Inhalts“), und das Strafmaß steigt.