Wer mit der Bahn fährt, ohne ein Ticket zu haben, landet nicht direkt in der Hölle – aber ziemlich sicher in § 265a StGB. Das ist das Gesetz, das uns das Erschleichen von Leistungen aufs Brot schmiert. Es gehört zur großen Familie der Vermögensdelikte und erinnert an den Betrug – nur ohne jemanden direkt anzulügen. Sobald jemand also doch angelogen oder getäuscht wird, sind wir schon beim § 263 StGB. Und dann kommt der große Bruder ins Spiel.
Ein alter Streit dreht sich darum, ob § 265a StGB zurücktreten muss, wenn ein anderer Paragraf mit ähnlichem Schutzbereich betroffen ist. Die herrschende Meinung sagt Ja – zumindest, wenn es sich um einen (versuchten) Betrug oder was aus der Richtung Diebstahl oder Unterschlagung handelt. Wenn’s aber um Urkundenfälschung oder Sachbeschädigung geht? Dann bleibt § 265a StGB doch lieber stehen.
Entgeltlichkeit der Leistung
Damit der Paragraf überhaupt anspringt, muss es erstmal um etwas gehen, das Geld kostet. Oder genauer: das für Dich Geld kostet. Das Gesetz sagt: Du musst die Absicht gehabt haben, das Entgelt nicht zu entrichten. Also geht’s nur um Leistungen, die man normalerweise bezahlen müsste. Wenn Du also mit gültigem Ticket fährst – aber es halt gerade nicht vorzeigen kannst –, bist Du aus dem Schneider. Dann fehlt’s schon am Tatbestand.
Erschleichen
Und jetzt wird’s spannend. Denn „erschleichen“ klingt erstmal nach was Heimlichem, vielleicht auch ein bisschen clever. Die Gerichte und die Literatur haben sich da jahrzehntelang die Köpfe heiß diskutiert. Was genau soll denn ein „Erschleichen“ sein?
Automatenmissbrauch
Nehmen wir mal einen klassischen Automaten. Zum Beispiel den, der Dir eine Cola rausgibt, wenn Du ’ne Münze einwirfst. Oder einen Videodecoder, der Dir gegen Bezahlung Zugriff auf Pay-TV gibt. Oder einen Spielautomaten. Das sind Leistungsautomaten – die geben Dir eine Dienstleistung gegen Geld.
Früher hat man gesagt: § 265a StGB gilt nur bei solchen Geräten, nicht bei Warenautomaten, die Dir Sachen geben. Warum? Weil da schnell § 242 StGB (also Diebstahl) ins Spiel kommt. Heute ist man großzügiger. Auch Warenautomaten sollen geschützt sein – solange es nicht gleichzeitig auch Diebstahl ist, denn dann tritt § 265a StGB zurück. Strafrecht ist eben kein Wunschkonzert, sondern eine saubere Verrechnung.
Und was genau ist jetzt „erschleichen“ beim Automaten? Ganz einfach: Du bekommst die Leistung, obwohl Du das Geld nicht richtig eingeworfen hast. Vielleicht mit Falschgeld. Oder mit einer Büroklammer. Oder sonst einem Trick. Wenn der Automat aber trotzdem korrekt funktioniert, dann ist das kein Erschleichen im strafrechtlichen Sinne.
Ein Beispiel: Du holst Dir am Bankautomaten Geld mit einer gestohlenen Karte? Der Automat läuft technisch wie vorgesehen. Kein Erschleichen. Vielleicht aber Diebstahl – je nachdem. Oder: Du manipulierst einen Spielautomaten so, dass er Dir Geld ausspuckt. Auch kein Erschleichen – aber sehr wahrscheinlich ein Diebstahl. Und Parkuhren? Sind raus. Denn der Parkplatz ist auch ohne Parkuhr nutzbar. Die Uhr ist halt nur ein Bezahlinstrument.
Erschleichen der Leistung eines Telekommunikationsnetzes
Hier geht’s um Technik. Wenn Du Dir zum Beispiel über Umwege Zugriff auf ein Telefonnetz verschaffst, ohne zu zahlen, und dabei Sicherheitsvorkehrungen überwindest – dann kann das ein Fall für § 265a StGB sein. Einfach so von einem fremden Telefon aus zu telefonieren reicht aber nicht. Da fehlt das Trickreiche.
Beförderungserschleichung
Und jetzt: der Klassiker – das Schwarzfahren. Du steigst ohne Fahrschein in die Bahn und fährst los. Ist das ein Erschleichen?
Die Gerichte sagen: ja. Weil Du so tust, als wärst Du ein ganz normaler Fahrgast. Du wirkst ordentlich. Niemand merkt auf den ersten Blick, dass Du eigentlich nicht gezahlt hast. Genau das ist das Erschleichen: Du umgibst Dich mit dem Anschein von Ordnungsmäßigkeit.
Die Literatur ist da etwas pingeliger. Einige fordern, dass man aktiv Kontrollmechanismen umgehen muss – etwa die Schranke überspringen oder einen Türcode knacken. Die Gerichte halten dagegen: Der äußere Schein genügt.
Wichtig ist: Wer offen sagt „Ich fahre schwarz“, erschleicht nichts. Aber das muss dann auch wirklich deutlich sein. Ein kleines Kärtchen mit „Ich zahle nicht“ reicht nicht – das liest eh keiner. Und wer Kontrolleure bestechen will oder gar mit Gewalt ausschaltet, ist sowieso ganz woanders unterwegs. Da reden wir dann eher über Nötigung oder Bestechung.
Sobald die Fahrt beginnt, ist die Tat vollendet.
Noch ein juristisches Schmankerl: Wer schon auf den ersten Blick aussieht wie ein Schwarzfahrer, könnte sogar Hausfriedensbruch (§ 123 StGB) begehen – wenn man ihn überhaupt erst gar nicht mitfahren lassen will.
Zutrittserschleichung
Die vierte Variante betrifft das heimliche Reinkommen. Theater, Konzerte, Schwimmbäder, Zoos, Museen – also Orte, die Geld kosten und abgegrenzt sind. Wenn Du da reinkommst, indem Du über den Zaun kletterst oder einen unbewachten Ausgang nutzt, dann erschleichst Du den Zutritt.
Wenn aber zum Beispiel eine Tür einfach offensteht, und niemand kontrolliert irgendwas – dann sagt man: Das ist kein Erschleichen. Weil keiner aufpasst und niemand davon ausgeht, dass da kontrolliert wird.
Besonderheit Parkhaus: Wenn Du wie jeder andere ein Ticket ziehst, aber beim Rausfahren versuchst, die Schranke zu umgehen oder einfach nicht zu zahlen, erschleichst Du nichts. Du hast Dich ja nicht verstellt.
Subjektiver Tatbestand
Damit das Ganze strafbar ist, musst Du natürlich auch mit Vorsatz handeln. Also wissen, was Du tust – und es auch wollen.
Aber das reicht hier noch nicht. Du brauchst außerdem die klare Absicht (also dolus directus 1. Grades), das Entgelt nicht zu zahlen. Wer versehentlich den Geldbeutel vergisst oder denkt, das Ticket sei noch gültig, ist raus.