Stell Dir vor, jemand hat eine Karte, mit der er bezahlen darf. Aber statt sie so zu nutzen, wie’s gedacht ist, trickst er damit rum – und jemand anderes zahlt am Ende die Zeche. Genau darum geht’s bei § 266b StGB. Die Vorschrift wurde 1986 eingeführt, weil es damals eine fiese Lücke gab: Wenn jemand seine eigene Karte missbrauchte, passte das weder so richtig zu Betrug (§ 263 StGB) noch zur Untreue (§ 266 StGB). Also hat der Gesetzgeber gesagt: Da muss was Eigenes her. Und zack – da war § 266b StGB.
Aber Moment: Was genau ist eigentlich heute noch eine „Scheckkarte„? Und was macht eine Karte zur „Kreditkarte“ im Sinne des Gesetzes? Spoiler: Die meisten Karten, die wir im Alltag benutzen, sind da gar nicht mehr dabei. Aber gehen wir der Reihe nach.
Was hat’s mit der Girocard auf sich? Früher hieß das Ding, das wir beim Einkaufen zücken, „EC-Karte“. Heute nennt man das „Girocard“. Gleiche Funktion, neuer Name. Und dazu gibt’s oft noch das Maestro-Logo drauf – das heißt: Auch im Ausland kannst Du damit bezahlen oder am Automaten Geld holen, solange das Maestro-Zeichen drauf ist. Wichtig ist: Die Girocard funktioniert wie eine Debitkarte – sie greift direkt aufs Konto zu. Und genau deswegen spielt sie in unserem Paragrafen keine große Rolle mehr.
Täter
Hier wird’s spannend: § 266b StGB ist ein Sonderdelikt. Heißt: Nur bestimmte Leute können sich überhaupt strafbar machen – nämlich der berechtigte Karteninhaber selbst. Also der, auf dessen Namen die Karte läuft. Wenn der die Karte missbraucht, kommt § 266b StGB ins Spiel. Wenn dagegen jemand Fremdes eine geklaute oder gefundene Karte nutzt – dann ist das kein Fall für § 266b StGB, sondern eher für andere Vorschriften wie Betrug (§ 263 StGB) oder Urkundenfälschung (§ 267 ff. StGB).
Der Witz dabei: Es kommt auf das Verhältnis zwischen Karteninhaber und Kartenherausgeber an. Der Missbrauch liegt darin, dass der Inhaber die Karte zweckentfremdet einsetzt – also etwas mit ihr tut, was er laut den Regeln mit dem Aussteller so nicht abgemacht hat. Und das Ganze muss dann auch einen Vermögensschaden beim Aussteller verursachen. Ganz schön viele Voraussetzungen auf einmal – aber so ist das nun mal beim Strafrecht.
Scheckkarte
Der Missbrauch der Scheckkarte ist der erste Tatbestand in § 266b StGB. Klingt wichtig – ist aber mittlerweile ein Fall fürs Museum. Denn seit dem 1. Januar 2002 übernehmen die Banken keine Zahlungsgarantie mehr beim Einsatz der alten Euroscheckkarten. Ohne Garantie keine Scheckkarte im Sinne des Gesetzes – und damit auch kein Fall für § 266b Alt. 1. StGB Auch Girocards und andere Debitkarten haben diese Funktion nie gehabt. Deshalb kann man die gar nicht erst unter diese Variante packen. Kurz: Scheckkartenmissbrauch – adieu.
Kreditkarten
Bleiben wir also bei Alt. 2 – dem Missbrauch von Kreditkarten. Und da wird zwischen zwei Sorten unterschieden:
Universalkreditkarte
Hier geht’s um die Klassiker: Visa, Mastercard, American Express, Diners Club. Diese Karten kannst Du weltweit bei unzähligen Partnern einsetzen – also wirklich universell. Und vor allem: Wenn Du damit zahlst, verspricht der Aussteller dem Vertragspartner, das Geld auf jeden Fall zu zahlen. Das ist die berühmte Zahlungsgarantie. Das Ganze funktioniert nach dem Drei-Partner-Modell: Du als Karteninhaber, der Händler und dazwischen das Kreditkartenunternehmen.
Wichtig: Dieses Versprechen ist unabhängig davon, ob Du genug Geld auf dem Konto hast. Deshalb prüft das System zwar meist in Echtzeit, ob der Kreditrahmen ausreicht, aber wenn’s durchgeht, dann haftet der Aussteller. Und genau das ist der Knackpunkt für § 266b Alt. 2 StGB: Wenn Du Deine eigene Kreditkarte zweckentfremdest – zum Beispiel um was zu kaufen, obwohl Du weißt, dass Du die Rechnung später nicht bezahlen kannst – dann wird das für den Aussteller teuer. Und damit ist der Tatbestand erfüllt.
Dass es heute oft nicht mehr nur drei, sondern sogar vier Partner im System gibt (zum Beispiel durch zusätzliche Zahlungsabwickler), ändert am Ergebnis übrigens nix – es braucht halt manchmal eine neue Begründung, aber das Grundprinzip bleibt gleich.
Kundenkreditkarte
Hier wird’s spezieller: Stell Dir vor, ein Warenhaus gibt Dir eine Karte, mit der Du nur bei ihm einkaufen kannst – und Du zahlst dann später. Das ist eine Kundenkreditkarte. Es gibt also nur zwei Beteiligte: Dich und das Unternehmen. Dieses gewährt Dir einen kleinen Kredit – oft sogar zinsfrei – und zieht später das Geld ein.
Weil es kein Dritter ist, der die Zahlung garantiert (wie bei der Universalkarte), sondern das Unternehmen selbst, fehlt hier die typische Struktur. Juristisch sprechen wir vom Zwei-Partner-System. Und genau deswegen sagt die herrschende Meinung: Das fällt nicht unter § 266b Alt. 2 StGB. Denn die Karte löst keine Zahlung aus, bei der ein Dritter in die Tasche greifen muss – und nur um solche Fälle geht’s beim Kreditkartenmissbrauch.
Missbrauch der Möglichkeit, den Aussteller zu einer Zahlung zu veranlassen
Universalkreditkarte
Wir starten mit einem alten Bekannten: der Universalkreditkarte. Und zwar nicht als Zahlungsmittel für Shopping-Süchtige, sondern als juristisches Minenfeld. Die Diskussion rund um § 266b Alt. 2 StGB ist bis heute von einer Vorstellung geprägt, die in den 80er-Jahren vielleicht noch passte, inzwischen aber eher in ein Museum gehört – das klassische Drei-Partner-System. Da hatten wir auf der einen Seite das Kreditkartenunternehmen (wie American Express oder Diners Club), auf der anderen den Karteninhaber und den Händler. Das System funktionierte wie ein Dreieck, in dem der Karteninhaber die Karte zückt, der Händler einen Beleg ausstellt und das Kreditkartenunternehmen zahlt. Fertig.
Aber hier wird’s spannend: Im klassischen Beispiel bezahlt K – total pleite und auch nicht besonders motiviert, seine Schulden zu begleichen – mit seiner American-Express-Karte Waren im Wert von 400 Euro. Der Händler V ist Partner von Amex, akzeptiert die Karte und bekommt auch tatsächlich die 400 Euro. Nur: K hat auf seinem Kartenkonto kein Geld. Macht nichts – Amex zahlt trotzdem, weil das System eine Zahlungsgarantie vorsieht.
Und das war lange kein strafbares Verhalten. Warum? Weil der Händler sich gar keine Gedanken über die Bonität von K machen muss. Er weiß: Wenn die Karte durchgeht, kommt das Geld. Und für § 263 StGB braucht man einen Irrtum. Den hat V aber nicht. Der weiß genau, was er tut. Und bei der Untreue? Da fehlt’s an der Vermögensbetreuungspflicht gegenüber dem Kreditkartenunternehmen. So hat das zumindest der BGH gesehen, ohne sich groß um die zivilrechtlichen Feinheiten zu kümmern.
Aber dann kam 1986 der Gesetzgeber und sagte sinngemäß: Wir brauchen eine Norm, die diesen Missbrauch der „Zahlungsmacht“ unter Strafe stellt – auch ohne Vermögensbetreuungspflicht. Voilà, § 266b Alt. 2 StGB war geboren. Der Täter soll hier bestraft werden, wenn er zwar im Außenverhältnis eine Zahlungsverpflichtung auslöst, das Ganze aber im Innenverhältnis gar nicht durfte.
Was bedeutet das? K verpflichtet Amex zur Zahlung – und zwar wirksam. Amex zahlt. Aber intern hätte K das gar nicht gedurft, weil kein Kredit vorhanden war. Das reicht. Der Missbrauch liegt darin, dass er die Karte benutzt, obwohl er weiß, dass er nicht berechtigt ist, das Unternehmen zur Zahlung zu veranlassen.
Das Problem: Dieses Drei-Partner-System ist in der Praxis heute ein Dinosaurier. American Express und Diners Club? Die dümpeln mit unter 10 % Marktanteil vor sich hin. Die Musik spielt längst woanders – und zwar im Vier-Partner-System mit Visa und Mastercard.
Hier läuft das Ganze deutlich komplexer ab. Visa und Mastercard geben selbst keine Karten heraus. Sie vergeben Lizenzen an Banken, die dann die Karten ausstellen. Auf der anderen Seite arbeiten Acquirer – also Händlerbanken – mit den Shops zusammen. Wenn Du bei einem Online-Shop mit Visa bezahlst, ist da nicht einfach Visa im Spiel, sondern eine Bank, die Dir die Karte gegeben hat, und eine Händlerbank, die das Geschäft mit dem Shop betreut. Und das ist ein Viereck: Bank – Karteninhaber – Vertragsunternehmen – Acquirer.
Der Clou: Das abstrakte Schuldversprechen – also das, was früher vom Kartenunternehmen kam – gibt jetzt der Acquirer. Der verpflichtet sich gegenüber dem Händler zur Zahlung, wenn bestimmte Bedingungen erfüllt sind. Und dann holt er sich das Geld bei der kartenausgebenden Bank zurück.
Jetzt kommt die Krux: Der Karteninhaber hat mit dem Acquirer rein gar nichts zu tun. Zwischen den beiden gibt es keine vertragliche Beziehung, keine Vollmacht, kein gar nichts. Und deshalb kann er auch nicht im zivilrechtlichen Sinne den Acquirer verpflichten. Die alte Idee, dass der Karteninhaber durch Kartennutzung eine rechtsgeschäftliche Bindung erzeugt, geht hier nicht mehr auf.
Aber was dann? Die herrschende Meinung sagt: Auch wenn der Karteninhaber niemanden rechtsgeschäftlich bindet, reicht es aus, dass er durch den Gebrauch der Karte einen tatsächlichen Mechanismus auslöst, der am Ende zur Zahlung führt. Die Zahlungsgarantie entsteht nämlich aufschiebend bedingt – sie greift erst, wenn der Händler seinen Beleg einreicht.
Also: Auch im Vier-Partner-System kann § 266b Alt. 2 StGB greifen. Aber wir müssen uns von dem Gedanken verabschieden, dass der Täter hier rechtlich jemanden verpflichtet. Es genügt, dass er faktisch eine Zahlung auslöst – durch eine eingeräumte „Zahlungsmacht„. Und das ist juristisch sauber genug, um § 266b StGB zu erfüllen.
Und was ist mit den Ausnahmen? Zum Beispiel, wenn jemand eine Kundenkreditkarte benutzt, also im Zwei-Partner-System unterwegs ist? Da ist die Lage anders. Beispiel: K geht zu Karstadt, hat kein Geld auf dem Konto, aber eine Kundenkreditkarte des Kaufhauses. Oder er fliegt mit der Lufthansa und zahlt mit seiner Air-Plus-Karte. Auch hier kein Geld, keine Deckung – aber er bekommt trotzdem Waren oder Leistungen. Nur: Gezahlt wird hier gar nicht. Weder Karstadt noch Lufthansa leisten eine Zahlung an Dritte. Sie geben direkt selbst die Waren oder Leistungen raus. Und das fällt nicht unter § 266b StGB, sagt die herrschende Meinung. Denn der Wortlaut der Norm verlangt eine Zahlung – also das klassische Geld fließt von A nach B. Und das ist hier nicht der Fall. Klar, auch das ist Betrug – aber dann sind wir bei § 263, nicht § 266b StGB. Und auch wenn manche kritisieren, dass das ungerecht sei – schließlich wird der Täter im Zwei-Partner-System härter bestraft als im Vier-Partner-System –, hat sich daran bisher nichts geändert. Denn eine künstliche Privilegierung von Betrügern will auch niemand ernsthaft.