Abstraktes Gefährdungsdelikt
Du kennst schon den § 306 StGB (Brandstiftung) – der dreht sich um das vorsätzliche Anzünden fremder Sachen. Aber jetzt wird’s heißer: § 306a Abs. 1 StGB nimmt bestimmte Räume ins Visier, in denen sich Menschen typischerweise aufhalten. Und das ist nicht nur ein bisschen schlimmer, sondern ein ganz eigenes Delikt mit eigenem Schutzkonzept: Wir reden hier von einem abstrakten Gefährdungsdelikt. Das bedeutet, es geht nicht erst los, wenn tatsächlich jemand in Gefahr gerät – der potenzielle Schaden reicht. Eigentumsfragen oder eine Einwilligung spielen keine Rolle. Es zählt allein die Gefahr für die Allgemeinheit.
Klar ist: Wer hier zündelt, greift nicht nur ins Eigentum ein, sondern spielt mit dem Leben anderer.
Tatobjekte
Wohnungen und andere Wohnräume
Ein Klassiker: Das Wohngebäude. Und damit ist nicht nur das klassische Einfamilienhaus gemeint, sondern alles, was als Lebensmittelpunkt dient. Also auch mal ein ausrangierter Wohnwagen, eine Hütte im Wald oder eine Schlafkoje im LKW – Hauptsache, jemand lebt dort.
Wichtig ist der tatsächliche Wohnzweck: Wer da wohnt, lebt dort – auch wenn’s nur zeitweise ist.
Eine leerstehende Ferienwohnung bleibt geschützt, wenn sie nicht dauerhaft entwidmet wurde. Diese Entwidmung kann ganz still und heimlich passieren – etwa wenn ein Obdachloser seine Hütte verlässt oder ein Mieter eigenhändig seine Wohnung anzündet und damit zeigt: Ich wohne hier nicht mehr. Nur gelegentlich vorbeischauen reicht nicht, um den Wohncharakter zu erhalten.
Kirchen und religiöse Räume
Auch Gotteshäuser brennen nicht ungestraft. Der Schutz bezieht sich auf Gebäude, die wirklich der Ausübung von Religion dienen – also keine Verwaltungsgebäude oder Religionsunterrichtsräume.
Interessant: Kirchenräume sind immer geschützt, nicht nur zu Gottesdienstzeiten. Manche Kritiker finden das übertrieben, andere sehen gerade darin den konsequenten Schutzgedanken.
Räume für den zeitweisen Aufenthalt von Menschen
Jetzt wird’s etwas feiner: Räume, in denen sich Menschen typischerweise zu bestimmten Zeiten aufhalten. Ein Bürogebäude während der Arbeitszeit? Klar. Eine Scheune, in der regelmäßig jemand übernachtet? Auch das. Aber Achtung: Sobald der Aufenthalt nicht mehr nur typischerweise, sondern dauerhaft wird, sind wir schon bei Nr. 1.
Ein Auto fällt übrigens raus – das bietet nicht genug Bewegungsfreiheit, um als „Räumlichkeit“ durchzugehen.
Beispiel: Ein Täter will ein Bürogebäude nachts sprengen, doch die Bombe geht schon am Nachmittag hoch – während Leute im Haus sind. Damit liegt objektiv ein Fall des § 306a Abs. 1 Nr. 3 StGB vor, aber weil der Täter mit der Zeit durcheinandergekommen ist, fehlt der Vorsatz. Ergebnis: Nur fahrlässige schwere Brandstiftung (§ 306d Abs. 1 Alt. 2 StGB).
Weiteres Beispiel: Der Eigentümer A beauftragt T, ein vermietetes Haus anzuzünden, behauptet aber, der Mieter sei noch nicht eingezogen. T glaubt das – und handelt ohne Vorsatz. A dagegen weiß es besser und wird wegen mittelbarer Täterschaft nach § 306a Abs. 1 Nr. 1 StGB verurteilt.
Tathandlung
Hier gibt’s zwei Wege ins Unrecht: Inbrandsetzen – wenn ein Teil der Substanz selbstständig brennt. Zerstören durch Brandlegung – wenn der Brand das Objekt ganz oder teilweise zerstört.
Gemischt genutzte Gebäude
Und was ist mit gemischt genutzten Gebäuden? Jetzt wird’s tricky: Was, wenn ein Haus teilweise Wohnung, teilweise Gewerbe ist? Die herrschende Meinung sagt: Entscheidend ist, ob es sich baulich um ein einheitliches Gebäude handelt. Wenn ja, reicht es, wenn der Brand im Gewerbeteil beginnt – solange das Feuer auf die Wohnbereiche übergreifen könnte. Ein gemeinsames Treppenhaus oder verbundenes Dachgeschoss? Spricht für ein einheitliches Gebäude. Eine Brandschutzmauer dazwischen? Könnte dagegen sprechen.
Beispiel: Ein Täter zündet ein Restaurant im Erdgeschoss an. Im fünften Stock gibt’s eine Wohnung. Da das Gebäude einheitlich ist, ist auch § 306a Abs. 1 Nr. 1 erfüllt – jedenfalls nach h. M., vorausgesetzt, der Täter wusste oder nahm billigend in Kauf, dass es oben eine Wohnung gibt. Oder: Ein Brand in einer Kneipe greift auf eine angeschlossene Polizeiwache über. Auch das reicht für § 306a Abs. 1 Nr. 3 StGB – die Wache ist schließlich ständig besetzt.
Nicht ganz einig ist man sich, ob das alles auch für das „Zerstören“ gelten soll. Der BGH will mehr: Er verlangt, dass die Wohneinheit selbst durch die Brandlegung unmittelbar unbrauchbar wird – also z. B. das Wohnzimmer angekokelt ist, nicht nur der Strom im Keller ausgefallen. Beispiel: Der Täter legt im Keller eines Hauses ein Feuer. Die Leitungen werden zerstört, die Wohnungen sind zwei Wochen unbewohnbar – aber das Feuer selbst war nie oben. Ergebnis: Keine Zerstörung i. S. v. § 306a Abs. 1 StGB, sagt der BGH. Nur wenn das Feuer auch unmittelbar auf die Wohnung eingewirkt hätte, wäre das anders.
Teleologische Reduktion
Und wenn das Ganze gar nicht gefährlich war? Manchmal macht’s einfach keinen Sinn, die Vorschrift so strikt anzuwenden, wie sie dasteht. Schließlich geht’s beim § 306a Abs. 1 StGB um den Schutz von Leben. Wenn ganz klar ist, dass keine Gefahr für Menschen bestand – etwa weil das Gebäude schon lange leer war und niemand mehr zurückkehrt – kann man überlegen, die Vorschrift teleologisch zu reduzieren. Aber Vorsicht: Das ist die Ausnahme, nicht die Regel. Wenn irgendwo Menschen sein könnten, ist der Tatbestand grundsätzlich erfüllt.
Konkretes Gefährdungsdelikt
Jetzt wird’s heiß – im wörtlichen wie im juristischen Sinne. Die schwere Brandstiftung nach § 306a Abs. 2 StGB ist kein Kavaliersdelikt, sondern ein Verbrechen mit echtem Zündstoff. Und dabei ist ein Punkt besonders wichtig: Es kommt nicht darauf an, ob das angezündete Ding jemand anderem gehört. Warum? Weil das Gesetz hier nicht davon spricht, dass die Sache „fremd“ sein muss – im Gegensatz zu § 306 Abs. 1 StGB (Brandstiftung). Es reicht also, wenn der Brand ein Objekt betrifft, das unter die dortigen Nummern 1 bis 6 fällt – ganz egal, wem es gehört. Sogar wenn der Eigentümer mit dem Feuerwerk einverstanden war, interessiert das das Strafrecht in diesem Fall kein Stück. Würde man nur fremde Sachen einbeziehen, käme man auf die absurde Idee, dass jemand besser dasteht, wenn er beim Brand zusätzlich noch jemanden gefährdet – absurd, oder? Deshalb sind sowohl fremde als auch eigene, herrenlose oder mit Erlaubnis angezündete Dinge erfasst. Die Einwilligung des Eigentümers? Nett gemeint, aber völlig irrelevant für die Strafbarkeit.
Der Kern dieser Vorschrift ist klar: Es geht um die Gefahr für Menschen. Das Ganze ist ein konkretes Gefährdungsdelikt – ähnlich wie bei § 315c Abs. 1 StGB (Gefährdung des Straßenverkehrs), also dem Straßenverkehrs-Äquivalent zum Höllenritt. Zwei Teile also: Erst die Brandlegung, dann die echte, handfeste Gefahr für jemand anderen.
Tatobjekt
Wir brauchen ein Objekt aus § 306 Abs. 1 Nr. 1-6 StGB. Ob das dem Täter gehört, spielt keine Rolle – Eigentumsverhältnisse sind hier wirklich Nebensache.
Tathandlung
Entweder das Ding wird in Brand gesetzt oder durch Feuer zumindest teilweise zerstört.
Und jetzt wird’s spannend bei Wohngebäuden: § 306a Abs. 2 StGB verweist auf § 306 Abs. 1 Nr. 1 StGB, also sind Wohngebäude mit drin. Und damit reicht es völlig aus, wenn irgendein funktionaler Teil des Hauses – sagen wir der Keller – so beschädigt ist, dass er für längere Zeit nicht normal genutzt werden kann. Das hat einen Grund: Bei § 306a Abs. 2 StGB geht es nicht um die totale Zerstörung der Wohnung, sondern darum, dass durch das Feuer eine echte Gefahr für Menschen entsteht. Wenn also der Brand im Keller bleibt, aber der Rauch durch die Lüftung zieht und jemand in der Wohnung eine Rauchvergiftung bekommt – dann ist der Tatbestand voll erfüllt.
Taterfolg und Gefahrverwirklichung
Es reicht nicht, dass es gebrannt hat – es muss jemand konkret in Gefahr geraten sein, und zwar gesundheitlich. Es geht also um eine tatsächliche Gefährdung eines Menschen durch die Tat. Diese Verbindung zwischen Brand und Gefahr muss auch nachvollziehbar sein – das „und dadurch“ ist also mehr als nur rhetorischer Schmuck. Wer den Keller anzündet und dadurch oben jemandem die Lunge mit Ruß vollpumpt, hat das Ziel (bzw. leider den Tatbestand) erreicht.
Und wer genau zählt jetzt als „anderer Mensch„? Überraschung: Auch ein Mittäter kann als gefährdete Person gelten. Das mag kontraintuitiv klingen, aber aus Sicht eines Mittäters ist der andere eben – nun ja – ein anderer. Logisch, oder?
Etwas kniffliger wird’s, wenn wir schauen, ob das Ganze vielleicht aus anderen Gründen nicht strafbar ist. Da gibt’s zwei Denkrichtungen: Erstens, wenn sich jemand bewusst selbst gefährdet – also eigenverantwortlich sagt: „Ich mach mit und weiß, was passieren kann.“ Dann könnte der Zusammenhang zwischen Tat und Gefahr gekappt sein. Zweitens, wenn jemand ausdrücklich einverstanden ist, also sich fremdgefährden lässt. Auch dann kann das konkrete Gefährdungsunrecht entfallen – aber die Gemeingefahr bleibt trotzdem bestehen. Das heißt: Eine Rechtfertigung greift nur teilweise und der Täter kann mit etwas Glück durchrutschen. Aber eben nur manchmal.
Subjektiver Tatbestand
Hier haben wir zwei Möglichkeiten: Entweder der Täter handelt mit Vorsatz – also wissentlich und willentlich – oder er handelt fahrlässig, also ohne die nötige Sorgfalt.
Tätige Reue
Wer sich nach der Tat ernsthaft bemüht, den Brand zu löschen oder Folgen zu verhindern, kann durch tätige Reue (§ 306e StGB) etwas retten – zumindest strafrechtlich. Eine Art Feuerlöscher für die Seele.
Konkurrenzen
Die schwere Brandstiftung nach § 306a Abs. 2 StGB schützt nicht nur Sachen, sondern gezielt Menschenleben. Deshalb steht sie eigenständig neben § 306a Abs. 1 StGB (der rein abstrakt die Allgemeinheit schützt) und auch neben § 306 Abs. 1 StGB (der die Sache selbst schützt). Das heißt: Wenn der Täter zum Beispiel ein fremdes Gebäude anzündet und dabei jemand konkret gefährdet wird, dann liegt nicht nur eine Tat nach § 306 Abs. 1, sondern auch nach § 306a Abs. 2 StGB vor. Und weil hier beides eigenständiges Unrecht ist, stehen die Taten nebeneinander.
Und ein letzter Punkt, der oft übersehen wird: Wenn der Täter vorsätzlich den Brand legt, aber dabei „nur“ fahrlässig jemanden gefährdet, sind wir trotzdem bei § 306a Abs. 2 i. V. m. § 306d Abs. 1 Alt. 3 StGB.