Wenn wir uns § 243 StGB anschauen, merken wir schnell: Hier geht es nicht einfach nur um einen „schlimmeren“ Diebstahl, sondern um etwas Besonderes. Der Gesetzgeber hat hier keine strengen neuen Tatbestände oder Qualifikationen geschaffen wie bei § 244 StGB oder bei Körperverletzungen (§§ 224, 226 StGB). Stattdessen ist § 243 StGB ein Regelbeispiel. Klingt trocken? Keine Sorge, wir schauen es uns gemeinsam an!

Regelbeispiele sind Vorschläge des Gesetzes, wann ein Diebstahl besonders schwer wiegt. Aber sie sind eben keine starren Vorschriften. Diese Flexibilität bringt Vorteile – und ein paar Probleme. Wer sich fragt, wo diese Technik noch auftaucht, findet ähnliche Aufzählungen in §§ 113 Abs. 2, 121 Abs. 3, 240 Abs. 4, 261 Abs. 4, 263 Abs. 3, 266 Abs. 2, 267 Abs. 3, 303b Abs. 4, 330 Abs. 1 StGB. Es gibt aber auch unbenannte besonders schwere Fälle, wie etwa bei §§ 106 Abs. 3 oder 212 Abs. 2 StGB, wo das Gesetz nicht konkret wird.

Und jetzt die spannende Frage: Was heißt das konkret für die Anwendung? Die Regelbeispiele wirken erstmal wie ein starkes Indiz dafür, dass der Diebstahl besonders schwer ist. Aber, und jetzt wird’s interessant, die Gerichte dürfen in beide Richtungen abweichen: Selbst wenn ein Regelbeispiel erfüllt ist, kann ein besonders schwerer Fall trotzdem verneint werden. Nämlich dann, wenn alles zusammengenommen – Tat, Täter, Umstände – so glimpflich wirkt, dass die Indizwirkung „geknackt“ wird. Auch ohne ein Regelbeispiel können Richter einen besonders schweren Fall bejahen. Voraussetzung ist, dass alles, was passiert ist, in seiner Art und Schwere deutlich aus dem üblichen Rahmen eines normalen Diebstahls (§ 242 StGB) herausragt.

Manche Kritiker finden diese Technik etwas bedenklich. Sie sagen: Hier wird das Bestimmtheitsgebot aus Art. 103 Abs. 2 GG gefährlich nah an der Grenze entlanggeschrammt, weil die Klarheit des Strafrechts verwässert wird. In der Praxis zeigt sich: Obwohl § 243 StGB „nur“ Strafzumessung betrifft, ist der Unterschied zu einer echten Qualifikation ziemlich gering. Kein Wunder also, dass eine Mindermeinung lieber eine klare „Tatbestandslösung“ hätte, bei der die Regelbeispiele echte Tatbestandsmerkmale sind.

Jetzt geht’s an die einzelnen besonders schweren Fälle, die § 243 StGB aufzählt. Und wir schauen uns die wichtigsten in Ruhe an.

Besonders schwere Fälle

Einbruchdiebstahl

Umschlossener Raum

Wenn das Gesetz von einem „umschlossenen Raum“ in § 243 Abs. 1 Nr. 1 StGB spricht, meint es jedes Raumgebilde – egal ob mit oder ohne Dach –, das dafür gedacht ist, von Menschen betreten zu werden und das durch irgendwelche Vorrichtungen gegen unbefugtes Eindringen geschützt ist.

Typische Beispiele gefällig? Ein eingezäunter Garten, ein Schuppen, der Innenraum eines Autos oder sogar die Ladefläche eines Lkw. Kein umschlossener Raum sind dagegen Kofferräume von Autos.

Wichtig: Der Raum muss nicht abgeschlossen sein. Aber die Umgrenzung muss das Eindringen wenigstens ernsthaft erschweren, d. h. umfriedet sein. Also: Durch einen niedrigen Zaun hüpfen oder durch eine breite Lücke in der Hecke kriechen reicht nicht für einen besonders schweren Fall. Wer aber einen hohen Zaun überwindet, der läuft schon in die Richtung eines Regelbeispiels.

Noch ein Hinweis: Ein „Gebäude“ im engeren Sinne unterscheidet sich dadurch, dass es von festen Wänden und einem Dach abgeschlossen wird.

Einbrechen

Einbrechen heißt, dass jemand gewaltsam ein Hindernis beseitigt, das den Eintritt verhindern soll. Dafür reicht es nicht, ein lose stehendes Gatter einfach hochzuheben oder ein Tor ohne Mühe zu öffnen.

Echte Gewalt ist gefragt! Wenn jemand ein Schloss knackt oder eine Fensterscheibe einschlägt, dann ist das Einbrechen im Sinne des Gesetzes – selbst dann, wenn er danach nur von draußen etwas herausangelt. Übrigens: Auch das gewaltsame Aufbrechen eines Autos zählt.

Einsteigen

Einsteigen liegt vor, wenn jemand nicht den normalen Weg benutzt, sondern über oder durch Hindernisse klettert oder kriecht.

Dabei muss der Täter zumindest einen Fuß im Raum haben, um sagen zu können: „Ich bin drin!“ Nur mal eben durch ein Fenster hineingreifen und etwas herausziehen? Nein, das reicht noch nicht.

Typische Einsteiger sind die, die eine Mauer überwinden oder durch ein kleines Loch im Zaun robben. Nicht dazu zählt, wer eine gekippte Terrassentür einfach aufmacht und hindurchtritt.

Eindringen mit einem falschen Schlüssel

Hier wird es besonders spannend: Als Schlüssel zählen auch elektronische Hotelkarten.

Falsch ist ein Schlüssel immer dann, wenn er zur Tatzeit nicht mehr offiziell zur Öffnung bestimmt ist. Das gilt etwa für: Nachgemachte Schlüssel, Schlüssel ehemaliger Mieter nach Auszug, verlorene Schlüssel, wenn der Verlust entdeckt wurde. Aber: Wer einen echten, verlorenen Schlüssel benutzt, der noch nicht entwidmet wurde (weil der Eigentümer den Verlust nicht bemerkt hat), der nutzt keinen falschen Schlüssel!

Außerdem wichtig: Mit „anderen Werkzeugen“ meint das Gesetz nur solche, die wie ein Schlüssel direkt den Schließmechanismus beeinflussen. Ein Dietrich passt, ein Brecheisen nicht.

Kleiner Exkurs: Wer beim Auto mit einem Störsender die Verriegelung verhindert, benutzt keinen falschen Schlüssel – hier könnte aber ein unbenannter besonders schwerer Fall (§ 243 Abs. 1 S. 1 StGB) im Raum stehen.

Sich-Verborgenhalten

Manchmal läuft es so: Der Täter betritt den Raum legal, versteckt sich dann aber, um später heimlich zu stehlen.

Typisches Beispiel: Ein Kunde bleibt nach Ladenschluss im Möbelhaus und räumt danach in aller Ruhe Regale leer.

Ob der Täter ursprünglich ein Besuchsrecht hatte oder nicht, spielt dabei keine Rolle.

Zur Ausführung der Tat

Ganz entscheidend: Der Vorsatz zum Diebstahl muss schon beim Einbrechen, Einsteigen oder Sich-Verstecken vorliegen.

Wenn jemand erst einsteigt, um seine große Liebe zu sehen, sich dann aber spontan entscheidet, eine Stereoanlage mitzunehmen – dann haben wir nur einen normalen Diebstahl (§ 242 StGB).

Auch wenn jemand mit Diebstahlsvorsatz einsteigt und sich später umentscheidet, müssen wir genau prüfen, ob das eine wesentliche Abweichung ist.

Übrigens: In dem Moment, wo jemand einbricht oder einsteigt, beginnt normalerweise schon der Versuch des Diebstahls. Aber nicht zwingend. Wenn der Täter sich erst später dazu entschließt, etwas mitzunehmen, dann kann der Versuch auch erst später starten.

Und nein, die Beendigungsphase (also z. B. das spätere Abholen der Beute) gehört nicht mehr zum „Ausführen der Tat“ im Sinne von § 243 StGB.

Schutzvorrichtung

Manchmal geht es Dieben nicht nur darum, etwas zu klauen, sondern sie treten auch noch mit richtig dreister Rücksichtslosigkeit auf. Genau das greift § 243 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 StGB auf: Wenn sich jemand über eine besondere Sicherung hinwegsetzt, zeigt er damit, dass ihm fremdes Eigentum völlig egal ist. Es geht hier nicht darum, wie die Sicherung überwunden wird – ob mit roher Gewalt, Tricks oder Technik –, sondern dass überhaupt eine besondere Schutzvorrichtung geknackt wird. Ganz wichtig: Während die Nr. 1 auf die Art und Weise des Eindringens abzielt, dreht sich Nr. 2 allein um den Schutz der Sache selbst.

Damit wir hier nicht durcheinanderkommen, muss klar sein: Um einen umschlossenen Raum im Sinne der Nr. 1 geht es bei Nr. 2 nicht. Behältnisse und Schutzvorrichtungen sind nämlich genau das: Behältnisse, die Sachen aufnehmen, aber nicht zum Betreten durch Menschen gedacht sind. Türschlösser von Autos oder Häusern gehören deshalb zur Nr. 1, nicht zur Nr. 2. Aber: Hat unser Dieb es nacheinander mit verschiedenen Hindernissen zu tun – zum Beispiel erst Geschäftstür aufbrechen (Nr. 1) und dann die Registrierkasse knacken (Nr. 2) –, dann können beide Regelbeispiele gleichzeitig erfüllt sein.

Beispiel: T bricht die Fahrertür eines Autos auf, knackt das Lenkradschloss und überbrückt das Zündschloss, um den Wagen zu klauen. Hier liegt ein Einbrechen in einen umschlossenen Raum (Nr. 1) und die Überwindung zweier Schutzvorrichtungen (Nr. 2) vor.

Verschlossenes Behältnis

Das Gesetz nennt ausdrücklich das verschlossene Behältnis als Beispiel für eine Schutzvorrichtung. Ein Behältnis ist jede Art von Raumgebilde, das Sachen aufnimmt und umschließt – nur eben nicht für Menschen gemacht ist.

Verschlossen ist das Ganze, wenn es vor unbefugtem Zugriff gesichert ist. Dabei geht es nicht nur um klassische Schlösser. Auch moderne elektronische Sicherungen zählen. Typische Beispiele: Kofferraum eines Pkw, Tresore, Kassenschubladen, Warenautomaten, Aktenschränke oder Koffer.

Schutzvorrichtung

Unter einer Schutzvorrichtung versteht man ganz allgemein jede Vorrichtung, die von Menschen geschaffen wurde, um die Wegnahme einer Sache erheblich zu erschweren. Es muss also wirklich eine Hürde sein, keine bloße Verpackung.

Beispiele: Lenkradschlösser, Fahrradschlösser, Alarmanlagen, Ketten. Auch ein Zündschloss fällt darunter, denn es verhindert nicht nur das Starten des Wagens, sondern schützt auch vor Wegnahme.

Besondere Sicherung gegen Wegnahme

Das Regelbeispiel verlangt mehr als nur irgendeine Sicherung: Es muss eine besondere Sicherung gegen Wegnahme bestehen. Das bedeutet, dass Verpackungen, Befestigungen oder ähnliche Vorrichtungen nur dann erfasst sind, wenn sie speziell auch den Diebstahl verhindern sollen.

Beispiele: Die normalen Befestigungen eines Autoradios oder Navigationsgeräts sichern zwar gegen Rütteln und Herausfallen, aber nicht besonders gegen Wegnahme. Ein Paket, das nur zugeklebt ist, ist nicht besonders gegen Wegnahme geschützt – steckt es aber in einem verschnürten Postsack, sieht das anders aus.
Entscheidend ist, dass der Täter die Sicherung überwinden muss. Eine „besondere“ Sicherung liegt etwa dann nicht vor, wenn der Schlüssel noch im Schloss steckt oder wenn der Täter den Schlüssel benutzen darf, weil er eigentlich autorisiert ist. Hat der Täter den Schlüssel aber heimlich an sich genommen oder keine echte Berechtigung, wird das Regelbeispiel bejaht.

Beispiele für bejahte Schutzvorrichtungsfälle: T nimmt in einer Postfiliale den Schlüssel eines Kollegen an sich und öffnet den Tresor. T findet den versteckten Schlüssel in einer Mietwohnung und plündert damit den Safe. T gibt sich im Hotel als Gast aus, lässt sich den Tresor öffnen und stiehlt Bargeld. Demgegenüber: Hat jemand offiziell einen echten Schlüssel und klaut dann, liegt kein Regelbeispiel vor.

Kurz gesagt: Wer Tresore, Registrierkassen oder Fahrradschlösser mit einem unbefugt erlangten Schlüssel oder Code öffnet, erfüllt das Regelbeispiel. Das Gleiche gilt bei einem unbefugten Knacken oder Manipulieren der Sicherung, etwa über geheime Öffnungstasten bei Kassen oder Automaten.

Wichtige Spezialfälle: Wird ein verschlossener Warenautomat oder Schmuckkoffer als Ganzes entwendet, ohne ihn vor Ort aufzubrechen, ist die Nr. 2 trotzdem erfüllt. Entscheidend ist, dass der Inhalt besonders gegen Wegnahme gesichert war. Sicherungsetiketten an Kleidung lösen erst Alarm am Ausgang aus. Sie schützen also nicht vor der Wegnahme, sondern sollen eher helfen, das Diebesgut wiederzubeschaffen. Hier wird die Nr. 2 meist verneint. Sicherungsspinnen, die beim Versuch der Zerstörung schon im Laden Alarm auslösen, zählen dagegen als Schutzvorrichtungen im Sinne der Nr. 2. Für jeden Fall kommt es letztlich darauf an, ob die Wegnahme durch die Sicherung tatsächlich erschwert wurde. Aktivierte Elektronik oder ähnliche Schutzmechanismen sprechen für die Erfüllung der Nr. 2.

Geld in Automaten: Das Geld in Waren-, Glücksspiel- oder Wechselautomaten ist durch den Automaten selbst besonders gesichert. Aber: Nur wer die Sicherung überwindet (z. B. durch Aufbrechen oder Manipulation), erfüllt Nr. 2. Wer bloß durch Tricksen den normalen Ausgabemechanismus ausnutzt, z. B. durch falsche Münzen oder Tesafilmtricks, fällt nicht darunter. Gibt es jedoch einen speziellen Prüfmechanismus, der überwunden wird, ist Nr. 2 wieder einschlägig.

Gewerbsmäßigkeit

Jetzt schauen wir uns mal die Gewerbsmäßigkeit in Nr. 3 an – ein echter Klassiker, der gern in Klausuren abgefragt wird.

Gewerbsmäßig handelt jemand, der sich durch wiederholte Tatbegehung – hier: wiederholte Diebstähle – eine Einnahmequelle schaffen will, die nicht nur kurz aufflackert, sondern von einiger Dauer und ordentlichem Umfang ist. Kurz gesagt: Es geht darum, dass der Täter durch ständiges Klauen seinen Lebensunterhalt aufbessern oder finanzieren möchte.

Und jetzt ein wichtiger Punkt: Sobald jemand diesen Plan gefasst hat, reicht schon die erste Tat aus, um von gewerbsmäßigem Handeln zu sprechen – auch wenn er danach nie wieder etwas klaut. Entscheidend ist die Absicht, nicht die spätere Umsetzung. Merke Dir: Der Täter muss vorhaben, sich immer wieder auf diese Weise Geld oder Wertgegenstände zu verschaffen. Wer nur einmal klaut und die Beute anschließend Stück für Stück verkauft, handelt nicht gewerbsmäßig – da fehlt der Wille zur wiederholten Begehung.

Wie sieht’s bei mehreren Tätern aus? Wenn mehrere Leute zusammenarbeiten und einer von ihnen gewerbsmäßig handelt, dann kann dieses persönliche Merkmal über § 28 Abs. 2 StGB berücksichtigt werden. Heißt: Die Strafe wird dann je nach individuellem Vorsatz angepasst.

Religionsausübung

Hier schützt das Gesetz mit Nr. 4 besonders wertvolle Gegenstände, die direkt für den Gottesdienst oder die religiöse Verehrung gedacht sind. Dazu zählen zum Beispiel Kelche, Monstranzen, Kreuze oder Leuchter. Auch Reliquien oder Heiligenbilder fallen darunter.

Aber Achtung: Nicht alles, was irgendwie in einer Kirche oder Moschee herumsteht, ist automatisch geschützt! Sachen wie Inventar, Opferstöcke oder Kunstwerke ohne klaren religiösen Bezug sind nicht von dieser Vorschrift erfasst. Für Kunstwerke könnte eventuell Nr. 5 greifen – da schauen wir gleich genauer hin.

Wissenschaft, Kunst oder Geschichte

Jetzt wird’s kulturell: Wissenschaft, Kunst oder Geschichte (Nr. 5). Hier geht es um besonders bedeutende Sachen, die der Allgemeinheit zugänglich gemacht wurden. Also keine geheimen Privatsammlungen, sondern öffentliche Ausstellungen, Museen, Bibliotheken und ähnliche Einrichtungen.

Beispiele: Ein altes Manuskript, das in einer Universitätsbibliothek liegt. Ein berühmtes Gemälde, das im Museum hängt. Ein historisches Schwert in einer öffentlichen Ausstellung.

Wichtig: Die Sachen müssen wirklich öffentlich zugänglich sein – es reicht nicht, wenn sie bloß irgendwo existieren. Wenn jemand eine antike Statue aus einer privaten Villensammlung klaut, greift dieser Qualifikationstatbestand nicht.

Hilflosigkeit

Jetzt geht’s ans Eingemachte: Hilflosigkeit. Hier schützt das Gesetz mit Nr. 6 Menschen, die besonders schwach oder schutzlos sind. Also zum Beispiel Personen, die blind, krank, betrunken oder ohnmächtig sind.

Ganz wichtig: Hohes Alter allein genügt nicht. Auch wer einfach nur schläft, gilt nicht als hilflos im Sinne dieser Vorschrift. Der Schlaf ist schließlich ein ganz normaler Zustand – keine außergewöhnliche Schwäche.

Was will das Gesetz hier eigentlich verhindern? Der Täter nutzt gezielt die aufgeweichte Schutzposition des Opfers aus. Gerade weil die Person hilflos ist, fällt es ihm leichter, die Tat zu begehen. Und: Auch wer Menschen bestiehlt, die versuchen, anderen Hilflosen zu helfen, fällt hier drunter. Beispiel: Ein Sanitäter wird während der Rettung eines Ohnmächtigen beklaut.

Handfeuerwaffe

Zum Schluss mit § 243 Abs. 1 Nr. 7 StGB noch was richtig Gefährliches: Handfeuerwaffen und Sprengstoff.

Hier wird’s ernst: Wer eine schussfähige Handfeuerwaffe oder Sprengstoff klaut, begeht eine besonders schwere Tat – und zwar unabhängig davon, ob er das Zeug sofort einsetzen kann oder nicht. Allein der Besitz ist schon brandgefährlich.

Handfeuerwaffen sind dabei alle Schusswaffen, die man locker mit der Hand bedienen kann: Pistolen, Revolver, Gewehre und so weiter.

Und noch ein Spezialfall: Wenn die Waffe funktionsfähig ist, greifen sogar noch schärfere Strafvorschriften: § 244 Abs. 1 Nr. 1a Alt. 1 StGB. Dahinter tritt dann § 242 i. V. m. § 243 Abs. 1 2 Nr. 7 StGB im Wege der Spezialität zurück.

Geringwertigkeitsklausel

Wenn wir uns die Geringwertigkeitsklausel in § 243 Abs. 2 StGB anschauen, dann haben wir es im Grunde mit einer Art Jokerkarte zu tun. Die besondere Schwere eines Diebstahls, die normalerweise durch die Regelbeispiele im ersten Absatz festgezurrt wird, kann durch § 243 Abs. 2 StGB einfach wieder weggewischt werden – außer natürlich bei dem Spezialfall aus § 243 Abs. 1 S. 2 Nr. 7 StGB, den der Gesetzgeber ausdrücklich ausgespart hat. Das bedeutet für Dich: Wenn es um eine geringwertige Sache geht, dann soll ausnahmsweise auch bei Vorliegen eines Regelbeispiels keine besonders schwere Bestrafung greifen.

Jetzt kommt aber eine kleine Stolperfalle, die Dir in Prüfungen immer wieder begegnen wird: Der Wortlaut des § 243 Abs. 2 StGB bezieht sich nur auf die „besonders schweren Fälle“ aus S. 2 des ersten Absatzes. Für die unbenannten schweren Fälle aus S. 1 sagt er auf den ersten Blick: Nö, hier nicht. Viele finden das ehrlich gesagt ziemlich schief und argumentieren, dass diese Beschränkung ein Versehen des Gesetzgebers ist. Denn warum sollte es leichter sein, die benannten Fälle auszuschließen als die unbenannten? Klingt nicht logisch, oder? Deswegen erstrecken viele Stimmen, völlig zu Recht, die Geringwertigkeitsklausel großzügig auch auf die unbenannten schweren Fälle in S. 1.

Und was genau ist jetzt „geringwertig„? Auch darauf solltest Du eine klare Antwort parat haben. Entscheidend ist, wie übrigens auch bei § 248a StGB, der Verkehrswert der Sache, also was Du im normalen Handel dafür bekommen würdest. Früher lag die Grenze bei ungefähr 50 D-Mark, also rund 25 Euro. Heute diskutieren viele darüber, ob man 30 Euro ansetzen sollte. Aber angesichts der Preisentwicklungen spricht vieles dafür, 50 Euro als neue Obergrenze anzusetzen. Alles darunter ist geringwertig. Wenn Du also zum Beispiel einen Firmenstempel oder einen Briefbogen stiehlst, obwohl Du damit einen millionenschweren Betrug anleiern willst, bleibt die Sache geringwertig. Es zählt eben nur der objektive Verkaufswert, nicht das, was Du damit anstellen könntest.

Vorsicht aber bei Sachen, die überhaupt keinen messbaren Verkehrswert haben. Strafakten, Ausweise, Scheckformulare, Girokarten oder andere Codekarten gehören dazu. Hier hilft Dir die Geringwertigkeitsklausel nicht weiter. Wer so etwas mopst, bleibt im Regelbeispiel hängen und bekommt keinen Bonus.

Damit sind wir bei einem richtig beliebten Prüfungsdetail angekommen: der objektiven und subjektiven Geringwertigkeit. Beide müssen zusammen vorliegen. Es reicht also nicht, wenn eine Sache objektiv geringwertig ist, der Täter sie aber für unglaublich wertvoll hält – oder andersherum. Nur wenn sowohl nach den tatsächlichen Umständen als auch nach Tätervorstellung die Sache geringwertig ist, kannst Du § 243 Abs. 2 StGB anwenden.

Beispiel: Stell Dir A vor, der in eine Wohnung einbricht, weil er glaubt, eine unbezahlbare Vase klauen zu können. In Wirklichkeit ist das Ding aber nur 20 Euro wert. Auch wenn A sich mächtig geirrt hat, kommt § 243 Abs. 2 StGB nicht zur Rettung. Umgekehrt, wenn A denkt, die Vase sei Ramsch, sie aber tatsächlich ein Vermögen kostet, hilft ihm das Missverständnis auch nicht.

Ein weiteres heißes Eisen ist die Frage, was passiert, wenn sich der Vorsatz während der Tat ändert. Vielleicht bricht A ein, um eine billige Flasche Wein zu klauen, entscheidet sich dann aber, doch lieber den teuren Fernseher mitzunehmen. Oder er will den Fernseher und nimmt stattdessen die Flasche Wein. Hier sagen die meisten: Egal, was da passiert, solange der ursprüngliche Vorsatz nicht komplett über den Haufen geworfen wird, behandeln wir das Ganze als eine einheitliche Tat. Damit bleibt es beim besonders schweren Fall und § 243 Abs. 2 StGB hilft nicht.

Kritische Stimmen sehen das anders und wollen genauer hinschauen. Und ganz ehrlich: Sie haben einen Punkt. Nur wenn die Abweichung vom ursprünglichen Plan unwesentlich ist, sollen beide Tathandlungen als eine einzige Diebstahlstat zählen. Wenn der Täter aber seinen Plan radikal ändert oder sogar aufgibt und etwas völlig anderes stiehlt, dann haben wir zwei getrennte Taten.

Ein kleines Beispiel dazu: T bricht ein, weil er einen Computer stehlen will. Er findet keinen, wird sauer und trinkt stattdessen ein Bier aus dem Kühlschrank. Hier liegen zwei Taten vor. Der versuchte Computerdiebstahl als Einbruchdiebstahl und der tatsächliche Bierklau als normaler Diebstahl. Oder anders herum: Wenn T geplant hatte, 20 Euro zu stehlen, aber überraschend 100 Euro findet und mitnimmt, dann sind diese Abweichungen so klein, dass wir sie noch zusammenfassen können. Hier bleibt es bei einem Diebstahl in einem besonders schweren Fall.

Versuch

Wenn wir dann zum Versuch übergehen, gibt es noch ein paar Feinheiten, die Du draufhaben solltest. § 243 StGB ist eine Strafzumessungsregel, kein eigener Straftatbestand. Deshalb beurteilst Du Versuch und Rücktritt immer aus der Perspektive des Grunddelikts, also des § 242 StGB. Erst wird geschaut, ob ein Versuch im Sinne des § 22 StGB vorliegt – und das ist erst der Fall, wenn der Täter unmittelbar zur Wegnahme ansetzt. Das bloße Einbrechen reicht also noch nicht, auch wenn es in einem Regelbeispiel auftaucht. Der Versuch setzt erst an, wenn der Täter unmittelbar die Herrschaft über die Sache anstrebt.

Manchmal hast Du aber Fälle, in denen das Regelbeispiel vollendet ist, obwohl das Diebesgut gar nicht existiert. Beispiel: A bricht in eine Galerie ein, will ein bestimmtes Gemälde stehlen, findet es aber nicht. Das ist ein versuchter Diebstahl in einem besonders schweren Fall, weil das Einbrechen bereits abgeschlossen ist. Die Indizwirkung des Regelbeispiels zieht hier voll.

Spannend wird es, wenn sowohl das Grunddelikt als auch das Regelbeispiel nur versucht sind. Stell Dir vor, A will gerade in die Galerie einbrechen, wird aber ertappt, bevor er richtig drin ist. Der BGH sagt: Trotzdem versuchter Diebstahl in einem besonders schweren Fall, weil die Absicht zum Einbruch schon reicht. Viele Strafrechtsprofis sind hier anderer Meinung. Sie meinen, dass § 22 StGB den Versuch nur bei echten Tatbeständen erlaubt, und § 243 StGB ist nun mal nur eine Strafzumessungsvorschrift. Wenn das Regelbeispiel nicht vollendet wird, kann es auch seine Indizwirkung nicht entfalten. Das heißt: Allein die §§ 242 und 22 StGB sind anwendbar, und ob ein unbenannter schwerer Fall vorliegt, musst Du selbst durch Gesamtwürdigung entscheiden.