​Der Diebstahl gemäß § 242 StGB ist ein zentrales Delikt im deutschen Strafrecht, das sowohl das Eigentum als auch den Gewahrsam schützt.

Fremde bewegliche Sache

Sache

Unter einer Sache im Sinne des § 242 StGB versteht man jeden körperlichen Gegenstand gemäß § 90 BGB, unabhängig von seinem Aggregatzustand.

Dazu zählen sowohl wertvolle als auch wirtschaftlich wertlose Gegenstände. Nicht als Sachen gelten hingegen elektrische Energie, Strahlen sowie elektronisch oder magnetisch gespeicherte Daten. Für den Diebstahl elektrischer Energie wurde daher § 248c StGB geschaffen. ​

Beweglichkeit

Eine Sache ist beweglich, wenn sie tatsächlich fortbewegt werden kann.

Auch unbewegliche Sachen, die zum Zwecke der Wegnahme beweglich gemacht werden, wie beispielsweise fest installierte Heizkörper oder Fenster, gelten als beweglich im Sinne des § 242 StGB.​

Fremdheit

Eine Sache ist fremd, wenn sie nicht im Alleineigentum des Täters steht und nicht herrenlos ist.

Dies umfasst auch Sachen im Mit- oder Gesamthandseigentum eines anderen. Herrenlos sind Sachen, an denen Eigentum entweder nie bestanden hat oder bei denen der Eigentümer in der Absicht, auf das Eigentum zu verzichten, den Besitz aufgibt (Dereliktion gemäß § 959 BGB). ​

Besondere Fallgestaltungen

Tiere

Tiere gelten strafrechtlich als Sachen, da sie eigentumsfähig sind und somit dem Schutz des § 242 StGB unterfallen. Obwohl § 90a S. 1 BGB die Sacheigenschaft von Tieren verneint, ordnet § 90a S. 3 BGB eine entsprechende Anwendung der für Sachen geltenden Vorschriften an. Daher sind Tiere als taugliche Tatobjekte des Diebstahls anzusehen.​

Leichen und Körperteile

Der lebende Mensch ist keine Sache und somit nicht taugliches Tatobjekt. Mit dem Tod ändert sich dies; der Leichnam stellt nach herrschender Meinung eine Sache dar, ist jedoch grundsätzlich herrenlos.

Implantate, die dauerhaft im Körper verbleiben, wie Herzschrittmacher, gelten nach ihrer Entnahme als Sachen und können somit Gegenstand eines Diebstahls sein, sofern sie nicht herrenlos sind.​

Containern

Beim Containern, also dem Entnehmen weggeworfener Lebensmittel aus Abfallcontainern, ist die Fremdheit der Sachen umstritten. Nach herrschender Meinung liegt keine Dereliktion vor, da der Eigentümer nicht ausdrücklich auf sein Eigentum verzichtet hat. Daher sind die entnommenen Lebensmittel als fremd anzusehen, und eine Strafbarkeit wegen Diebstahls ist möglich. ​

Automatenfälle

Bei Warenautomaten bleibt die Ware bis zur vollständigen Bezahlung im Eigentum des Automatenaufstellers. Nutzt ein Täter einen Defekt des Automaten aus, um an die Ware zu gelangen, liegt eine Wegnahme einer fremden Sache vor.​

Schwarztanken

Beim Schwarztanken, also dem Betanken eines Fahrzeugs ohne Bezahlung, ist die Wegnahme problematisch, da der Kraftstoff mit dem Einfüllen in den Tank in das Eigentum des Täters übergeht (§ 948 BGB, d. h. gesetzlicher Eigentumserwerb durch Vermischung). Hier könnte eher ein Betrug in Betracht kommen.​

Wegnahme

Im Kern geht’s bei der Wegnahme darum, dass jemand fremden Gewahrsam bricht und dabei einen neuen begründet – ob der neue Gewahrsam dann zum Täter gehört oder nicht, ist erstmal egal.

Hauptsache: der bisherige Inhaber verliert die tatsächliche Kontrolle über die Sache, und jemand anders übernimmt sie.

Fremder Gewahrsam

Damit Gewahrsam überhaupt vorliegt, braucht es zwei Dinge: jemand muss tatsächliche Sachherrschaft haben – also Zugriff auf die Sache im Alltag –, und er oder sie muss das Ganze auch wollen: Ohne diesen natürlichen Herrschaftswillen geht da gar nichts.

Verkehrsauffassung

Jetzt wird’s spannend: Gewahrsam und Eigentum sind zwei komplett verschiedene Paar Schuhe. Nur weil jemand zivilrechtlich der Eigentümer ist, heißt das noch lange nicht, dass er auch Gewahrsam hat. Und umgekehrt kann jemand Gewahrsam haben, obwohl ihm die Sache gar nicht gehört. Es zählt also nicht, was im Grundbuch oder im Vertrag steht, sondern wie es im Alltag tatsächlich aussieht.

Ein Beispiel: Nach § 857 BGB geht der Besitz automatisch auf den Erben über. Klingt erstmal logisch – aber heißt das auch, dass der Erbe Gewahrsam hat? Nö. Denn mit dem Tod des ursprünglichen Besitzers endet auch dessen Gewahrsam. Und wenn die Erben noch gar keine Möglichkeit hatten, die Herrschaft über die Sache auszuüben – etwa weil sie noch nichts davon wissen –, dann gibt’s eben auch keinen neuen Gewahrsam. In solchen Fällen liegt kein vollendeter Diebstahl vor, sondern nur ein untauglicher Versuch. Wenn sich der Täter die Sache dann einfach nimmt, kann das allerdings eine Unterschlagung nach § 246 Abs. 1 StGB sein.

Und: Wenn Du im Urlaub bist, verlierst Du nicht automatisch den Gewahrsam an den Dingen in Deiner Wohnung. Die bleiben – nach den allgemeinen Lebensanschauungen – in Deinem Machtbereich. Solange jemand normalerweise ungehindert auf eine Sache zugreifen kann, besteht Gewahrsam. Dabei ist es egal, ob er die Sache gerade nutzt oder überhaupt daran denkt. Auch Schlaf oder räumliche Distanz machen dem Gewahrsam keinen Strich durch die Rechnung.

Gewahrsamswille

In vielen Situationen funktioniert das Ganze sogar mit einem generellen Willen. Beispiel: Du hast einen Briefkasten an Deinem Haus. Klar, dass Du Gewahrsam an den eingeworfenen Briefen hast – auch wenn Du beim Einwurf gerade nicht danebenstehst. Ähnlich sieht’s mit Paketen oder mit verlorenen Gegenständen aus, die jemand auf Deinem Grundstück findet. Wenn Du einen Machtbereich hast, in dem sich die Sache befindet, und Du grundsätzlich willst, dass das Dein Bereich ist, kann auch das für Gewahrsam reichen.

Beispiel: Eine Kinoanweiserin findet nach der Vorstellung eine verlorene Jacke. Wenn sie die nicht abgibt, sondern für sich behält, ist das ein Diebstahl – weil die Jacke im Machtbereich des Kinos liegt und der Kinobetreiber den generellen Willen hat, die dort befindlichen Sachen zu verwahren.

Behältnisse und Schlüsselgewalt

Jetzt wird’s knifflig: Wer hat Gewahrsam an dem, was in verschlossenen Behältnissen liegt? Es kommt drauf an. Bei ortsfesten Behältnissen wie Tresoren oder Schließfächern spricht vieles dafür, dass derjenige mit dem Schlüssel auch Gewahrsam hat – entweder allein oder gemeinsam mit dem Betreiber, etwa wenn man bei einem Bankschließfach ohne dessen Hilfe gar nicht drankommt.

Bei beweglichen Behältnissen (Koffer, Schmuckkästchen) sieht’s meist anders aus: Wer das Ding verwahrt, hat die tatsächliche Sachherrschaft, und damit den Alleingewahrsam.

Mehrere Gewahrsamsinhaber

In vielen Fällen teilen sich mehrere Personen die Verfügungsgewalt über eine Sache. Eine Wegnahme liegt immer dann vor, wenn der Täter den übergeordneten oder gleichberechtigten Gewahrsam eines anderen bricht – egal, ob er ein Außenstehender ist oder selbst Mitgewahrsamsinhaber. Nur beim untergeordneten Gewahrsam wird’s tricky: Wer nur im Auftrag oder als Hilfsperson agiert, hat keinen echten Gewahrsam. Und dann fehlt’s an der Wegnahme.

Ein Klassiker: Ehepaare in einer gemeinsamen Wohnung. Beide haben gleichberechtigten Mitgewahrsam an gemeinsam genutzten Sachen – die Playstation gehört also beiden, nicht nur dem, der sie gekauft hat.

Besitzdiener und untergeordneter Gewahrsam

Besitzdiener sind Personen, die zwar Zugriff auf eine Sache haben, aber nur, weil sie für jemand anderen handeln. Typische Beispiele sind Angestellte oder Hauspersonal. Diese Leute haben in aller Regel nur untergeordneten Gewahrsam – und können daher sehr wohl einen Diebstahl begehen, wenn sie eigenmächtig etwas an sich nehmen.

Beispiel: Ein Verkäufer in einem Supermarkt nimmt eine Flasche Wein mit nach Hause. Auch wenn er ständig damit zu tun hat – Gewahrsam hat der Filialleiter oder Abteilungsleiter, nicht er. Anders sieht’s beim Kassierer aus, der die Kasse allein betreut: Der hat nach der Verkehrsauffassung Alleingewahrsam am Kasseninhalt. Wenn er sich daraus bedient, begeht er keine Wegnahme – sondern eine Unterschlagung. Auch Kellner, die mit der eigenen Geldbörse arbeiten, gehören zu dieser besonderen Gruppe.

Ende des Gewahrsams

Gewahrsam endet, wenn entweder die tatsächliche Sachherrschaft aufhört oder der Herrschaftswille aufgegeben wird.

Das ist zum Beispiel dann der Fall, wenn jemand etwas verliert – etwa das Handy aus der Hosentasche rutscht und man’s erst Tage später merkt. Aber Achtung: Wenn man etwas nur vergisst, ist das was anderes. Solange man weiß, wo es liegt, und es theoretisch ohne Probleme zurückholen könnte, besteht der Gewahrsam weiter.

Beispiel: Student S lässt seine Mappe nach einem Date auf der Parkbank liegen, merkt das auf dem Heimweg und rennt zurück – zu spät. Ein anderer hat sie sich geschnappt. Da S wusste, wo die Mappe war, bestand sein Gewahrsam fort – und der Finder hat sich nach § 242 StGB strafbar gemacht. Hätte sich S allerdings gar nicht mehr erinnert, wäre die Mappe gewahrsamslos gewesen – dann geht’s in Richtung Fundunterschlagung (§ 246 Abs. 1 StGB). Und falls die Mappe etwa in der Bahn vergessen wurde, könnte der Gewahrsam auf den Verkehrsbetrieb übergegangen sein – dann ist ein Diebstahl wieder möglich.

Gewahrsamsinhaber

Nur Menschen können Gewahrsam haben. Genauer: nur natürliche Personen, also auch Kinder, Geisteskranke, Schlafende oder Bewusstlose. Juristische Personen hingegen wie GmbHs, Behörden oder Institutionen können keinen eigenen Willen im strafrechtlichen Sinn bilden – aber dahinter steckt immer ein Mensch: ein Geschäftsführer, ein Amtsleiter, ein Angestellter.

Begründung neuen Gewahrsams

Wenn wir über Wegnahme sprechen, gehört zur Geschichte immer auch ihr zweites Kapitel: Der alte Gewahrsam muss nicht nur gebrochen werden – es muss auch ein neuer entstehen. Und das ist nicht bloß ein juristischer Automatismus. Entscheidend ist, ob der Täter die tatsächliche Kontrolle über die Sache so erlangt hat, dass der ursprüngliche Besitzer nicht mehr drankommt, ohne diese Kontrolle aktiv zu durchbrechen. Klingt abstrakt? Dann machen wir’s konkret:

Gewahrsamsenklave

Stell Dir vor, jemand greift im Laden ein Päckchen Kaugummi und schiebt es sich unauffällig in die Hosentasche. Von außen ist es nicht mehr zu sehen, der Arm ist locker, niemand greift ein. In diesem Moment – obwohl der Dieb noch im Laden steht – hat er die Sache in seine höchstpersönliche Sphäre überführt. Nach der allgemeinen Lebensanschauung ist das bereits ein Gewahrsamswechsel. Die Verkäuferin müsste ihm jetzt in die Tasche greifen, um das Päckchen zurückzubekommen – und genau das ist der Punkt: Unsere Körpersphäre ist ein Tabubereich. Und den zu durchbrechen ist kein Spaziergang.

In solchen Fällen sprechen wir von einer Gewahrsamsenklave. Auch wenn der Täter sich noch im Machtbereich des Ladens befindet, zählt das Verstecken in Körpernähe oder in mitgeführten Taschen oft schon als Begründung neuen Gewahrsams – besonders bei kleinen, handlichen Gegenständen. Typische Beispiele: Zigarettenschachtel in der Jackentasche, Schmuck in der Faust, zwei Sakkos geschickt unter dem Mantel versteckt, sogar unter Beobachtung durch eine Kamera. Ob da ein Sicherungsetikett piept, ist juristisch gesehen erstmal zweitrangig.

Und klar: Das gilt nicht für den ganz normalen Kunden, der sich sein Handy in die Jackentasche steckt, um beim Einkaufen beide Hände frei zu haben. Denn der meint’s nicht böse. Der respektiert den fremden Gewahrsam.

Gewahrsamswechsel im Kaufhaus

Was aber, wenn die Ware nicht versteckt, sondern einfach in den Einkaufswagen gelegt und mit einem Pullover abgedeckt wird – um sie später an der Kasse vorbeizuschmuggeln? Da sieht’s anders aus. Solange das Ganze sichtbar im Wagen liegt, passiert noch nichts. Erst wenn der Täter mit dem Wagen die Kasse hinter sich lässt oder das Personal den Kaufvorgang abschließt, kippt die Herrschaft. Selbst dann kann es sich noch ein paar Meter hinauszögern – etwa, wenn ein Hausdetektiv erst außerhalb des Kassenbereichs eingreift. Im Klartext: Die genaue Grenze ist oft eine Sache des Einzelfalls. Das Leben schreibt hier die feineren Regeln, nicht der Gesetzestext.

Das gilt übrigens auch, wenn der Täter im Laden heimlich die Verpackung öffnet, und z. B. mit Zubehör ergänzt. Der Gewahrsamswechsel bezüglich des gesamten Inhalts findet dann auch erst an der Kasse statt. Ob das Zubehör an der Kasse im Wege der Wegnahme (§ 242 StGB) oder der täuschungsbedingten Verfügung (§ 263 StGB) erlangt wird, ist allerdings umstritten.

Gewahrsamswechsel außerhalb des Ladenbereichs

Und wie sieht’s außerhalb von Geschäften aus? Nehmen wir den Klassiker: Diebstahl aus der Wohnung. Hier gilt im Grunde das Gleiche. Wer etwa Schmuck in die Hosentasche steckt oder Geldscheine in der Hand verkrampft, während er noch im Flur steht, hat unter Umständen schon Gewahrsam begründet. Allerspätestens mit dem Verlassen der Wohnung ist die Tat vollendet – egal ob Einfamilienhaus oder umzäuntes Grundstück.

Grenzfälle gibt’s natürlich auch: In einem kuriosen Fall wollten Täter einen 300-Kilo-Tresor klauen, hatten ihn bereits fünf Meter weit durchs Gelände geschleppt und wollten ihn gerade auf ein Transportfahrzeug laden. Trotzdem entschied der BGH: Versuch, nicht Vollendung. Warum? Die bloße Ortsveränderung reichte hier noch nicht für einen Gewahrsamswechsel.

Verstecken

Und was ist mit dem Trick 17: Verstecken innerhalb des fremden Machtbereichs, etwa in Regentonnen auf dem Außengelände eines Baumarkts? Klingt clever, funktioniert aber nicht automatisch. Nur wenn der Täter jederzeit ungestört Zugriff auf sein Versteck hat, kann man von einer Gewahrsamsenklave sprechen. Wenn das Gelände hingegen umzäunt ist und geschlossen wird, fehlt dieser ungehinderte Zugriff – und damit der neue Gewahrsam.

Gewahrsamslockerungen

Jetzt wird’s subtil. Es gibt Situationen, in denen zwar noch kein Gewahrsamswechsel stattgefunden hat, aber der ursprüngliche Inhaber die Sache schon etwas aus der Hand gegeben hat – gewissermaßen eine Lockerung seines Gewahrsams. Stell Dir vor, jemand bittet Dich: „Kannst Du das kurz festhalten?“ Oder der Juwelier sagt: „Probier den Ring ruhig mal draußen bei Tageslicht an.“ Noch liegt kein Gewahrsamswechsel vor. Der Ring bleibt rechtlich beim Juwelier.

Doch was, wenn Du mit dem Ring auf Nimmerwiedersehen verschwindest? Dann ist das ein ganz normaler Diebstahl – kein Betrug, obwohl Du vielleicht ein bisschen geschwindelt hast. Denn getäuscht wurde nicht über eine Vermögensverfügung, sondern nur über die Absicht, zurückzukommen.

Noch krasser wird’s, wenn der Täter das Herausgabeverlangen dann mit Gewalt abwehrt. Ein Beispiel: T täuscht O vor, er wolle kurz mit dem Handy nach einem verlorenen Schlüssel suchen. O überlässt ihm das Gerät, T steckt es ein. Als O es zurückverlangt, bekommt er einen Faustschlag. In dem Moment haben wir einen klassischen Fall von vollendetem Diebstahl (§ 242 StGB), gefolgt von räuberischem Diebstahl (§ 252 StGB), kombiniert mit Körperverletzung (§ 223 StGB).

Oder noch ein Tacken brutaler: Der Täter erschwindelt sich das Handy mit dem Vorwand, nur schnell telefonieren zu wollen, wird aber beim Weglaufen gestellt – und bedroht den Verfolger mit einem Messer. Auch hier: § 242 StGB für die Wegnahme, § 252 StGB in Tateinheit mit § 250 Abs. 2 Nr. 1 Alt. 2 StGB (schwerer Raub) für die Verteidigung mit der Waffe.

Was wir daraus mitnehmen? Die Grenze zwischen Versuch, Vollendung und anderen Delikten hängt oft an kleinen Details. Wie gut das Versteck ist, ob der Zugriff ungehindert bleibt oder wie der Täter sich verhält, wenn’s eng wird. Aber mit einem Blick für die Lebenswirklichkeit lassen sich auch diese Fragen lösen.

Bruch fremden Gewahrsams

Wenn Du etwas wegnimmst, was jemand anderem gehört, musst Du dem anderen die tatsächliche Sachherrschaft entreißen. Das geht nicht einvernehmlich, sondern nur ohne oder gegen den Willen. Dieser Moment – wenn der Täter sich etwas nimmt, ohne dass der, dem es gehört, damit einverstanden ist – das ist der Bruch fremden Gewahrsams. Und genau der ist es, den das Gesetz meint, wenn es von Wegnahme spricht.

Einverständnis

Aber: Wenn ein Einverständnis vorliegt, fehlt es schon an der Wegnahme. Dann ist der Gewahrsam nämlich nicht gebrochen, sondern freiwillig abgegeben worden. Juristisch nennt man das ein tatbestandsausschließendes Einverständnis. Und dieses Einverständnis muss gar nicht ausdrücklich formuliert werden – es reicht, wenn der Gewahrsamsinhaber innerlich sagt: „Passt schon“, selbst wenn der Täter davon gar nichts weiß. Das geht auch leise, still, heimlich. Hauptsache: gewollt.

Und jetzt wird’s interessant: Selbst wenn das Einverständnis mit einer Lüge, mit Druck oder mit sanftem Zwang (juristisch: vis compulsiva) erschlichen wurde, zählt das erstmal trotzdem. Denn auch dann ist es eine willentliche Gewahrsamsübertragung. Und wo die vorliegt, kann kein Bruch passieren – denn Bruch und freiwillige Übergabe schließen sich aus.

Auf die natürliche Einsichtsfähigkeit kommt es an. Kinder, Besoffene, Demente – wenn sie den Willen fassen können, Dir das Handy, das Bargeld oder den Einkaufskorb zu überlassen, dann ist das ein gültiges Einverständnis.

Und wie sieht das bei stiller Beobachtung aus? Wenn der Kaufhausdetektiv zuschaut, wie Du die Uhr einsteckst, sie aber nicht aufhält – ist das dann eine stille Zustimmung? Nein. Bloßes Zusehen heißt noch lange nicht: „Ich bin einverstanden.“ Da muss schon mehr kommen.

Klassiker: Die präparierte Diebesfalle. Du kennst sie vielleicht – ein präparierter Geldschein mit Farbe oder Chemie, extra so hingelegt, dass der Langfinger ihn aufnimmt. Und dann zack, ist die Spur da. Hier gibt’s aber keine Wegnahme im juristischen Sinn. Warum? Weil der Berechtigte – der Besitzer – ganz genau wollte, dass jemand zugreift. Der hat also ein Einverständnis erklärt, und damit ist keine Wegnahme mehr da. Das führt dazu, dass höchstens ein Versuch bestraft wird – wenn überhaupt.

Bedingtes Einverständnis

Jetzt wird’s spannend: Was ist, wenn jemand zwar grundsätzlich einverstanden ist, aber nur unter bestimmten Bedingungen? Diese Konstruktion nennt sich das bedingte Einverständnis.

Stell Dir einen Warenautomaten vor: Der Aufsteller ist nur dann mit dem Gewahrsamswechsel einverstanden, wenn der Automat auch korrekt bedient wird – also: Geld rein, Knopf drücken, Ware raus. Sobald Du da mit Falschgeld hantierst, mit Draht herumstocherst oder andere Tricks versuchst, fehlt genau dieses Einverständnis. Das Ergebnis: Du nimmst die Ware gegen den Willen des Berechtigten. Und das ist Diebstahl.

Beispiel: A bastelt sich einen Tesa-Trick. Er verlängert einen echten 100-Euro-Schein mit Tesafilm, steckt ihn in den Geldwechsler, zieht ihn wieder raus – das Geld fällt trotzdem raus. Hat er was weggenommen? Ja. Denn der Automat wurde nicht ordnungsgemäß bedient. Es lag kein Einverständnis vor, also ist der Tatbestand des Diebstahls erfüllt. Zwar liegt hier laut h. M. kein besonders schwerer Fall des § 243 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 StGB vor – aber wegen der 7.600 Euro Beute sah das OLG Düsseldorf in der Nummer doch einen besonders schweren Fall, halt eben „unbenannt„.

Wenn der Täter aber den Automaten technisch korrekt bedient – mit Münzen, die akzeptiert werden, mit Karte und richtiger PIN – dann liegt ein Einverständnis vor, und es fehlt an einer Wegnahme. Auch wenn die innere Haltung des Täters „Ich zahl auf keinen Fall“ ist – solange die Bedingungen des Automaten erfüllt sind, fehlt es am Bruch des Gewahrsams. Beispiele: Tanken an der Selbstbedienungssäule ohne bezahlen zu wollen – kein Gewahrsamsbruch. Spielautomat wird korrekt „leerprogrammiert“ – auch kein Bruch. Mit fremder, aber autorisierter Karte samt PIN Geld abheben – dito.

Und jetzt zur neuen Variante, die den BGH beschäftigt: Der Täter wartet, bis ein anderer die Karte und PIN am Bankautomaten eingegeben hat, drängelt sich dann rein – per Trick oder Gewalt – und schnappt sich das Geld. Frage: Liegt eine Wegnahme vor? Der eine BGH-Senat sagt: Nein, denn der Automat wurde korrekt bedient. Das Institut hat sein Einverständnis erklärt, also kein Bruch. Der andere Senat meint: Moment, das Einverständnis galt doch nur für den Berechtigten – wenn ein anderer das Geld nimmt, liegt ein Bruch vor.

Anderes Beispiel: T stößt K weg, wählt selbst 500 Euro, nimmt das Geld. Bricht er den Gewahrsam der Bank? Nein, sagen manche, weil die Bedienung korrekt war. Bricht er den Gewahrsam des Kunden? Auch das kann man verneinen, wenn der Kunde beim entscheidenden Moment keine Herrschaft mehr hatte. Der BGH nimmt in so einem Fall lieber § 255 StGB an – also räuberische Erpressung – weil Gewalt + Vermögensverfügung. Andere sagen: Da fehlt die echte Verfügung, also kein § 255 StGB. Einig ist man sich: Für § 263a StGB – also Computerbetrug – reicht’s nicht, weil Gewalt und Täuschung sich ausschließen.

Noch ein Fall: Der Täter bedient den Automaten korrekt, aber der ist defekt und gibt Ware raus, obwohl kein Geld eingezogen wurde. Wegnahme oder nicht? Die einen sagen: Kein Problem, der Automat wurde doch ordnungsgemäß bedient. Die anderen sagen: Moment mal – der Defekt ist doch außen sichtbar, und daran hat der Aufsteller sein Einverständnis geknüpft. Wenn der Automat keine Gegenleistung bekommt, will er die Ware nicht rausgeben – also kein Einverständnis – also: Wegnahme. Und damit liegt Diebstahl vor.

Zum Schluss noch die Sache mit den gefälschten Karten: Laut BGH liegt selbst dann eine ordnungsgemäße Bedienung vor, wenn der Täter auf die Karte echte Daten kopiert hat und die Maschine das nicht merkt. Andere sehen das anders – und ehrlich gesagt: Die haben recht. Denn der Automat hat seine Zustimmung nur für echte, autorisierte Karten erteilt. Wer also mit einer Fälschung kommt, bricht den Gewahrsam.

Selbstbedienungskassen

Ein spannender Sonderfall, der in den letzten Jahren immer häufiger durch die Gänge der Supermärkte geistert, sind diese kleinen SB-Kassen, bei denen wir unsere Ware selbst scannen, zahlen – und dann einfach rausgehen. Aber wehe, die Ware wird absichtlich nicht gescannt und das Ganze soll unbemerkt verschwinden. Oder wenn die Ware nicht mit dem vorgesehenen, sondern mittels eines anderen Strichcodes abgerechnet wird. Dann wird’s heikel. Denn hier wird in der Regel die Zueignungsabsicht bejaht – schließlich hat der Täter bewusst etwas mitgenommen, ohne zu bezahlen (bzw. ohne vollständig zu zahlen). Und sobald er den Kontrollbereich verlässt, kippt das Ganze dann ins Strafbare: Jetzt ist auch der neue Gewahrsam vollständig hergestellt, das Geschäft hat keine Möglichkeit mehr, die Sache aufzuhalten, und der Diebstahl ist vollendet. Zack, § 242 StGB erfüllt.

Besonders tricky: Auch wenn der Täter sich auf „Vergesslichkeit“ rausreden will, ist das nicht immer ein Freifahrtschein. Wenn zum Beispiel nur ein einziger Artikel bei einem Großeinkauf übersehen wurde, kann das tatsächlich mal als Versehen durchgehen. Aber wenn gleich mehrere Teile fehlen – oder vor allem teure Artikel betroffen sind – dann riechen Gerichte ziemlich schnell Lunte. Und das zurecht. Denn wer mit System trickst, steht am Ende eben doch mit einem Fuß im Strafrecht.

Zueignungsabsicht

Wenn jemand etwas klaut, reicht es nicht, dass er es einfach wegnimmt. Er muss auch vorhaben, es sich irgendwie „zu eigen“ zu machen. Und genau da kommt ein ziemlich spezielles Merkmal ins Spiel: die Zueignungsabsicht. Die gehört zum subjektiven Tatbestand, also zum Innenleben des Täters, und ist damit vom klassischen Vorsatz zu unterscheiden. Während der Vorsatz sagt: Ich weiß, was ich tue, und will es auch, geht’s bei der Zueignungsabsicht noch eine Stufe tiefer. Sie fragt: Was soll am Ende eigentlich aus der Sache werden? Und zwar aus Sicht des Täters – zum Zeitpunkt der Wegnahme.

Ob es am Ende tatsächlich zur Zueignung kommt, ist dabei erstmal egal. Der Täter kann die Sache zehn Sekunden später wegwerfen, sie verlieren oder wieder zurückgeben – wenn er sie ursprünglich behalten oder verwerten wollte, ist das entscheidend. Das Ganze nennt man auch eine „überschießende Innentendenz“ – klingt dramatisch, meint aber nur: Die Zueignungsabsicht steht für sich und hat keinen Anknüpfungspunkt im äußeren Geschehen. Kommt sie also erst nach der Wegnahme auf, ist der klassische Diebstahl nach § 242 StGB durch. Vielleicht kommt dann noch § 246 StGB (Unterschlagung) ins Spiel, aber das ist ein anderes Thema.

Was genau heißt „Zueignung“? Der Täter will den Eigentümer dauerhaft aus seiner Position verdrängen (das ist die Enteignung) und sich selbst wenigstens vorübergehend wie ein Eigentümer benehmen (das ist die Aneignung).

Das Interessante: Bei der Enteignung reicht es, wenn der Täter diesen Effekt billigend in Kauf nimmt – also dolus eventualis. Für die Aneignung dagegen muss schon ein handfester Plan da sein, ein zielgerichteter Wille – Absicht im engeren Sinne, juristisch: dolus directus 1. Grades. Warum dieser Unterschied? Ganz einfach: Der „normale“ Dieb hat es nicht immer auf den Eigentümer abgesehen, sondern auf die Sache. Und deshalb braucht es ein starkes subjektives Moment bei der Aneignung, sonst würde man viele klassische Diebe gar nicht erwischen.

Enteignungsvorsatz

Wichtig: Enteignung im strafrechtlichen Sinne hat nichts mit dem zu tun, was das BGB unter Eigentum versteht. Es geht hier nicht darum, ob der Täter dem Eigentümer das zivilrechtliche Eigentum endgültig wegnimmt (das wäre oft eh nicht möglich, siehe § 935 Abs. 1 BGB – kein gutgläubiger Erwerb von abhanden gekommenen Sachen). Es geht darum, ob er ihn faktisch auf Dauer aus seiner Sachherrschaft verdrängen will.

Und genau hier kommt es auf den Zeitpunkt der Wegnahme an: Will der Täter die Sache behalten, zurückgeben oder nur kurz benutzen? T versteckt die Geige seines Konkurrenten für die Dauer eines Musikwettbewerbs. Keine Enteignungsabsicht – weil er sie ja zurückgeben will. T nimmt das Schmuckstück seiner Ex-Freundin mit, um sie zur Rückkehr zu bewegen. Auch hier: keine Enteignungsabsicht, weil der Rückgabeplan echt ist. S nimmt einem Kommilitonen den Palandt weg, um damit die Hausarbeit zu schreiben – und plant, ihn danach wegzuwerfen. Zack: Enteignungsvorsatz liegt vor.

Im Gegensatz dazu: Wer etwas nur nutzen will, ohne es dauerhaft zu behalten, landet womöglich bei der bloßen Gebrauchsanmaßung (§ 248b StGB). Der entscheidende Unterschied ist wieder die Enteignung: Ohne den Willen zur dauerhaften Verdrängung gibt’s keinen Diebstahl.

Und was ist mit dem Täter, der was mitnimmt, um sich anzeigen zu lassen oder ins Gefängnis zu kommen? Auch spannend: Wenn er wirklich will, dass die Sache zurückkommt, fehlt es an der Enteignung.

Gegenstand der Zueignung

Jetzt wird’s philosophisch – jedenfalls ein bisschen. Was genau eignet sich der Täter eigentlich an? Die Sache selbst – oder den Wert, der in ihr steckt? Die h. M. sagt: Beides ist möglich. Und das führt uns zu zwei Denkmodellen:

  • Substanztheorie: Der Täter will sich die Sache selbst aneignen. Er will sie behalten, benutzen, verwerten, was auch immer – Hauptsache: Sie bleibt bei ihm.
  • Sachwerttheorie: Der Täter will nicht die Hülle, sondern das, was drinsteckt. Das kann ein Guthaben sein, ein Funktionswert, ein Anspruch, der in der Sache verkörpert ist.

Beispiele: T klaut eine Telefonkarte, telefoniert, legt sie zurück. Die Substanztheorie sagt: kein Diebstahl – die Karte kommt ja zurück. Die Sachwerttheorie sagt: doch, weil das Guthaben verbraucht wurde. Ergebnis: Diebstahl bejaht. Oder der Sparbuchfall: M nimmt das Sparbuch seiner Mitbewohnerin, hebt Geld ab und bringt es zurück. Auch hier: Die Substanztheorie scheitert, weil das Buch ja wieder da ist. Die Sachwerttheorie greift, weil das Guthaben geschrumpft ist – und das ist der wahre Wert.

Weitere typische Fälle: Der Täter nimmt einen Gutschein oder ein Clubgeld mit, um damit einzukaufen: Er entzieht den verkörperten Gegenwert. Oder: Er nimmt eine Eintrittskarte, Fahrkarte, Garderobenmarke – und nutzt sie. Die Karte bleibt zwar erhalten, aber ihr Wert wurde verwertet. Auch hier: Die Sachwerttheorie zieht.

Aber Vorsicht: Die Sachwerttheorie hat Grenzen. Nicht jeder Vorteil, den man mit einer Sache erzielen kann, reicht aus. Es muss ein unmittelbarer Wert in der Sache stecken. Wer zum Beispiel ein Auto „ausleiht“ und dabei Benzin verbraucht, kann nicht deswegen schon nach § 242 StGB verurteilt werden – sonst wird aus dem Eigentumsschutz plötzlich ein Schutz gegen wirtschaftliche Nachteile. Heißt konkret: Wer ein Auto für eine Spritztour klaut, muss es ordentlich beschädigen oder zurückbringen ohne echte Rückgabeabsicht, damit § 242 StGB greift. Eine bloße Nutzung, auch wenn sie teuer ist, reicht nicht.

Leergut-Fälle: Der Täter entwendet einem Geschäft Mehrweg-Leergut, um es beim selben Geschäft als eigenes Pfandgut zurückzugeben. Hier kommt es entscheidend auf die Eigentumsverhältnisse an: Handelt es sich um standardisiertes Leergut, das viele Hersteller verwenden können, so wird bei allen Rechtsgeschäften auch das Eigentum am Leergut (mit-)übertragen. Deshalb verläuft in dieser Konstellation die Lösung parallel zu den Rückverkaufs-Fällen, sodass die Zueignungsabsicht zu bejahen ist. Anders liegt es bei individualisiertem Leergut, das so gekennzeichnet ist, dass die Mehrwegflaschen als Eigentum eines bestimmten Herstellers erkennbar sind. Solche Pfandflaschen werden nur gebrauchsweise überlassen und verbleiben im Eigentum des bestimmten Herstellers. Folgt man dem, so fehlt hier dem Täter – freilich nur, sofern er subjektiv die Eigentumslage richtig einschätzt – entsprechend dem Dienstmützen-Fall (wo ein Soldat dem anderen am Ende seiner Dienstzeit eine Mütze entwendet, um sie bei der Ausmusterung als „seine“ zurückzugeben) der auf dauernde Enteignung gerichtete Vorsatz.

Aneignungsabsicht

Jetzt wird’s spannend: Die bloße Wegnahme reicht für einen Diebstahl nach § 242 StGB nicht. Es braucht noch mehr – nämlich eine ganz bestimmte innere Haltung des Täters zur Sache. Die Rede ist von der Aneignungsabsicht. Und die ist eine harte Nuss. Denn sie verlangt nicht nur irgendeinen Nutzen oder ein kurzfristiges Interesse an der Sache, sondern eine klare Ausrichtung: Der Täter muss entweder sich selbst oder einem Dritten die Sache „zueignen“ wollen – zumindest vorübergehend, aber mit einem ganz bestimmten Ziel: Eine eigentümerähnliche Position einzunehmen.

Diese Absicht ist nichts anderes als Vorsatz höchsten Grades – also dolus directus 1. Grades. Der Täter weiß genau, was er tut, und will auch genau das: Die Sache seinem oder einem anderen Vermögen zumindest vorübergehend einverleiben.

Selbst-Aneignung

Die klassische Konstellation: Der Täter nimmt die Sache und will sie selbst behalten oder benutzen. Und zwar nicht aus Versehen oder weil sie gerade so praktisch in der Hand lag – sondern mit voller Absicht. Entscheidend ist, dass er damit wie ein Eigentümer umgehen will, zumindest für eine Weile. Die zugrunde liegende Theorie nennt sich Substanztheorie – klingt sperrig, meint aber: Wer sich die Sache selbst einverleibt, sie für sich nutzt, verbraucht oder behalten will, der hat Aneignungsabsicht.

Ein Beispiel? Stell Dir vor, jemand nimmt ein fremdes Fahrrad, weil er damit nach Hause fahren will. Danach will er’s irgendwo stehen lassen. Das reicht schon – denn in dem Moment, wo er es nutzt, um seinen eigenen Zweck zu erfüllen, behandelt er es wie sein Eigentum. Genau das ist Aneignung.

Was nicht reicht, ist bloßes Wegnehmen ohne Interesse an der Sache selbst. Also: Wer etwas nur kaputt machen, wegwerfen oder verschwinden lassen will, handelt nicht mit Aneignungsabsicht. Der will zwar den Eigentümer loswerden (also: Enteignung), aber er will die Sache nicht selbst nutzen oder behalten.

Schauen wir uns mal ein paar typische Beispiele an, bei denen die Aneignungsabsicht gerade fehlt: A öffnet den Käfig von E, um dem Tier die Freiheit zu schenken. A klaut den Verlobungsring seiner Ex nur, um ihn ins Meer zu werfen. A stiehlt seine eigene Strafakte und verbrennt sie im Kamin. A nimmt ein peinliches Fotoalbum mit, durchsucht es, reißt Fotos raus, vernichtet sie und lässt den Rest irgendwo liegen. Oder: A nimmt ein fremdes Smartphone weg, nur um dem Eigentümer die Kommunikation zu erschweren. In all diesen Fällen fehlt der Wille, die Sache irgendwie für sich zu gebrauchen. Der Täter will nicht besitzen, sondern stören, vernichten, ärgern. Die Absicht ist also auf Enteignung gerichtet – nicht auf Aneignung.

Anders sieht’s aus, wenn die Sache zumindest vorübergehend genutzt wird. Dann wird’s interessant: Jemand klaut einen Pkw, fährt damit quer durch die Stadt und lässt ihn dann irgendwo stehen. Damenunterwäsche wird entwendet, um sie zu benutzen – wie auch immer – und später wegzuwerfen. Oder: Ein Brief wird mitgenommen, gelesen und dann verbrannt. In all diesen Fällen nutzt der Täter die Sache im eigenen Interesse, und das reicht. Selbst wenn die Nutzung nur kurz ist oder das Objekt danach entsorgt wird – in dem Moment des Gebrauchs liegt eine Aneignung vor.

Was ist mit Daten auf einem Smartphone? Das ist knifflig. Wenn der Täter das Handy stiehlt, nur um Fotos zu löschen oder zu kopieren, kann man sich fragen: Ist das schon Aneignung? Der BGH meint: Nein. Denn der Täter will das Handy nicht als solches – er will nur an die Daten ran. Das sei eine Gebrauchsanmaßung, keine Aneignung. Die Konsequenz: Kein Diebstahl, sondern eventuell Sachbeschädigung (§ 303 StGB), Datenveränderung (§ 303a StGB) oder Nötigung (§ 240 StGB), je nach Fallkonstellation.

Ein weiterer Ansatz ist die Sachwerttheorie: Danach reicht es aus, wenn sich jemand nicht die Sache selbst, sondern ihren Wert aneignen will – zum Beispiel bei Sparbüchern, Guthabenkarten oder Sachen, die durch Gebrauch ihren Wert verlieren. Aber: Auch hier gilt – der Täter muss den Wert für sich wollen, und zwar mit Absicht. Einfach nur Zugriff haben oder kurz mal reinschauen reicht nicht.

Dritt-Aneignung

Seit der Gesetzgeber mit dem 6. Strafrechtsreformgesetz 1998 die Drittzueignung ausdrücklich in § 242 StGB aufgenommen hat, ist klar: Auch wer nicht selbst, sondern für jemand anderen klaut, kann sich wegen Diebstahls strafbar machen. Wichtig ist: Der Täter muss im Moment der Wegnahme die klare Absicht haben, dass ein Dritter die Sache bekommt – so, wie wenn er sie selbst haben wollte.

Klingt erstmal einfach – ist es aber nicht immer. Denn entscheidend ist, wie aktiv der Täter dabei wird. Es reicht nicht, dass er hofft, der Dritte könnte sich die Sache nehmen. Der Täter muss selbst dafür sorgen, dass der Dritte eine Position bekommt, die der eines Eigentümers ähnelt – also quasi eine sachenrechtsähnliche Beziehung zur Sache herstellt.

Klassische Fälle: A nimmt Geld oder Gegenstände weg, um sie zu verschenken oder zu spenden. A verkauft fremde Sachen weiter – ob berechtigt oder nicht, ist dabei egal. Warum das zählt? Weil der Täter in diesen Fällen selbst auftritt, als wäre er der Eigentümer – er verfügt über die Sache, verschenkt sie, verkauft sie, spendet sie. Das ist eine Aneignung durch Anmaßung.

Nicht so eindeutig ist es, wenn jemand eine Sache einfach irgendwo deponiert und hofft, jemand anders wird sie schon nehmen. Hier fehlt die erforderliche Herrschaftsbegründung durch den Täter. Ohne aktives Zutun keine Drittzueignung.

Rechtswidrigkeit der Zueignung

Die Rechtswidrigkeit entfällt, wenn der Täter einen fälligen und einredefreien Anspruch auf Übereignung der weggenommene Sache hat.