Der Totschlag ist die Basics unter den vorsätzlichen Tötungsdelikten. Kein Mordmerkmal? Dann läuft’s in der Regel auf Totschlag hinaus. Der Mord nach § 211 StGB ist sozusagen die Deluxe-Version mit Extra-Merkmalen. Und der Zusatz „ohne Mörder zu sein“? Der steht zwar im Gesetzestext, aber den kannst Du gedanklich streichen – der bringt rechtlich null Mehrwert.
Mensch
Klingt banal, ist es aber nicht: § 212 StGB schützt das Leben eines Menschen – doch ab wann gilt jemand rechtlich als Mensch? Und wann endet dieser Schutz? Genau diese Fragen sind wichtig für den Totschlag. Hier klären wir, wann das Leben strafrechtlich beginnt, wann es endet und warum diese Abgrenzung mehr ist als bloße Theorie.
Beginn des Menschseins
Bevor wir jemanden „töten“ können, müssen wir wissen, wann jemand im strafrechtlichen Sinne überhaupt als Mensch gilt. Klingt erstmal banal, wird aber knifflig, wenn’s um Schwangerschaften, Frühchen und Kaiserschnitte geht.
Rein sprachlich könnte man denken, dass auch ein Embryo ein „Mensch“ ist – immerhin schützt das Grundgesetz auch das werdende Leben. Aber Strafrecht funktioniert da anders: Der Gesetzgeber hat für die Leibesfrucht extra Regeln gebastelt – die §§ 218 ff. StGB. Die sagen: Noch kein richtiger Mensch, sondern ein spezieller Schutzbereich.
Und wann ist’s dann so weit? Die herrschende Meinung folgt der Geburt. Genauer gesagt: den Eröffnungswehen. Wenn also der Körper der Mutter „loslegt“ und das Kind ausstoßen will, ist das der Moment, ab dem das Kind rechtlich als Mensch gilt. Beim Kaiserschnitt zählt der Moment, in dem der Uterus geöffnet wird.
Praxisbeispiel zum Nachdenken: Eine Frau ist schwanger. Der Arzt übersieht eine schwere Erkrankung, das Kind stirbt im Mutterleib – noch bevor die Wehen beginnen. Auch wenn die Behandlung fahrlässig oder sogar vorsätzlich falsch war, gibt es hier keine Strafbarkeit wegen Totschlags (§ 212 StGB) oder fahrlässiger Tötung (§ 222 StGB). Warum? Weil das Kind zum Zeitpunkt der tödlichen Einwirkung noch kein „Mensch“ im Sinne des Gesetzes war. Auch § 218 StGB hilft nicht weiter – der Arzt wollte ja nicht abtreiben. Die Handlung bleibt straffrei. Selbst wenn man über Körperverletzung an die Mutter nachdenken würde: Die herrschende Meinung sagt, das würde gegen das spezielle Schutzsystem der §§ 218 ff. StGB verstoßen. Also: Sperrwirkung. Ende der Diskussion.
Ende des Menschseins
Früher galt: Kein Herzschlag mehr = tot. Heute ist es der Hirntod – also der völlige und nicht mehr rückgängig zu machende Ausfall aller Hirnfunktionen. Warum? Weil wir sagen: Entscheidend ist, dass das „Personsein“ endet. Auch wenn Herz und Lunge noch künstlich arbeiten, ist der Mensch in diesem Moment rechtlich tot – z. B. für Organtransplantationen.
Ein anderer
Klingt erstmal wie eine Selbstverständlichkeit, aber hat große Folgen: Wer sich selbst tötet oder es versucht, bleibt straflos. Auch wer jemandem beim Suizid hilft, wird nicht bestraft – solange er nicht selbst Hand anlegt. Die Grenze verläuft also zwischen Mitwirkung (straffrei) und Fremdtötung (strafbar).
Töten
Ein Mensch wird getötet, wenn durch eine Handlung (oder ein Unterlassen) sein Tod verursacht wird. Nach der Bedingungstheorie reicht es, wenn der Täter eine Bedingung setzt, ohne die der Tod nicht eingetreten wäre. Zusätzlich muss das Ganze objektiv zurechenbar sein – also dem Täter auch wirklich „angelastet“ werden können.
Auch kurze Lebensverkürzungen zählen: Ob eine Stunde oder zehn Jahre – wer das Leben verkürzt, tötet. Punkt.
Beispiele, die zeigen, wie schnell’s gehen kann: Jemand gibt einer sterbenden Person eine Spritze, die das Leiden um eine Stunde verkürzt. Ein bewusstloses Opfer, das bereits tödlich verletzt wurde, wird vom Täter zum Schein erhängt – und stirbt dadurch tatsächlich.
Und wenn man etwas nicht tut, obwohl man müsste? Das kommt ins Spiel, wenn jemand eine besondere Pflicht hatte, Leben zu retten – z. B. als Arzt. Hat dieser eine realistische Überlebenschance durch seine Behandlung verspielt, kann das als Unterlassen zur Tötung führen (§ 13 i. V. m. § 222 StGB).
Fallbeispiel mit Pflichten: Ein Arzt ignoriert Warnzeichen bei einer Patientin. Bei rechtzeitiger Behandlung hätte sie länger gelebt – vielleicht nur Stunden, vielleicht auch Jahre. In so einem Fall kann die unterlassene Hilfe strafbar sein.
Aber Vorsicht, wenn’s zu ungewiss wird: Die Chemotherapie hätte nur bei 90 % der Patienten gewirkt – heißt: Man kann nicht sicher sagen, dass der Tod vermeidbar war. Also greift der Grundsatz in dubio pro reo (im Zweifel für den Angeklagten).
Vorsatz
Jetzt schauen wir auf das Innenleben des Täters: Hatte er Vorsatz? Wollte er den Tod – oder war’s ihm egal? Das ist die große Frage. Und hier wird’s oft knifflig: Dolus eventualis (Eventualvorsatz) vs. bewusste Fahrlässigkeit. Hat der Täter mit dem Tod gerechnet und ihn billigend in Kauf genommen – oder gehofft, dass schon nix passiert?
Beispiel: Ein HIV-Infizierter schläft ohne Schutz mit jemandem, obwohl er seine Infektion kennt. Laut Rechtsprechung liegt hier in der Regel kein Tötungsvorsatz vor. Warum? Weil dank medizinischer Fortschritte nicht mehr sicher ist, dass HIV automatisch zu Aids und damit zum Tod führt. Stattdessen liegt meist „nur“ Körperverletzung vor.
Minder schwerer Fall
Nicht jeder Totschlag wird gleich bestraft. Wenn die Tat zwar formal unter § 212 fällt, aber die Umstände milder sind, kann § 213 StGB greifen. Das passiert öfter, als man denkt – in der Falllösung aber eher selten ein Thema.
Der Klassiker: Tötung im Affekt. § 213 Alt. 1 StGB nennt ein Beispiel: Der Täter wird von einer schweren Beleidigung oder Misshandlung so aus dem Gleichgewicht gebracht, dass er im Affekt tötet. Wichtig: Die Provokation darf nicht selbst verschuldet sein – sonst gibt’s keine Strafmilderung.
Was zählt als „schwere Beleidigung„? Mehr als bloße Beschimpfungen – es geht um tiefe Kränkungen, die den Täter völlig aus dem seelischen Tritt bringen.
Ein Fall dazu aus dem Leben: Der Ehemann erwischt seine Frau in flagranti mit einem anderen. Kurz darauf tötet er sie im Zorn. Hier kann § 213 StGB greifen – aber nur, wenn die Reaktion auf die Kränkung nachvollziehbar heftig war und der Täter sich nicht vorher schon alles selbst eingebrockt hat.