Stell Dir vor, jemand schließt Dich einfach weg – zack, Tür zu, Schlüssel rum. Willkommen in § 239 StGB! Der regelt die Freiheitsberaubung. Und ja, da steckt mehr drin als nur das klassische Einsperren im Keller.

Der Grundtatbestand in Abs. 1 kommt mit zwei Varianten daher – einmal durch „Einsperren„, einmal durch „auf andere Weise„. Wichtig ist: Es muss vorsätzlich passieren (§ 15 StGB). Wenn das Ganze heftig aus dem Ruder läuft, kommen die Abs. 3 und 4 ins Spiel. Da wird’s ernst: Wer z. B. durch die Freiheitsberaubung fahrlässig eine schwere Gesundheitsschädigung oder gar den Tod verursacht, kriegt es mit dem Verbrechenstatbestand zu tun. Die Regeln dafür folgen dem Bauplan von § 226 und § 227 StGB – Stichwort: Erfolgsqualifikation. Und Achtung: Ob § 239 Abs. 3 Nr. 1 StGB wirklich ein solches erfolgsqualifiziertes Delikt ist, ist unter Juristen umstritten. Die Diskussion ist also noch nicht abgeschlossen.

Tatobjekt

Natürlich braucht es einen Menschen, den man seiner Freiheit berauben kann. Wer also gar keinen Fortbewegungswillen entwickeln kann – wie ein Säugling – scheidet als Opfer aus.

Diskussion gibt’s bei Schlafenden und Bewusstlosen. Hier fehlt der Wille ja nur vorübergehend. Die richtige Lösung: Der Tatbestand ist erst dann vollendet, wenn das Opfer wieder in der Lage ist, seinen Willen zu bilden – also beim Aufwachen.

Nach der herrschenden Meinung – und das ist die Linie, der wir hier folgen – schützt § 239 StGB nicht erst den Menschen, der loslaufen will, sondern schon die Möglichkeit, sich frei zu bewegen. Es reicht also, dass jemand überhaupt in der Lage wäre, seinen Aufenthaltsort zu ändern. Ob er das auch wirklich will, spielt keine Rolle. Warum? Weil das Recht Deine Bewegungsfreiheit möglichst früh absichern will. Die Gegenmeinung sieht das kritischer. Sie meint: Nur wer aktuell los will, steht unter dem Schutz des § 239 StGB – sonst wäre das Ganze doch bloß ein Versuch. Und den kann man ja seit 1998 durch Abs. 2 ohnehin bestrafen. Mehr brauche es nicht.

Einsperren

Klassisch: Eine Tür zu, ein Schlüssel rum – jemand ist physisch eingesperrt. Ob das Ganze auch in einem fahrenden Auto funktioniert, ist Ansichtssache. Manche zählen es zum Einsperren, andere zur „anderen Weise“.

Ein Student sperrt seinen Professor für eine Stunde im Büro ein – einfach so. Nach der h. M. ist das schon vollendet, selbst wenn der Prof. den Vorfall nicht mal bemerkt. Für die Gegenmeinung reicht das nicht: Erst wenn der Professor wirklich raus will und daran gehindert wird, liegt eine vollendete Freiheitsberaubung vor.

Ganz wichtig: Es geht bei § 239 um das Verhindern des Weggehens – nicht um das Verhindern des Hinkommens. Wer jemanden draußen stehen lässt, beraubt ihn nicht seiner Freiheit. Auch nicht, wenn es ärgerlich ist.

Nehmen wir ein paar Klassiker: Du darfst nicht in den Hörsaal? Kein Problem für § 239 StGB. Du kommst nicht mehr raus, weil Menschen eine Mauer bilden? Jetzt wird’s spannend – das zählt! Du darfst das Haus nur mit Oma verlassen, obwohl die Tür offen ist? Einschränkung ja, Freiheitsberaubung nein. Du wirst eingeschlossen, kannst aber gefahrlos durchs Fenster? Auch eher kein Fall für § 239 StGB. Die Gefängnistür ist zu, aber Du kannst jederzeit klopfen und raus? Dann bist Du nicht wirklich eingeschlossen.

Auf andere Weise

Man muss niemanden gleich einsperren. Es reicht, wenn man ihn faktisch seiner Bewegungsfreiheit beraubt. Typische Methoden: Festhalten, Fesseln, Betäuben, Einkesseln. Oder auch: Behörden durch Falschangaben dazu bringen, jemanden festzunehmen – das läuft dann über mittelbare Täterschaft.

Und sogar mit List oder Drohung kann’s gehen. Zum Beispiel, wenn jemand vorgaukelt, es gäbe keinen Ausgang – obwohl einer da ist. Wichtig ist, dass das Opfer glaubt, es könne sich nicht frei bewegen.

Aber: Täuschungen, bei denen das Opfer glaubt, es sei frei, zählen nicht. Wer sich freiwillig ins Auto setzt, nichts ahnend, dass er entführt werden soll, hat (noch) kein Problem mit § 239 StGB. Auch nicht, wenn ihm jemand vorgaukelt, ein Gefängnisreporter zu sein, um sie in eine Zelle zu locken – solange das Opfer glaubt, alles sei einvernehmlich. Grenzfall: Wer jemanden täuscht, wie lange er festgehalten wird, kann das Einverständnis überschreiten. Dann kommt es auf die Details an.

Faktischer Zwang

Es wird knifflig, wenn das Opfer rein technisch gehen könnte – aber es einfach nicht tut. Warum? Weil es z. B. Angst hat. Dann stellt sich die Frage: Ist das realistisch? Ist die Angst begründet? Drohungen mit echter Gefahr für Leib oder Leben – das reicht. Drohungen mit Jobverlust? Eher nicht. Wenn jemand Angst vor Schlägen hat und deshalb nicht durch den Kellerschacht flieht? Das kann genügen. Die Linie des BGH ist hier klar: Nicht jede Drohung reicht. Es muss schon so gefährlich oder einschüchternd sein, dass man realistisch nicht mehr gehen kann.

Ein Beispiel: Jemand droht, den Hund zu verletzen – das reicht für § 239 StGB eher nicht. Droht er dagegen der betroffenen Person direkt mit einem Messer – das reicht. Die Faustregel: Kommt es zu einer psychischen Schranke, die faktisch genauso wirkt wie ein Schloss, dann kann § 239 StGB erfüllt sein.

Dauer

§ 239 StGB sagt nichts zur Dauer – theoretisch reicht auch eine Minute. Aber: So kurz, dass es nur eine kleine Verzögerung ist? Dann ist es nicht strafbar.

Der BGH meint: Wenn das Opfer die Tür sofort wieder aufmachen kann, fehlt die nötige Erheblichkeit. Auch wenn jemand nur kurz zu Boden gedrückt wird und gleich wieder freikommt – das reicht noch nicht.

Zur Orientierung: Die Zeit für ein „Vaterunser“ – etwa eine Minute – kann genügen. Aber wichtiger ist: Wie intensiv ist die Einschränkung? Ein kurzer Griff ins Handgelenk, um jemanden aufzuhalten, wird also kaum reichen.