Wenn der Gesetzgeber über § 316 StGB spricht, dann meint er ein abstraktes Gefährdungsdelikt. Klingt erstmal sperrig – ist im Kern aber ein ziemlich cleverer Kniff: Hier geht’s nicht darum, ob tatsächlich etwas Schlimmes passiert ist. Es reicht schon, dass eine bestimmte Handlung allgemein gefährlich ist. Und wenn das so ist, zieht das Recht die Reißleine – schon bevor’s knallt. Deshalb handelt es sich bei § 316 auch um ein reines Tätigkeitsdelikt: Es genügt, dass jemand im Zustand der Fahruntüchtigkeit ein Fahrzeug führt – fertig ist der Tatbestand. Und: Das Ganze ist ein eigenhändiges Delikt, also nur derjenige kann Täter sein, der selbst das Fahrzeug fährt. Beifahrer und Mitreisende sind außen vor.
Was oft für Stirnrunzeln sorgt, ist die Subsidiaritätsklausel am Ende von § 316 Abs. 1 StGB. Auf den ersten Blick klingt sie so, als müsse § 316 StGB immer dann zurückstehen, wenn auch §§ 315a oder 315c StGB einschlägig sind. Ganz so pauschal ist es aber nicht. Gemeint ist hier nur die Trunkenheitskomponente – also tritt § 316 StGB nur dann zurück, wenn dieselbe Trunkenheitsfahrt auch eine Gefährdung im Sinne der §§ 315a Abs. 1 Nr. 1 oder 315c Abs. 1 Nr. 1a StGB darstellt.
Führen
Wann beginnt das „Führen“ eines Fahrzeugs? Der BGH hat klargestellt: Motor anlassen reicht nicht. Erst wenn das Fahrzeug wirklich rollt – also wenn sich die Räder in Bewegung setzen – ist man offiziell unterwegs.
Und wer lenkt, bremst oder Gas gibt, der führt. Das bedeutet: Auch der Beifahrer kann theoretisch zum Fahrzeugführer werden – aber nur, wenn er selbst Hand anlegt. Wer nur mündlich Anweisungen gibt, wie ein Fahrlehrer, bleibt draußen. Das gleiche gilt übrigens auch, wenn man ein Auto mit Seil abschleppt und dabei das Lenkrad fest im Griff hat – auch das ist ein „Führen“.
Fahrzeug
Jetzt zum Gefährt selbst: Erfasst ist nicht nur der klassische Pkw oder das Motorrad. Auch Fahrräder, Pferdekutschen und motorisierte Krankenfahrstühle zählen. Was aber nicht geht: Schlitten, Kinderwagen, Tretroller oder Inline-Skates. Die fallen unter „Fortbewegungsmittel“ im Sinne der StVO und sind damit raus.
Im Verkehr
Und wo findet das Ganze statt? Natürlich im Verkehr – aber nicht irgendwo, sondern im öffentlichen Verkehrsraum. Und „öffentlich“ heißt nicht zwangsläufig „staatlich“. Entscheidend ist, ob die Allgemeinheit – also jeder, der will – die Straße oder den Platz nutzen darf. Das kann auch ein Supermarktparkplatz oder ein Klinikgelände sein. Geschlossene Werksgelände oder abgesperrte Privatparkplätze dagegen zählen nicht dazu.
Fahruntüchtigkeit
Der Knackpunkt des Delikts ist die Fahruntüchtigkeit. Gemeint ist: Der Täter kann sein Fahrzeug nicht mehr sicher führen – und zwar wegen Alkohol oder anderer Rauschmittel.
Alkoholbedingte absolute und relative Fahruntüchtigkeit
Hier unterscheidet man zwei Spielarten:
Absolute Fahruntüchtigkeit
Ab 1,1 Promille ist bei Kraftfahrern Schluss. Wer diesen Wert erreicht oder überschreitet, gilt als absolut fahruntüchtig – und das ohne weitere Diskussion. Das basiert auf der festen Annahme, dass ab diesem Wert niemand mehr sicher ein Fahrzeug führen kann. Bei Radfahrern liegt die Grenze übrigens bei 1,6 Promille. Pedelecs – also E-Bikes bis 25 km/h – gelten nicht als Kraftfahrzeuge. Auch hier zieht man oft die 1,6-Promille-Grenze.
Zur Einordnung: Für die Schuldfähigkeit spielt das erst ab ganz anderen Werten eine Rolle. § 21 StGB greift frühestens ab 2,0 Promille, § 20 sogar erst ab 3,0 Promille – darunter gilt man in der Regel als schuldfähig.
Relative Fahruntüchtigkeit
Bei Werten zwischen 0,3 und 1,1 Promille braucht es mehr: Ausfallerscheinungen. Also Hinweise darauf, dass der Alkohol konkret das Fahrverhalten beeinflusst hat. Typisch sind Schlangenlinien, Fahrfehler oder sogar ein Unfall. Aber Vorsicht: Nicht jeder Fahrfehler lässt automatisch auf Alkohol schließen. Wenn auch nüchterne Fahrer an der Stelle gerne mal die Mittellinie schneiden, reicht das eben nicht. Umso niedriger die Promillezahl, desto überzeugender müssen die weiteren Indizien sein.
Feststellung der Blutalkoholkonzentration
In der Praxis läuft die Promillefrage selten ganz reibungslos. Liegt der Tatzeitpunkt schon etwas zurück, muss man rückrechnen – und das immer zugunsten des Täters. Gibt es keine Blutprobe, müssen Trinkmengen geschätzt werden – was schnell ungenau wird. Dann gilt: im Zweifel für den Angeklagten. Das kann auch mal dazu führen, dass man zwar nicht sicher sagen kann, ob jemand absolut fahruntüchtig war – dafür aber, dass er vielleicht schuldunfähig im Sinne des § 20 StGB war.
Andere berauschende Mittel
Und was ist mit Drogen? Da gibt es keinen klaren Grenzwert wie beim Alkohol. Deshalb funktioniert der Nachweis hier nur nach dem Prinzip der relativen Fahruntüchtigkeit: also durch Ausfallerscheinungen, die sich konkret auf den Drogenkonsum zurückführen lassen.
Subjektive Tatseite
Der § 316 StGB erfasst vorsätzliches Handeln – das heißt, der Täter muss wissen (oder jedenfalls für möglich halten), dass er fahruntüchtig ist. In der Praxis ist das oft schwer zu beweisen – selbst bei hohen Promillewerten. Der BGH hat aber gesagt: Auch wenn’s keinen medizinischen Erfahrungssatz gibt, dass man mit 1,2 Promille immer weiß, dass man fahruntüchtig ist – so ist das dennoch ein starkes Indiz. Der Tatrichter darf das in seine Gesamtwürdigung einfließen lassen, muss es aber mit weiteren Beweisen abstützen.