Seit 2017 ist in den §§ 113-115 StGB einiges passiert. Zwar blieb die Grundstruktur des § 113 StGB unangetastet, doch eine wichtige Änderung gab’s trotzdem: Der „tätliche Angriff„, der früher Teil des § 113 war, wurde ausgegliedert und bekam mit § 114 StGB ein eigenes Zuhause.
Was das bedeutet? Ganz einfach: Der klassische Widerstand gegen eine Vollstreckungshandlung lebt weiterhin in § 113 StGB. Aber wer draufhaut, fällt jetzt unter § 114 StGB. Das hat Folgen – unter anderem für die Schutzrichtung des § 113 StGB. Die ist nämlich etwas „staatlicher“ geworden, weil der direkte Angriff auf die Person jetzt woanders geregelt ist.
§ 113 StGB schützt gleich zwei Dinge auf einmal: Erstens die Vollstreckung selbst – also das staatliche „Jetzt passiert was“-Handeln. Und zweitens die Menschen, die das durchziehen – also die Amtsträger oder Soldaten, die im Namen des Staates unterwegs sind. Aber: Seitdem der tätliche Angriff raus ist, tritt der Schutz der Person ein bisschen in den Hintergrund. Im Fokus steht jetzt vor allem die Durchsetzung staatlicher Entscheidungen.
Theoretisch kann sich dabei jeder strafbar machen, § 113 StGB ist ein Jedermannsdelikt. Das heißt: Auch wer gar nicht direkt von der Maßnahme betroffen ist, kann sich durch sein Verhalten strafbar machen. Vorausgesetzt: Die Handlung war vorsätzlich (§ 15 StGB) und die Maßnahme rechtmäßig (dazu später mehr). Es gibt auch eine Sonderregelung für Irrtümer und – ganz typisch Strafrecht – eine kleine Härte-Schublade in Abs. 2 für besonders schwere Fälle.
Vollstreckungsbeamter
Kurz gesagt: alle, die rechtlich dazu berufen sind, in einem konkreten Einzelfall den Willen des Staates durchzusetzen – und zwar notfalls mit Zwang. Typische Beispiele sind Polizistinnen, Gerichtsvollzieherinnen oder Richter (zumindest wenn sie gerade im Sitzungssaal für Ordnung sorgen).
Nicht geschützt sind dagegen Leute, die nur Verwaltungsakte erlassen, Bußgelder verschicken oder Anträge bearbeiten. Also: Nur weil jemand ein Amt hat, ist er oder sie noch lange keine Vollstreckungsbeamter im Sinne des § 113 StGB.
Vollstreckungshandlung
Nicht jede Amtshandlung ist automatisch eine „Vollstreckung“. Geschützt sind nur ganz konkrete Maßnahmen – also echte Zwangsmittel, die auf einen bestimmten Fall zugeschnitten sind. Es geht also nicht um allgemeine Überwachung, sondern um ein Eingreifen mit staatlichem Rückenwind.
Klarer wird’s mit Beispielen: Wenn die Polizei eine Wohnung stürmt, um jemanden festzunehmen – Vollstreckung. Wenn sie nur draußen Streife fährt – keine Vollstreckung. Auch die Entnahme einer Blutprobe, eine Hausdurchsuchung oder eine vorläufige Festnahme gehören dazu.
Keine Vollstreckung sind: Befragungen, Streifenfahrten, präventive Beobachtungen, Radarfallen, Unfallaufnahmen oder die Sicherung einer Demo, solange keine konkrete Maßnahme durchgeführt wird.
Ein Beispiel: Zwei Typen überfallen Bundeswehrsoldaten, die auf Streife im Kasernengelände sind. Die Soldaten drohen mit ihren Waffen, die Täter geben auf. § 113 StGB greift hier nicht – weder beim Überfall (weil keine Vollstreckung) noch beim späteren Festnehmen (weil kein Widerstand). Wichtig: Die geschützte Handlung muss bevorstehen, begonnen haben oder gerade laufen. Vor- oder Nachbereitungen zählen nicht.
Widerstand leisten
Der Gesetzestext verlangt „Widerstand mit Gewalt oder durch Drohung mit Gewalt“. Aber was steckt dahinter?
Gewalt? Ja – aber nicht irgendwie. Damit ist nicht einfach nur rohe Kraft gemeint. Entscheidend ist: Es muss sich um eine aktive Handlung handeln, mit der man die Maßnahme verhindern oder erheblich erschweren will. Und zwar so, dass der Beamte körperlich reagieren muss – z. B. Kraft aufwenden, Dich festhalten oder ausweichen.
Was zählt als Gewalt? Festklammern, Herumschlagen, sich losreißen, Türen verriegeln oder sich mit dem Auto einem Polizeiwagen in den Weg stellen. Auch jemanden einsperren – selbst ohne direkte Berührung – kann Gewalt sein, wenn die Vollstreckung dadurch verhindert wird.
Nicht reicht: einfach sitzenbleiben, weglaufen, eine Tür nicht öffnen oder ein Haltezeichen ignorieren. All das ist passiv – und dafür gibt’s im § 113 StGB keine Strafe.
Noch ein Beispiel: Ein Demonstrant kündigt an, sich anzuzünden, falls die Polizei die Demo räumt. Die Polizei verzichtet daraufhin auf das Vorgehen. Klingt dramatisch – ist aber keine „Drohung mit Gewalt“ im Sinne des Gesetzes. Warum? Weil sich die angedrohte Gewalt nicht gegen den Beamten richtet, sondern gegen den Demonstranten selbst.
Rechtmäßigkeit der Vollstreckungshandlung
§ 113 Abs. 3 StGB bringt es auf den Punkt: Nur gegen rechtmäßige Vollstreckungshandlungen darfst Du keinen Widerstand leisten. Ist die Maßnahme rechtswidrig, darfst Du Dich mit Notwehr wehren – ganz legal.
Und was heißt „rechtmäßig“? Darüber wird gestritten. Es gibt zwei Lager. Die formelle Sicht: Eine Maßnahme ist rechtmäßig, wenn der Beamte zuständig ist, die richtigen Vorschriften beachtet wurden und er pflichtgemäß gehandelt hat. Die eigentliche materielle Rechtslage spielt dabei keine Rolle. Die materielle Sicht (und die ist sympathischer): Die Maßnahme muss auch inhaltlich korrekt sein – also tatsächlich vom Gesetz gedeckt. Nur wenn das gegeben ist, darf der Staat Zwang anwenden.
Besonders schwere Fälle
Einmal tief durchatmen, denn jetzt wird es ernst: § 113 Abs. 2 StGB enthält Regelbeispiele für besonders schwere Fälle. Das bedeutet nicht, dass in diesen Fällen automatisch eine höhere Strafe verhängt wird. Aber das Gericht soll sich überlegen, ob die Umstände der Tat so gravierend sind, dass die höhere Strafandrohung von sechs Monaten bis zu fünf Jahren greift.
Besonders im Fokus stehen hier zwei Konstellationen: Der Täter führt eine Waffe bei sich oder bringt durch sein Verhalten eine konkrete Gefahr für Leib oder Leben des Beamten oder eines Dritten. Spannend wird’s auch, wenn mehrere Personen gemeinsam handeln oder sich der Täter besonders brutal verhält. Dann liegt schnell ein besonders schwerer Fall vor – und die Strafe steigt entsprechend an.