Manchmal erfüllt ein Vertrag alle formalen Voraussetzungen – Angebot, Annahme, Konsens, alles sauber. Und trotzdem ist das Ding am Ende unwirksam. Warum? Weil bestimmte Hürden dazwischenfunken können, die Wirksamkeitshindernisse. Diese sorgen dafür, dass ein eigentlich ordnungsgemäß zustande gekommenes Rechtsgeschäft rechtlich leerläuft – als hätte es nie existiert.
Solche Hindernisse gehören zu den rechtshindernden Einwendungen. Und Achtung: Die muss nicht der beweisen, der sich über den Vertrag freut, sondern der, der sich gegen den Vertrag wehren will. Wer also sagt: „Das Ding ist nichtig!“, muss das auch belegen können – zumindest meistens. Eine Ausnahme gibt’s bei Formvorschriften: Wenn ein Vertrag nur dann gelten soll, wenn er schriftlich geschlossen wird, dann muss derjenige, der sich auf die Gültigkeit beruft, auch beweisen, dass das passiert ist.
Geschäftsfähigkeit
Formvorschriften
Geheimer Vorbehalt, Scheingeschäft und Scherzerklärung
Manchmal sehen Willenserklärungen von außen ganz verbindlich aus, aber in Wahrheit steckt kein echter Bindungswille dahinter. Genau darum geht’s in den §§ 116 ff. BGB. In diesen Fällen will der Erklärende eigentlich gar keine echte Verpflichtung eingehen – aber seine Worte und sein Verhalten lassen genau das vermuten. Das bedeutet: Der objektive Tatbestand liegt vor, aber der innere Wille hinkt hinterher. Willkommen in der schillernden Welt der nicht ernst gemeinten Willenserklärungen!
Geheimer Vorbehalt
Du gibst eine Erklärung ab, willst aber insgeheim nicht wirklich an die Sache gebunden sein? Nach § 116 S. 1 BGB ist das völlig egal: Dein geheimer Vorbehalt interessiert das Gesetz nicht – Deine Erklärung bleibt wirksam. Warum? Weil das, was zählt, nach außen wirkt. Und da sah das Ganze eben ziemlich echt aus.
Was Du im Stillen gedacht hast, ist rechtlich gesehen erstmal Wurst. Das unterscheidet § 116 BGB übrigens auch vom Inhalts- oder Erklärungsirrtum aus § 119 Abs. 1 BGB: Dort sagst Du etwas, das Du so gar nicht wolltest. Beim geheimen Vorbehalt sagst Du genau das, was Du willst – Du hoffst nur, dass es später nicht ernst genommen wird. Klingt paradox? Ist es auch.
Aber Achtung: Wenn der Empfänger Deiner Erklärung Wind von Deinem geheimen Hintergedanken bekommt, kippt die Sache. Dann sagt § 116 S. 2 BGB: Nichtigkeit, wenn der geheime Vorbehalt erkannt wird! Und zack, sind wir schon im Bereich des § 117 BGB – dem Scheingeschäft. Denn wenn beide Bescheid wissen, ist es mit dem „Geheim“ halt vorbei.
Scheingeschäft
Hier sind wir bei den echten Profis im Schauspiel. Beim Scheingeschäft tun beide Seiten so, als wollten sie ein Rechtsgeschäft abschließen – aber in Wahrheit wollen sie genau das nicht. Der Klassiker: Man inszeniert einen Kaufvertrag, zum Beispiel beim Notar, nur damit die Steuerlast kleiner aussieht. Die Show ist für Außenstehende gedacht, etwa fürs Finanzamt. Aber beide Beteiligten wissen: Das Ding soll nicht gelten.
Der Unterschied zum geheimen Vorbehalt? Hier sind alle im Bilde. Und zur Scherzerklärung (§ 118 BGB)? Da ist’s zumindest für einen der beiden kein Spaß. Aber beim Scheingeschäft gilt: gemeinsames Spiel, gemeinsames Ziel – ein Schein, der nicht sein soll.
Juristisch heißt das: Die vorgetäuschte Erklärung ist nichtig, § 117 Abs. 1 BGB. Aber – und das ist wichtig – wenn sich dahinter ein echtes Geschäft versteckt, das beide eigentlich wirklich wollen (also z. B. ein Grundstückskauf zum wahren Preis), dann gilt dieses versteckte Geschäft, wenn es denn formwirksam zustande gekommen ist, § 117 Abs. 2 BGB.
Schauen wir uns das mal praktisch an: V und K wollen ein Grundstücksgeschäft. In echt kostet es 200.000 Euro, aber vorm Notar geben sie nur 100.000 Euro an – um Gebühren und Steuern zu sparen. Der notarielle Vertrag ist ein Scheingeschäft und damit nichtig (§ 117 Abs. 1 BGB). Aber was ist mit dem echten Vertrag über 200.000 Euro? Der scheitert hier leider an der Form. Grundstücksgeschäfte müssen notariell beurkundet sein, § 311b Abs. 1 BGB. Und wenn sie das nicht sind, hilft auch kein Hinweis im Vertrag wie „wir verzichten auf Einwände“ – das Gesetz ist da knallhart. Der echte Vertrag bleibt nichtig (§ 125 S. 1 BGB). Abwandlung: Dieselbe Story, aber diesmal wird das Ganze wirklich durchgezogen: Notarielle Auflassung, Grundbucheintragung – alles dabei. Dann ist die Form heilbar (§ 311b Abs. 1 S. 2 BGB). Der versteckte, echte Vertrag über 200.000 Euro lebt also auf – und V darf von K das Geld verlangen.
Übrigens: Was hier nicht drunter fällt, sind Strohmanngeschäfte. Da handelt jemand im eigenen Namen, aber für jemand anderen. Das ist kein Scheingeschäft, denn der Strohmann soll ja tatsächlich berechtigt und verpflichtet werden – nur eben im Interesse eines Dritten. Hier geht’s also nicht um den Inhalt des Geschäfts, sondern nur um die Person dahinter.
Scherzerklärung
Jetzt wird’s albern – im juristischen Sinne. Bei der Scherzerklärung sagt jemand etwas, was offensichtlich nicht ernst gemeint ist. Der Erklärende denkt: Das merkt man doch sofort! Und genau das ist der Punkt: § 118 BGB greift nur, wenn die mangelnde Ernsthaftigkeit erkennbar sein soll. Wenn also einer den anderen nicht bewusst täuschen will – sondern einfach einen „bösen Scherz“ macht, der blöd ausgeht.
Das passiert schneller, als Du denkst. Besonders in Fällen, wo jemand denkt, alle würden den Spaß verstehen – aber einer tut’s eben nicht. Klassischer Fall: Ein Partner weiß nicht, dass der andere das Ganze nur zum Schein gesagt hat. Zack, Scherzerklärung – und § 118 BGB schlägt zu.
Trotzdem: Die Scherzerklärung ist nicht einfach folgenlos. Wenn der andere auf die Erklärung vertraut hat und das Vertrauen nicht völlig naiv war, dann schuldet der „Spaßvogel“ Schadensersatz – nach § 122 BGB. Und das kann teuer werden.
Beispiel: Du rufst laut im Lokal: „Lokalrunde, für alle!“ und meinst das nicht ernst. Aber der Wirt nimmt’s ernst, zapft zehn Bier und bringt sie rum. Kein Vertrag – aber Du darfst den Schaden ersetzen: Einkaufspreis, entgangener Gewinn – was eben anfällt. Und wenn Du merkst, dass der Wirt’s ernst nimmt, musst Du den Irrtum aufklären. Tust Du das nicht, kann aus Deiner ursprünglichen Nicht-Erklärung durch Schweigen doch noch eine echte Willenserklärung werden (§ 242 BGB).
Ach ja: Die berühmte Werbung „Red Bull verleiht Flüüügel“? Natürlich keine echte Willenserklärung – und damit auch keine Scherzerklärung im juristischen Sinne. Aber ein schönes Beispiel dafür, wie absurde Aussagen nicht immer gleich rechtliche Folgen haben.
Gesetzesverstoß
Stell Dir vor, Du machst einen Deal, der eigentlich gar nicht sein darf. Genau hier greift § 134 BGB: Ein Rechtsgeschäft ist nichtig, wenn es gegen ein gesetzliches Verbot verstößt. Das bedeutet, das Gesetz setzt Grenzen, an die wir uns halten müssen – und diese Vorschrift sorgt dafür, dass verbotene Absprachen nicht durchgehen.
§ 134 BGB gilt grundsätzlich für alle Rechtsgeschäfte, die Du abschließt. Aber manchmal gibt es spezielle Regeln, die Vorrang haben. So weicht § 134 zurück, wenn andere Vorschriften genau regeln, was bei einem Verstoß passiert. Denk an die Paragrafen, die Schadensersatz oder Gewährleistung betreffen. Auch spezielle Verfügungsverbote haben eigene Regeln, die hier vorgehen.
Ganz wichtig: Nicht jedes Gesetz, das Du brichst, macht Dein Geschäft automatisch nichtig. Verbotsgesetze im Sinne von § 134 BGB sind jene, die sich gezielt gegen den Inhalt des Rechtsgeschäfts richten – also Gesetze, die genau Dein Vorhaben verbieten. Das können auch Verordnungen oder Tarifverträge sein, nicht nur Gesetze im klassischen Sinne. Dabei ist genau zu prüfen, ob die Vorschrift wirklich das konkrete Rechtsgeschäft verbietet. Manche Gesetze beschränken nämlich eher Deine grundsätzliche Gestaltungsmacht, sodass ein bestimmtes Geschäft von vornherein gar nicht zustande kommen kann. Ein Beispiel dafür wäre etwa, wenn Du eine persönliche Dienstbarkeit übertragen willst, was sachenrechtlich oft gar nicht geht.
Ganz anders sind reine Ordnungsvorschriften, wie etwa Ladenöffnungszeiten – die betreffen nur äußere Umstände, nicht den Inhalt Deines Geschäfts, und lösen deshalb keine Nichtigkeit aus.
Damit ein Rechtsgeschäft nach § 134 BGB nichtig wird, muss der Sinn und Zweck des Verbotsgesetzes das auch wirklich verlangen. Du musst Dich also fragen: Will der Gesetzgeber wirklich, dass dieser Vertrag nicht zustande kommt? Meistens ist das dann der Fall, wenn sich das Verbot an beide Vertragspartner richtet – zum Beispiel bei strafrechtlichen Vorschriften. Aber es gibt auch Verbotsgesetze, die sich nur an eine Partei wenden.
Außerdem gilt nach herrschender Meinung: Die Nichtigkeit tritt nur ein, wenn beide Seiten gegen das Verbot verstoßen. Verstößt nur eine Partei, bleibt das Geschäft in der Regel gültig.
Ein Beispiel aus dem echten Leben: Nehmen wir mal an, der Verkäufer betrügt Dich beim Vertragsabschluss – er verstößt damit gegen § 263 StGB (Betrug). Trotzdem kann es für Dich sinnvoll sein, den Kaufvertrag trotzdem durchzuziehen. Das Gesetz schützt Dich hier durch die Möglichkeit der Anfechtung (§ 123 BGB). Deshalb wird der Vertrag nicht automatisch nach § 134 BGB nichtig.
Was Du vielleicht nicht weißt: Wer versucht, ein Verbotsgesetz zu umgehen, wird ebenfalls von § 134 BGB umfasst. Zum Beispiel, wenn jemandem die Ausübung seines Gewerbes untersagt wird, und er dann über einen Strohmann das Gewerbe weiterführt. Dieses Vertragskonstrukt ist nach § 134 BGB genauso nichtig wie das ursprüngliche Verbot.
Grundsätzlich führt ein Verstoß gegen ein Verbotsgesetz dazu, dass das Rechtsgeschäft nichtig ist – so sagt es § 134 BGB. Der Rest des Vertrags bleibt davon unberührt, wenn er getrennt betrachtet werden kann (§ 139 BGB). Manchmal will der Gesetzgeber aber, dass nur der verbotene Teil wegfällt, während der Rest gültig bleibt. Ein gutes Beispiel ist der Mietwucher (§ 291 StGB). Hier setzt die Rechtsprechung oft einen gerade noch zulässigen Mietzins ein, damit der Mietvertrag insgesamt bestehen bleiben kann.
Verfügungsverbote
In unserem Recht gibt es nicht nur allgemeine Verbote, die ein Rechtsgeschäft komplett für nichtig erklären können. Manchmal geht es vielmehr um Einschränkungen, die das „Dürfen“ einer Verfügung betreffen. Genau hier kommen die §§ 135 und 136 BGB ins Spiel. Sie regeln, was passiert, wenn gesetzliche oder behördliche Veräußerungsverbote eine Verfügung betreffen – also, wenn jemand von Gesetzes wegen oder durch eine Behörde daran gehindert wird, über sein Eigentum oder andere Rechte frei zu verfügen.
§ 135 BGB spricht von „gesetzlichen Verfügungsverboten“. Das klingt zunächst klar, doch in der Praxis ist der Anwendungsbereich erstaunlich klein. Die herrschende Meinung sieht darin nämlich fast nur relative Verfügungsverbote. Diese gelten nur gegenüber bestimmten Personen, also sind sie persönlich beschränkt. Absolute Verfügungsverbote, die ein grundsätzliches Verbot darstellen und somit zur absoluten Nichtigkeit führen, fallen dagegen unter § 134 BGB. Spannend ist auch: Manchmal wird gar nicht das „Dürfen“ verboten, sondern das „Können“ – etwa wenn ein Gesetz die Möglichkeit zur Verfügung von vornherein ausschließt. Diese Fälle fallen aber nicht unter § 135 BGB. Das bedeutet, dass § 135 BGB für gesetzliche Verfügungsverbote kaum eine praktische Rolle spielt.
Im Gegensatz dazu sind Verfügungsverbote von Behörden oder Gerichten wesentlich häufiger und praktischer bedeutsam. Typische Beispiele sind einstweilige Verfügungen (§ 935 ZPO) oder Pfandverstrickungen nach der Zwangsvollstreckungsordnung (§ 803 ZPO für Sachen, §§ 829, 857 ZPO für Forderungen und Rechte). Diese Verbote verhindern, dass jemand während eines Verfahrens oder zur Sicherung von Ansprüchen frei über bestimmte Sachen oder Rechte verfügen kann.
Rechtsfolgen
Wer trotz eines bestehenden Verfügungsverbots eine Verfügung vornimmt, sieht sich mit einem relativ eingeschränkten Wirksamkeitsstatus konfrontiert. Das bedeutet: Die Verfügung ist gegenüber der Person, die durch das Verfügungsverbot geschützt werden soll, unwirksam (relative Unwirksamkeit). Alle anderen – also etwa ein Erwerber – werden von der Verfügung aber nicht berührt und können sich auf deren Wirksamkeit berufen. Diese „Spaltung“ der Rechtslage führt dazu, dass der Geschützte weiterhin den ursprünglichen Rechtszustand beanspruchen kann.
Ein Beispiel: Stell Dir vor, ein Eigentümer E hat sein Eigentum bereits zur Pfändung freigegeben, sodass ein Gläubiger G darauf Rechte hat. E verkauft das Eigentum dennoch an N. N wird damit rechtlich Eigentümer. Allerdings bleibt E für den Gläubiger G weiterhin derjenige, von dem er Herausgabe verlangen kann, solange N nicht gutgläubig war. G kann also vom N Herausgabe fordern und wird so geschützt, obwohl N Eigentümer geworden ist.
Gutgläubiger Erwerb trotz Verfügungsverbots
§ 135 Abs. 2 BGB räumt ein, dass auch im Bereich von Verfügungsverboten der gutgläubige Erwerb möglich ist. Das bedeutet: Wenn der Erwerber nichts von dem Verbot wusste und sich auf den guten Glauben an das Fehlen eines Verbots verlassen darf, kann er das Recht auch gegenüber dem geschützten Dritten erwerben. Das gilt allerdings nicht immer, zum Beispiel bei Forderungen wird der gute Glaube eher nicht geschützt.
Wie sieht es bei Zwangsvollstreckungen aus? Hier wird es kompliziert. Die überwiegende Meinung verneint den gutgläubigen Erwerb bei Verfügungen im Rahmen der Zwangsvollstreckung, weil diese nicht als Verkehrsgeschäfte gelten und der Erwerb ohnehin kraft Hoheitsakt mit Zuschlag erfolgt – da ist der gute Glaube irrelevant. Andere Stimmen meinen, § 135 Abs. 2 BGB müsse auch diese Fälle erfassen und dass der Erwerber nicht schlechter gestellt werden darf als bei normalen Rechtsgeschäften.
Sittenwidrigkeit
§ 138 BGB ist sozusagen die rote Linie für private Verträge. Hier hört der Spaß auf, wenn es um fundamentale Gerechtigkeit geht. Die Norm schützt uns davor, dass private Vereinbarungen gegen grundlegende Werte und das, was wir alle als anständig empfinden, verstoßen. Im Grunde teilt § 138 BGB zwei zentrale Bereiche: Zum einen den Wucher, der in Abs. 2 geregelt ist, und zum anderen die allgemeine Sittenwidrigkeit von Geschäften in Abs. 1.
Wucher
Wucher ist ein spezieller Fall von sittenwidrigem Verhalten, bei dem jemand die Schwäche des anderen brutal ausnutzt. Das Gesetz will besonders diejenigen schützen, die wirtschaftlich oder geistig im Nachteil sind. Dabei ist wichtig zu wissen: Auch wenn kein klassischer Wucher vorliegt, kann ein Geschäft trotzdem sittenwidrig sein, wenn jemand übervorteilt wird und das Verhältnis von Leistung und Gegenleistung total aus dem Ruder läuft.
Ganz klar: § 138 Abs. 2 BGB gilt nicht für jeden Vertrag, sondern nur für solche, die auf einem Leistungsaustausch beruhen – also Verträge, bei denen beide Seiten sich gegenseitig etwas versprechen oder leisten. Einseitige Geschäfte, wie Schenkungen oder Bürgschaften, fallen nicht darunter. Auch bei Verfügungen, also bei der Übertragung von Rechten, kommt es auf die Moral hier nicht an – es sei denn, sie sind Teil eines solchen Tauschgeschäfts.
Auffälliges Missverhältnis
Es reicht nicht, dass Leistung und Gegenleistung einfach nur unterschiedlich sind. Das Missverhältnis muss so krass sein, dass es sofort auffällt. Manchmal heißt das konkret: Bei Darlehenszinsen etwa, wenn der Zinssatz doppelt so hoch ist wie der Marktzinssatz, dann klingeln die Alarmglocken. Ein doppelter Preis als Grenze ist ein guter Richtwert – aber immer abhängig vom Einzelfall.
Ausnutzen einer Schwächesituation
Damit Wucher vorliegt, muss der „starke“ Vertragspartner eine echte Schwäche ausnutzen. Das kann eine Zwangslage sein – etwa wenn jemand dringend Geld für eine lebenswichtige Behandlung braucht. Ob der Wucherer diese Notlage verursacht hat, ist egal. Ebenso zählt Unerfahrenheit, wie sie Jugendliche oder ältere Menschen haben können, oder mangelndes Urteilsvermögen. Manchmal steckt dahinter aber auch eine erhebliche Willensschwäche, etwa wenn jemand wegen psychischer Probleme nicht mehr frei entscheiden kann. Entscheidend ist, dass der Wucherer die Schwäche kennt und gezielt ausnutzt.
Rechtsfolge
Das Gesetz sagt ganz klar: Wucherische Verträge sind komplett nichtig. Da gibt’s keine Kompromisse, keine Anpassungen, kein „ein bisschen okay“. Der Wucherer kann also nicht mal das verlangen, was gerade noch okay gewesen wäre. Ausnahme gibt es nur bei Mietwucher oder gesetzlich regulierten Preisen wie bei Ärzten. Haben die Parteien trotzdem schon etwas geleistet, kann das zurückgefordert werden – allerdings nicht, wenn der Wucherer selbst auf Rückgabe besteht, das schließt § 817 BGB nämlich aus.
Sittenwidrigkeit
Nach § 138 Abs. 1 BGB sind Verträge nichtig, wenn sie gegen „die guten Sitten“ verstoßen. Was das genau heißt, bestimmt sich nach dem, was alle Menschen mit gesundem Anstandsgefühl für gerecht und angemessen halten. Damit sind moralische Mindeststandards und die Grundwerte unseres Grundgesetzes gemeint. Verträge, die gegen diese Werte verstoßen, bekommen keine staatliche Unterstützung. Einfach gesagt: Sie werden rechtlich nicht anerkannt.
Diese Vorschrift gilt für alle Verträge, egal ob Verpflichtungs– oder Verfügungsgeschäfte. Allerdings sind Verfügungen meistens sittlich neutral, sodass die Nichtigkeit hier selten allein aus § 138 Abs. 1 BGB folgt – es sei denn, die Ausführung des Geschäfts selbst ist sittenwidrig, wie etwa bei bestimmten Sicherungsabtretungen. Im Vergleich zu anderen Normen wie § 134 BGB ist § 138 Abs. 1 BGB eher ein „Notnagel“ – er greift nur, wenn andere Regeln nicht passen. Fehlt beim Wucher eine Voraussetzung, bleibt § 138 Abs. 1 BGB aber trotzdem anwendbar.
Sittenverstoß
Sittenwidrigkeit entsteht, wenn ein Geschäft entweder objektiv falsch ist – also gegen grundlegende Werte verstößt – oder wenn das gesamte Paket aus Zweck, Inhalt und Beweggründen verwerflich ist. Ein Geschäft kann schon dann sittenwidrig sein, wenn es zum Beispiel einen Vertragspartner extrem knebelt – selbst wenn die Beteiligten nicht mal wussten, dass das unrechtmäßig ist. Auch das Verhalten der Parteien spielt eine Rolle: Haben sie absichtlich oder grob fahrlässig gegen die guten Sitten verstoßen? Dann ist das Geschäft nichtig.
Fallgruppen
Am häufigsten begegnet man wucherahnlichen Geschäften. Das sind Verträge, bei denen einer eindeutig übervorteilt wird, auch wenn nicht alle Voraussetzungen für echten Wucher erfüllt sind. Hier vermutet das Gesetz eine böse Absicht oder Machtmissbrauch – auch wenn die Partei es nicht wissen konnte, aber wissen hätte können. Andere Klassiker sind Knebelverträge, die jemanden wirtschaftlich fast gefangen halten, oder überlange Lieferverträge, die einem Unternehmen die Freiheit rauben. Selbst wenn ein Vertrag nur wegen seiner Dauer zu lang ist, kann der Teil, der das Limit überschreitet, wegfallen.
Auch wenn Verträge in den Bereich persönlicher Intimsphäre eingreifen – zum Beispiel Verpflichtungen zur Einnahme von Verhütungsmitteln oder zur Prostitution – werden sie grundsätzlich nicht akzeptiert.
Das BVerfG sagt ganz klar: Wer eine Partei in einer strukturellen Schwächesituation ausnutzt, um ihr einen besonders belastenden Vertrag aufzudrücken, verstößt gegen die guten Sitten. Ein Paradebeispiel sind überforderte Bürgen, die aus ihrem Einkommen nicht mal die Zinsen zahlen können und trotzdem riesige Risiken eingehen müssen. Solche Verträge sind nicht nur unfair, sie sind auch rechtlich oft nichtig.
Folgen der Unwirksamkeit
Teil- und Gesamtnichtigkeit
Wenn ein Teil eines Rechtsgeschäfts ungültig ist, kann das manchmal bedeuten, dass das ganze Geschäft hinfällig wird. Das regelt § 139 BGB. Die Idee dahinter ist eigentlich ganz logisch: Niemand soll gegen seinen Willen eine halbfertige oder unvollständige Regelung aufgezwungen bekommen. Man nennt das die Wahrung der Privatautonomie, also das Recht, selbst über die eigenen Verträge zu bestimmen. Das Ziel ist, die Parteien vor solchen ungewollten Zwischenergebnissen zu schützen – ganz ähnlich wie bei § 154 Abs. 1 BGB.
Ein einheitliches Rechtsgeschäft im Sinne von § 139 BGB heißt erst mal: Es liegt nur ein einziger Vertrag vor. Zum Beispiel ein Kaufvertrag, bei dem eine Nebenabrede aus formalen Gründen nichtig ist. Aber es kann auch sein, dass es eigentlich mehrere Verträge sind, die die Parteien aber so eng verbunden haben, dass sie „miteinander stehen und fallen“ – also eine Einheit bilden sollen. Solche Fälle nennt man Geschäftseinheit. Typische Hinweise dafür sind, wenn die Verträge zeitlich und örtlich sehr nah beieinander liegen oder inhaltlich voneinander abhängen. Aber Vorsicht: Eine Verbindung zwischen einem Kausalvertrag (z. B. Kaufvertrag) und der dinglichen Erfüllung (z. B. Auflassung beim Grundstückskauf) ist nicht möglich, weil das dem Abstraktionsprinzip widerspricht.
Manchmal lässt sich ein Vertrag in einzelne, voneinander unabhängige Teile zerlegen. In so einem Fall kann nur der fehlerhafte Teil wegfallen, während der Rest weiter gilt. Voraussetzung ist, dass der verbliebene Vertragsteil für sich allein noch gültig ist.
Wenn aber die gesamte Erklärung zusammenhängt und nicht mehr „teilbar“ ist, dann ist der ganze Vertrag ungültig. Ein Beispiel: Wenn eine der Vertragsseiten komplett unwirksam erklärt wird, entsteht kein Vertrag.
§ 139 BGB gilt besonders bei Verträgen, die sich zeitlich oder mengenmäßig aufteilen lassen – also z. B. Dauerschuldverhältnisse. Hier hat die Rechtsprechung oft die Praxis entwickelt, die Vertragsdauer einfach auf ein „sittengemäßes“ Maß zu reduzieren. Das bewahrt das Verhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung, ohne gleich den ganzen Vertrag zu kippen.
Nach herrschender Meinung kann ein Vertrag auch dann rechtlich teilbar sein, wenn mehrere Personen zusammen als Gesamtschuldner haften. Das spielt vor allem bei Gesellschaftsverträgen eine Rolle, die subjektiv teilweise unwirksam sind.
Wenn der Vertrag nicht sinnvoll aufgeteilt werden kann, dann zieht die Nichtigkeit eines Teils automatisch die Ungültigkeit des gesamten Rechtsgeschäfts nach sich.
Kein entgegenstehender Parteiwille
Die Regel, dass das ganze Geschäft unwirksam wird, gilt nur, wenn die Parteien nichts anderes bestimmt haben. Haben sie beispielsweise in einer salvatorischen Klausel festgelegt, dass der Vertrag trotz eines nichtigen Teils weiter gelten soll, dann gilt genau das.
Diese Klausel ist allerdings keine Garantie, sondern eher eine Vermutung – sie kann nämlich widerlegt werden. Ohne eine solche Vereinbarung schaut man auf den hypothetischen Willen der Parteien: Würden sie den Vertrag trotzdem wollen, wenn der nichtige Teil wegfällt? Hier gilt: Wenn jede Partei mit dem übrig gebliebenen Vertragsteil ihre Interessen noch ausreichend gewahrt sieht, spricht vieles für eine Fortsetzung. § 139 BGB bietet also nur zwei Optionen: Der Vertrag bleibt komplett oder wird vollständig ungültig. Eine Anpassung durch den Richter ist nicht drin.
Einschränkungen
Es gibt einige Spezialregelungen, die § 139 BGB ausbremsen. Zum Beispiel bei Allgemeinen Geschäftsbedingungen, wo § 306 BGB teilweise die Fortsetzung des Vertrags vorsieht, obwohl einzelne Klauseln unwirksam sind.
Auch bei Testamenten und anderen letztwilligen Verfügungen gibt es besondere Vorschriften (§§ 2085, 2195, 2279 Abs. 1 BGB), die verhindern, dass ganze Verfügungen wegen eines Fehlerteils komplett scheitern.
Außerdem gibt es Fälle, in denen die Rechtsprechung § 139 BGB einschränkt, wenn es um den Schutz einer Vertragspartei geht – etwa bei Schutzvorschriften gegen Ausbeutung oder Übervorteilung. Dort würde eine strenge Gesamtnichtigkeit die geschützte Partei noch schlechter stellen, deshalb bleibt der Vertrag oft zumindest teilweise bestehen.
Und nicht zuletzt gilt hier auch Treu und Glauben (§ 242 BGB): Wenn jemand versucht, sich nur deshalb aus dem Vertrag zu winden, weil ein Teil nichtig ist, obwohl er dadurch nicht wirklich benachteiligt wird, kann das als treuwidrig gelten.
Umdeutung
Manchmal ist ein Vertrag komplett nichtig – aber vielleicht hätten die Parteien ja eigentlich etwas Ähnliches gewollt. § 140 BGB erlaubt dann eine Umdeutung: Das fehlerhafte Geschäft wird sozusagen durch ein anderes ersetzt, das dem Willen der Parteien am nächsten kommt.
Dabei steht zuerst die Auslegung im Vordergrund. Kann der Wille der Parteien klar ermittelt werden, gilt der Vertrag so, wie sie ihn verstanden haben – auch wenn sie die Rechtsform falsch gewählt haben. Nur wenn das nicht möglich ist, greift die Umdeutung.
Die Umdeutung klappt grundsätzlich bei allen nichtigen oder unwirksamen Rechtsgeschäften – also nicht nur bei klassischen Formfehlern, sondern auch bei Kündigungen ohne Kündigungsgrund, Rücktritten ohne Recht oder der Übertragung von nicht übertragbaren Rechten.
Damit ein Vertrag umgedeutet werden kann, muss das „neue“ Geschäft inhaltlich im fehlerhaften Geschäft enthalten sein – also kein komplett anderes. Entscheidend ist dabei, was die Parteien wirtschaftlich verfolgt haben.
Beispiele: Die Umdeutung kann klappen zwischen außerordentlicher und ordentlicher Kündigung, oder zwischen einem Kaufvertrag und dem Angebot auf einen Aufhebungsvertrag. Nicht möglich ist es dagegen, etwa eine Bürgschaft in eine Forderungsgarantie umzudeuten, weil das rechtlich sehr unterschiedliche Inhalte sind.
Das neue Geschäft muss genauso gültig sein – also Geschäftsfähigkeit, Form und Verfügungsbefugnis müssen passen, und der Inhalt darf rechtlich zulässig sein.
Wenn der hypothetische Wille der Parteien gegen die Umdeutung spricht, ist sie nicht möglich. Das heißt: Auch wenn ein anderes Rechtsgeschäft den gleichen Zweck erfüllen würde, darf eine Umdeutung nicht stattfinden, wenn die Parteien besonderen Wert auf die gewählte Rechtsform gelegt haben.
Die Umdeutung darf also keine Bevormundung sein. Ein klassisches Beispiel: Eine Rücktrittserklärung darf nicht einfach in eine Anfechtung umgedeutet werden, weil das für eine Partei größere Pflichten bedeuten würde.
Umdeutungen sind nicht erlaubt, wenn das „neue“ Rechtsgeschäft aus dem gleichen Grund wie das ursprüngliche nichtig wäre. Besonders bei Verstößen gegen zwingende Vorschriften wie §§ 134 oder 138 BGB ist das meist der Fall.
Bleiben also vor allem Fälle von Formfehlern oder spezielle Typenzwänge übrig, in denen eine Umdeutung Sinn machen kann. Zum Beispiel die Übertragung eines Nießbrauchs oder das Bestellen eines begrenzten dinglichen Vorkaufsrechts.
Bestätigung
Nach § 141 BGB können Parteien ein zunächst nichtiges Geschäft später doch noch wirksam machen – durch eine Bestätigung. Das passiert oft konkludent, also wenn sie das Geschäft einfach weiter durchführen, obwohl es eigentlich unwirksam war.
§ 141 BGB gilt grundsätzlich für alle nichtigen Rechtsgeschäfte, egal warum sie nichtig sind. Auch wenn zum Beispiel eine Genehmigung fehlt, kann das Geschäft später bestätigt werden.
Aber Vorsicht: Das ist nicht das Gleiche wie bei anfechtbaren Geschäften (§ 144 BGB), wo die Anfechtung aufgehoben wird. Bei § 141 BGB wird ein vorher nichtiges Geschäft erst mit der Bestätigung wirksam.
Bestätigen kann man erst, wenn der Grund für die Nichtigkeit nicht mehr besteht. Zum Beispiel, wenn ein Verbotsgesetz aufgehoben wird oder eine erforderliche Voraussetzung wegfällt.
Bestätigen müssen die Personen, die das nichtige Rechtsgeschäft ursprünglich abgegeben haben. Wenn nur eine Erklärung nichtig war, reicht oft die einseitige Bestätigung dieses Erklärers. War aber der ganze Vertrag von Anfang an betroffen, braucht es einen neuen Konsens aller Beteiligten.