Wenn Du Dich mit Personengesellschaften beschäftigst, kommst Du an ihr nicht vorbei: der Gesellschaft bürgerlichen Rechts, kurz GbR. Sie steht in den §§ 705 ff. BGB und ist sozusagen der Urtyp der Personengesellschaft – die Mutter aller Gesellschaftsformen. Warum? Weil sie denkbar einfach gestrickt ist: Zwei oder mehr Personen tun sich per Vertrag zusammen, um einen gemeinsamen Zweck zu verfolgen, und verpflichten sich, dafür Beiträge zu leisten (§ 705 Abs. 1 BGB). Mehr braucht’s nicht. Deshalb begegnet Dir die GbR überall – vom Musikduo über die Fahrgemeinschaft bis hin zur Anwaltssozietät.
Aber Achtung: Wer ein Handelsgewerbe im Sinne des § 1 HGB betreibt, ist raus aus dem GbR-Spiel. Dann greift nämlich der Rechtsformzwang, und das Ganze wird automatisch zur OHG (oder KG). Das ist kein Stilbruch, sondern System: Die GbR ist die Basis, die OHG die Weiterentwicklung für den kaufmännischen Bereich.
Als das BGB entworfen wurde, orientierte man sich stark an der römischen societas – also einem rein schuldrechtlichen Vertrag. Deshalb steht die GbR bis heute nicht im Handelsrecht, sondern mitten im Schuldrechtsteil des BGB. Erst später, im zweiten Entwurf, kam der deutsche Einfluss ins Spiel: die Gesamthand, also das gemeinschaftliche Vermögen aller Gesellschafter.
Das Endergebnis? Eine ziemlich hybride Konstruktion: teils Vertrag, teils Vermögensgemeinschaft – und dadurch lange Zeit ein echtes Verständnismonster. Die §§ 705 ff. BGB galten sowohl für die innere Zusammenarbeit (die Innengesellschaft) als auch für die nach außen auftretende Gesellschaft mit eigenem Vermögen (die Außengesellschaft). Was genau wann galt, musste man mühsam im Einzelfall herausklamüsern.
Seit 1900 (!) hatte sich an den Vorschriften kaum etwas geändert. Das alte Recht war vor allem auf kleine Gelegenheitsgesellschaften zugeschnitten – also Zusammenschlüsse ohne große Organisation. Für die moderne Wirtschaft war das viel zu eng. Besonders peinlich: Seit 2001 hatte der BGH anerkannt, dass die Außengesellschaft rechtsfähig ist – aber im Gesetz stand davon nichts! Da war also Handlungsbedarf. Alle waren sich einig: Die GbR brauchte dringend ein Update.
Den entscheidenden Anstoß lieferte der 71. Deutsche Juristentag 2016, der eine Modernisierung des Personengesellschaftsrechts forderte. Danach ging’s Schlag auf Schlag: 2018 setzte die Bundesregierung eine Expertenkommission ein, die 2020 den Mauracher Entwurf vorlegte. 2021 kam der Regierungsentwurf, und am 24. Juni 2021 wurde das MoPeG schließlich einstimmig verabschiedet. Seit dem 17. August 2021 steht’s im Bundesgesetzblatt – und ab 1. Januar 2024 gilt das neue Recht. Mit dem MoPeG wurde das GbR-Recht komplett überarbeitet. Alles zwischen § 705 und § 740c BGB ist neu – von der Struktur bis zu den Begriffen.
Zwei Welten, klar getrennt: Außengesellschaft (rechtsfähig) und Innengesellschaft (nicht rechtsfähig) stehen jetzt nebeneinander im Gesetz (§ 705 Abs. 2 BGB). Leitbild: Die Außengesellschaft ist das neue Vorbild – sie ist auf Dauer angelegt und hat ausdrücklich Rechtsfähigkeit (§ 705 Abs. 2 BGB). Haftung: Kein Pardon. Die Gesellschafter haften wie bisher unbeschränkt (§§ 721 ff. BGB). Register: Es gibt endlich ein Gesellschaftsregister (§§ 707 ff. BGB) – dazu gleich mehr. Gestaltungsfreiheit: Innenverhältnis, Treuepflicht, Minderheitenschutz – alles bleibt flexibel (§§ 708, 714 BGB). Anpassung an die OHG: Geschäftsführung (§ 715 BGB) und Vertretung (§ 720 BGB) werden getrennt geregelt. Außen gilt unbeschränkte Vertretungsmacht (§ 720 Abs. 3 S. 2 BGB). Unterm Strich ist die GbR also viel näher an der OHG dran, ohne ihren zivilrechtlichen Charakter zu verlieren.
Rechts- und Parteifähigkeit
Bis zum MoPeG gab’s keine klare Vorschrift wie § 124 HGB. Deshalb stritt man jahrzehntelang, ob die GbR überhaupt rechtsfähig ist. Die „alte Lehre“ meinte: Nein – nur die Gesellschafter sind Träger des Vermögens (Gesamthand). Dann kam in den 1970ern die Gruppenlehre, die sagte: Doch! Die Gesellschaft selbst ist ein eigenes Zuordnungssubjekt. 2001 machte der BGH Schluss mit der Diskussion: Die Außen-GbR ist rechtsfähig, soweit sie am Rechtsverkehr teilnimmt. Seit dem MoPeG steht das nun ausdrücklich im Gesetz (§ 705 Abs. 2 BGB).
Ihre Rechtsfähigkeit entsteht, sobald sie entweder ins Gesellschaftsregister eingetragen oder faktisch am Rechtsverkehr beteiligt ist (§ 719 BGB).
Und das Beste: Das Vermögen gehört jetzt der Gesellschaft selbst (§ 713 BGB) – das alte Gesamthandsprinzip ist passé.
Außen- und Innengesellschaft
Durch das MoPeG steht die Unterscheidung erstmals im Gesetz. Kurz gesagt:
- Außengesellschaft – tritt im Rechtsverkehr auf, hat eigenes Vermögen, kann klagen und verklagt werden.
- Innengesellschaft – bleibt im Hintergrund, regelt nur das Verhältnis der Gesellschafter untereinander.
Ob eine GbR rechtsfähig ist, hängt allein vom Willen der Gesellschafter ab (§ 705 Abs. 2 BGB). Will man also gemeinsam auftreten, Rechnungen schreiben oder Verträge schließen – zack, Außengesellschaft. Bleibt man intern, etwa bei einer Tippgemeinschaft – Innengesellschaft.
Kleiner Merksatz: Wer nach außen will, braucht eine „Adresse“. Und die gibt’s jetzt im Gesellschaftsregister.
Abgrenzung zu anderen Rechtsinstituten
Die GbR ist ein Chamäleon. Sie kann alles Mögliche sein – von der WG über das Streichquartett bis zum Startup. Entscheidend ist der gemeinsame Zweck.
Bruchteilsgemeinschaft (§§ 741 ff. BGB): Hier fehlt der gemeinsame Zweck. Wenn man nur etwas gemeinsam besitzt (z. B. ein Haus) und es nicht aktiv nutzt oder verwaltet, ist das keine GbR.
Ehegatteninnengesellschaft: Auch Ehepaare können eine GbR gründen – etwa, wenn sie gemeinsam ein Café betreiben. Aber bloß zusammen den Haushalt führen reicht nicht. Es muss erkennbar sein, dass sie eine eigene rechtliche Struktur schaffen wollen.
Gesellschaftsregister
Endlich ist sie da – die Lösung für das alte Publizitätschaos: das Gesellschaftsregister.
Bislang war völlig unklar, wer eigentlich Gesellschafter ist, wer unterschriftsberechtigt und wer nicht. Jetzt kann sich jede GbR freiwillig eintragen lassen (§ 707 BGB) – und darf dann stolz den Namenszusatz „eGbR“ führen (§ 707a Abs. 2 BGB).
Zwar ist die Eintragung freiwillig, aber: Wer Grundstücke, Gesellschaftsanteile oder andere registerpflichtige Rechte erwerben will, kommt um die Eintragung nicht herum (§ 47 Abs. 2 GBO). Praktisch heißt das: Ohne Register kein Grundbuch.
Einmal eingetragen, bleibt die GbR drin – bis zur Auflösung (§ 707a Abs. 4 BGB). Ein Wechsel zur OHG (oder zurück) ist als Statuswechsel möglich (§ 707c BGB).
Haftung
Die Haftung war lange ein Flickenteppich. Früher mussten Gerichte mit zwei Modellen jonglieren: Doppelverpflichtungslehre – der Handelnde verpflichtete gleichzeitig sich und die Gesellschaft. Akzessorietätstheorie – die Gesellschafter haften wie OHG-Gesellschafter (§ 128 HGB analog).
Seit dem MoPeG ist die Sache klar: Die Haftung steht im Gesetz (§§ 721 ff. BGB) und entspricht voll der OHG-Haftung. Das heißt: Gesellschafter haften persönlich, unmittelbar und unbeschränkt.
Haftungsbeschränkungen sind nur durch Individualvereinbarung mit dem Gläubiger möglich – nicht per AGB (§ 307 BGB). Formulierungen wie „GbR mit beschränkter Haftung“ sind also reine Fantasieprodukte.
Beispiel: A, B und C betreiben gemeinsam eine Recyclinganlage und schreiben großspurig „mit beschränkter Haftung“ unter ihren Namen. A schließt einen Mietvertrag über eine Betonbrecheranlage ab – alles im Namen der Gesellschaft. Kurz darauf verursacht er einen Unfall. Der Vermieter will seine Miete, das Unfallopfer Schadenersatz. Und was sagt das Gesetz? Ganz klar: Die GbR ist wirksam gegründet und rechtsfähig (§ 705 Abs. 2, 719 BGB). A durfte die Gesellschaft vertreten (§ 720 Abs. 1 Hs. 2 BGB). Und die Gesellschafter haften gem. § 721 BGB wie OHG-Gesellschafter – persönlich und voll. Der Namenszusatz „mit beschränkter Haftung“? Unwirksam. Warum? Weil der Gläubigerschutz Vorrang hat. AGB-Klauseln, die die Haftung auf das Gesellschaftsvermögen beschränken, kippen an § 307 BGB. Das nennt man dann juristische Realitätstherapie.
