Wenn man sich fragt, was eigentlich ein Handelsgeschäft ist, landet man ziemlich schnell bei § 343 Abs. 1 HGB. Dort steht: „Handelsgeschäfte sind alle Geschäfte eines Kaufmanns, die zum Betriebe seines Handelsgewerbes gehören.“ Klingt zunächst schlicht, entfaltet aber beim genaueren Hinsehen eine Menge juristischer Sprengkraft.

Voraussetzungen

Zunächst einmal: Unter „Geschäft“ versteht das HGB fast alles, was rechtlich relevant ist. Dazu gehören nicht nur zweiseitige Rechtsgeschäfte wie Kaufverträge oder Übereignungen, sondern auch einseitige Handlungen wie Kündigung, Rücktritt oder Mahnung. Selbst rechtsgeschäftsähnliche Handlungen – etwa Fristsetzungen oder Mitteilungen – werden mit erfasst. Was aber ausdrücklich draußen bleibt, sind reine Organisationsakte (etwa eine Satzungsänderung) und Realakte wie Herstellung, Verarbeitung oder auch unerlaubte Handlungen – selbst dann, wenn sie im Zusammenhang mit einem Handelsgeschäft stehen.

Das Ganze spielt natürlich nur bei Kaufleuten eine Rolle, also bei den Personen, die unter die §§ 1-6 HGB fallen. Dabei geht es nicht darum, welches Geschäft genau getätigt wird, sondern ob es im Zusammenhang mit dem Handelsgewerbe steht. Genau hier zeigt sich die Besonderheit des subjektiven Systems: Entscheidend ist also die Person des Kaufmanns, nicht der objektive Inhalt des Geschäfts.

Auch eine Außen-GbR kann handelsrechtlich betroffen sein, wenn ihre Gesellschafter Kaufleute sind. Dann muss sich die Gesellschaft deren Kaufmannseigenschaft zurechnen lassen – das ist einfach die logische Folge, wenn man das System ernst nimmt.

Wichtig ist außerdem der Zeitpunkt: Maßgeblich ist immer, ob der Handelnde zum Zeitpunkt des Geschäfts Kaufmann war. Verliert jemand seine Kaufmannseigenschaft erst später, bleibt das Handelsgeschäft dennoch ein solches. Umgekehrt genügt es, wenn die Kaufmannseigenschaft zwar erst nach der Abgabe, aber noch vor dem Zugang einer Willenserklärung entsteht.

Wenn ein Vertreter handelt, kommt es auf den Vertretenen an. Nur wenn jemand ohne Vertretungsmacht auftritt – also im Bereich von § 179 BGB – kann ausnahmsweise auch die Kaufmannseigenschaft des Vertreters entscheidend sein. Ein Beispiel macht’s greifbarer: Viktoria Velten erklärt gegenüber der B-Bank mündlich eine Bürgschaft für Kaufmann Klotz – allerdings ohne Vollmacht. Nun kann die Bank nur dann von Velten Zahlung verlangen (§ 179 Abs. 1 BGB), wenn Velten selbst Kauffrau ist (§ 350 HGB).

Die handelsrechtlichen Sonderregeln können übrigens auch dann relevant werden, wenn keine Kaufleute beteiligt sind – etwa, wenn das Gesetz ein einseitiges Handelsgeschäft ausreichen lässt (§ 345 HGB) oder bestimmte Berufsgruppen wie Spediteure, Kommissionäre oder Lagerhalter ausdrücklich einbezieht. Selbst Scheinkaufleute, die sich wie echte Kaufleute geben, müssen sich zumindest die nachteiligen Regeln gefallen lassen.

Entscheidend ist aber stets die Betriebsbezogenheit. Das Geschäft muss also irgendwie mit dem Handelsgewerbe zusammenhängen – und das darf ruhig ein entfernter oder nur mittelbarer Zusammenhang sein. So werden etwa auch Hilfs- oder Abwicklungsgeschäfte erfasst.

Hieran schließt sich die Abgrenzung zum Privatgeschäft an. Hat der Kaufmann etwas rein Privates im Sinn, liegt eben kein Handelsgeschäft vor. Beispiel: Groß betreibt einen Schreibwarengroßhandel. Wenn er sich privat ein Auto kauft, gilt das HGB nur, wenn klar ist, dass das Fahrzeug fürs Geschäft gedacht ist. Kauft er’s für den Familienausflug, bleibt es Privatsache. Bei juristischen Personen oder Handelsgesellschaften ist das einfacher – sie haben keine Privatsphäre. Alles, was sie tun, passiert notwendigerweise im Rahmen ihres Gewerbes.

Das HGB hilft bei der Einordnung mit zwei Vermutungen (§ 344 HGB): Zum einen gilt jedes vom Kaufmann vorgenommene Geschäft im Zweifel als betriebsbezogen. Diese Vermutung kann er nur widerlegen, wenn er nachweist, dass es sich um ein privates Geschäft handelt – und dass das seinem Vertragspartner auch klar war. Zum anderen gilt ein vom Kaufmann unterschriebener Schuldschein automatisch als im Betrieb abgegeben, es sei denn, die Urkunde selbst zeigt etwas anderes.

Und: Nicht jedes Handelsgeschäft ist gleich doppelt „kaufmännisch“:

  • Ein beiderseitiges liegt nur dann vor, wenn beide Parteien Kaufleute sind und das Geschäft zu ihrem jeweiligen Betrieb gehört – etwa wenn die Fabrikantin Felber bei der B-Bank einen Geschäftskredit aufnimmt.
  • Ein einseitiges Handelsgeschäft dagegen betrifft nur einen Kaufmann – der andere ist kein solcher oder handelt privat, zum Beispiel Student Schneider, der sich online eine HiFi-Anlage bestellt. Die handelsrechtlichen Sonderregeln gelten grundsätzlich auch hier (§ 345 HGB), nur in Ausnahmefällen verlangt das Gesetz ausdrücklich beiderseitige Kaufmannseigenschaft – etwa in § 352 HGB („bei beiderseitigen Handelsgeschäften“) oder § 346 HGB („unter Kaufleuten“).

Handelsbrauch

Ein zentrales Element des Handelsrechts ist der Handelsbrauch – also das, was in bestimmten Wirtschaftskreisen als übliche Gepflogenheit gilt (Verkehrssitten des Handelsverkehrs). Solche Bräuche entstehen durch ständige, einheitliche und freiwillige Übung im Geschäftsverkehr. Sie helfen, Willenserklärungen auszulegen oder Verträge zu ergänzen (§§ 157, 242 BGB) – manchmal sogar entgegen dispositivem Recht.

Beispiele gefällig? Die Zeitpunkte der Lieferung (§ 359 HGB), die Preisbestimmung nach Gewicht (§ 380 HGB) oder die Bedeutung typischer Abkürzungen wie „Kasse gegen Dokumente“.

Handelsbräuche sind keine Gesetze, wirken aber durch § 346 HGB faktisch verbindlich. Und: Wer sie nicht gegen sich gelten lassen will, muss das beim Vertragsschluss ausdrücklich sagen.

Sie gelten übrigens nur unter Kaufleuten, können aber als normale Verkehrssitten auch für andere gelten – etwa die „Tegernseer Gebräuche“ im Holzhandel, die bundesweit anerkannt sind.

Schweigen im Handelsrecht

Normalerweise bedeutet Schweigen im Recht gar nichts – keine Zustimmung, kein Widerspruch. Im Handelsrecht ist das anders. Hier gibt es Situationen, in denen Schweigen ausnahmsweise als Zustimmung gilt, um den schnellen Geschäftsverkehr zu erleichtern.

Schweigen auf ein Angebot zur Geschäftsbesorgung

So etwa bei § 362 HGB: Wenn ein Kaufmann ein Angebot zur Geschäftsbesorgung erhält, muss er unverzüglich reagieren, wenn er nicht zustimmen will.

Tut er das nicht, gilt sein Schweigen als Annahme. Das betrifft vor allem typische Geschäftsbesorgungen im Rahmen des Handelsgewerbes – etwa Aufträge zum Aktienkauf oder ähnliche Geschäfte.

Kaufmännisches Bestätigungsschreiben

Und dann gibt’s da noch das kaufmännische Bestätigungsschreiben – eine uralte, aber hochrelevante Einrichtung. Es kommt nach mündlichen oder telefonischen Vertragsverhandlungen und soll das Ergebnis schriftlich festhalten.

Der Hintergrund ist einfach: Im Handelsverkehr erwartet man solche Schreiben, liest sie sofort und widerspricht, wenn etwas nicht stimmt. Tut man das nicht, geht das Vertrauen des Absenders vor – und Schweigen wird zur Zustimmung.

Allerdings braucht es dafür gewisse Voraussetzungen:

  • Parteien ähnlich einem Kaufmann
  • Vertragsverhandlungen, die tatsächlich oder zumindest aus der Sicht des Bestätigenden scheinbar zu einem Vertragsschluss geführt haben: Nicht bei bloßen Auftragsbestätigungen, die erstmals ein Angebot annehmen sollen.
  • Wiedergabe des Vertragsinhalts: Weichen Angebot und Bestätigung – etwa wegen unterschiedlicher AGB – inhaltlich ab, gilt § 150 Abs. 2 BGB: Das ist dann ein neues Angebot, und Schweigen reicht nicht aus.
  • Unverzüglich nach Abschluss der Vertragsverhandlungen muss das Bestätigungsschreiben dem Vertragspartner zugehen.
  • Redlichkeit des Absenders: Der Bestätigende muss schutzwürdig sein – und das ist er nicht, wenn er das Vereinbarte in nicht nur unbedeutenden Nebenpunkten bewusst unrichtig wiedergibt und darauf vertraut, dass der Empfänger nicht rechtzeitig widersprechen wird.
  • Schweigen des Empfängers.
  • Rechtsfolgen: Der Vertrag gilt zu den Bedingungen des Bestätigungsschreibens als zustande gekommen.

Klassisches Beispiel: Zwei Kaufleute streiten sich, wessen AGB gelten sollen – beide schicken ihre eigenen Bedingungen, keiner widerspricht, beide liefern und zahlen. Nach herrschender Meinung gilt der Vertrag, aber ohne die widersprüchlichen AGB (Stichwort: Theorie der Kongruenzgeltung). Es bleibt also beim Gesetz.

Kaufmännische Sorgfaltspflicht

Im Handelsrecht gelten für Kaufleute einige besondere Regeln, die den Geschäftsverkehr vereinfachen und beschleunigen sollen. Eine davon ist die kaufmännische Sorgfaltspflicht nach § 347 Abs. 1 HGB. Danach muss ein Kaufmann bei der Abwicklung von Handelsgeschäften die Sorgfalt eines „ordentlichen Kaufmanns“ walten lassen.

Klingt erstmal selbstverständlich, bedeutet aber im Ergebnis eine strengere Haftung als im allgemeinen Zivilrecht nach § 276 BGB. Ein Kaufmann soll schließlich fachkundiger, erfahrener und routinierter sein als ein durchschnittlicher Bürger.

Diese gesteigerte Sorgfalt gilt nach herrschender Meinung auch für Schadensersatzansprüche nach § 280 BGB in Verbindung mit §§ 311 Abs. 2, 241 Abs. 2 BGB.

Letztlich handelt es sich aber mehr um eine Klarstellung als um eine echte Verschärfung, weil sich der Maßstab der Sorgfalt ohnehin nach dem jeweiligen Verkehrskreis richtet – also danach, was in der Branche üblich ist.

So wird die „Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns“ bei einem Spediteur, einem Bankier oder einem Handwerker unterschiedlich zu verstehen sein. Und natürlich darf sich auch ein Kaufmann durch Vertrag auf grobe Fahrlässigkeit oder auf die Sorgfalt in eigenen Angelegenheiten beschränken – das erlaubt § 347 Abs. 2 HGB ausdrücklich.

Kaufmännisches Vertragsstrafeversprechen

Etwas härter trifft es Kaufleute bei Vertragsstrafen. Nach § 348 HGB kann ein Kaufmann, der im Rahmen seines Handelsgewerbes eine Vertragsstrafe verspricht, später nicht verlangen, dass ein Gericht diese wegen Unangemessenheit nach § 343 BGB herabsetzt.

Der Gesetzgeber sagt sinngemäß: Ein Kaufmann weiß, was er tut, und kann die Tragweite seiner Verpflichtung selbst einschätzen.

Trotzdem ist er nicht völlig schutzlos. Wenn eine Vertragsstrafe gesetzoder sittenwidrig (§§ 134, 138 BGB), treuwidrig (§ 242 BGB) oder formularmäßig unangemessen (§ 307 BGB) ist, oder wenn die Geschäftsgrundlage wegfällt (§ 313 BGB), kann sich der Kaufmann auch dagegen wehren.

Kaufmännischen Bürgschaft

Noch eine Besonderheit: Bei der kaufmännischen Bürgschaft (§ 349 HGB) verliert der bürgende Kaufmann das Recht, vom Gläubiger zu verlangen, dass dieser zuerst den Hauptschuldner in Anspruch nimmt (Einrede der Vorausklage, § 771 BGB).

Die Bürgschaft gilt automatisch als selbstschuldnerisch im Sinne von § 773 BGB.

Außerdem braucht der Bürge, anders als ein Nichtkaufmann, keine schriftliche Erklärung – die Formvorschrift des § 766 BGB entfällt hier (§ 350 HGB).

Kaufmännisches Schuldversprechen und Schuldanerkenntnis

Und auch für Schuldversprechen und Schuldanerkenntnisse (§§ 780, 781 BGB) gilt im Handelsverkehr: Schriftform? Nicht nötig! Ein einfaches, mündliches Versprechen reicht, wenn es im Rahmen eines Handelsgeschäfts abgegeben wird (§ 350 HGB).

Verzinsung handelsgeschäftlicher Forderungen

Bei der Verzinsung von Forderungen zeigt sich das Prinzip der Entgeltlichkeit besonders deutlich: Kaufleute arbeiten nicht umsonst.

So beträgt der gesetzliche Zinssatz bei beiderseitigen Handelsgeschäften nach § 352 HGB nicht 4 %, wie nach § 246 BGB, sondern 5 %.

Wenn es um Entgeltforderungen geht – etwa um einen Kaufpreis –, beträgt der Verzugszins nach § 288 Abs. 2 BGB sogar neun Prozentpunkte über dem Basiszinssatz, sofern kein Verbraucher beteiligt ist.

Bei anderen Forderungen (zum Beispiel Schadensersatz) liegt der Verzugszins bei fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz (§ 288 Abs. 1 BGB).

Kommt der Schuldner in Verzug, kann der Gläubiger außerdem pauschal 40 Euro verlangen (§ 288 Abs. 5 BGB).

Besonders interessant: Kaufleute dürfen bereits ab Fälligkeit, also ohne Verzug, Zinsen verlangen (§ 353 HGB) – Fälligkeitszinsen.

Nur das Zinseszinsverbot (§ 248 BGB) bleibt bestehen.

Zudem kann ein Kaufmann nach § 354 Abs. 2 HGB Zinsen auf Darlehen, Vorschüsse oder Auslagen bereits ab dem Tag der Leistung verlangen.

Entgeltlichkeit der kaufmännischen Dienstleistung und Geschäftsbesorgung

Ganz im Sinne der „Entgeltlichkeit“ regelt § 354 Abs. 1 HGB, dass ein Kaufmann für eine von ihm erbrachte Dienstleistung oder Geschäftsbesorgung eine ortsübliche Vergütung verlangen kann – selbst wenn nichts ausdrücklich vereinbart wurde. Das gilt auch für Kommissionäre, Spediteure, Frachtführer und Lagerhalter. Nicht jedoch für den Scheinkaufmann, der nur so tut, als sei er einer.

Abtretung handelsgeschäftlicher Forderungen

Ein weiterer Sonderfall betrifft die Abtretung von Forderungen: Nach § 354a HGB kann ein Kaufmann eine Geldforderung aus einem beiderseitigen Handelsgeschäft abtreten, selbst wenn im Vertrag ein Abtretungsverbot steht (§ 399 BGB). Das dient der Finanzierung und Kreditsicherung im Geschäftsverkehr.

Allerdings schützt das Gesetz auch den Schuldner: Selbst wenn er von der Abtretung weiß, darf er mit befreiender Wirkung an den bisherigen Gläubiger zahlen (§ 354a Abs. 1 S. 2 HGB).

Und sogar eine Aufrechnung mit einer Gegenforderung bleibt möglich, auch wenn diese erst nach der Abtretung entsteht. Damit wird die Abtretung praktisch gegenüber dem Schuldner relativ unwirksam – ein starker Schuldnerschutz, der nicht vertraglich ausgeschlossen werden darf (§ 354a Abs. 1 S. 3 HGB).

Handelsgeschäftliche Leistungszeit

Bei der Leistungszeit greift § 358 HGB ein. Grundsätzlich gilt zwar § 271 BGB – also: Leistung sofort, wenn nichts anderes vereinbart ist.

Im Handelsverkehr darf aber nur während der üblichen Geschäftszeiten geleistet und die Leistung verlangt werden. Wenn also jemand abends um neun noch schnell seine Ware abliefern will, muss der Empfänger das nicht annehmen. Wird die Sache dann auf dem Heimweg zerstört, liegt kein Annahmeverzug vor (§§ 293 ff. BGB), und der Leistende trägt das Risiko. § 359 HGB ergänzt das Ganze mit Auslegungsregeln zu Leistungszeitvereinbarungen, und § 361 HGB legt fest, dass bei Zeitangaben die Ortszeit des Erfüllungsortes zählt.

Handelsgeschäftlicher Leistungsinhalt

Auch beim Leistungsinhalt macht das Handelsrecht klare Ansagen. Nach § 360 HGB muss ein Kaufmann bei einer Gattungsschuld (also wenn keine konkrete Sache geschuldet ist) Handelsgut mittlerer Art und Güte liefern – also das, was am Erfüllungsort üblich ist. Der Standard kann im Einzelfall höher oder niedriger sein als im allgemeinen Recht (§ 243 BGB).

Diese Regel ist allerdings nicht zwingend, man kann sie vertraglich anpassen. Wenn es auf Maße, Gewicht, Währung oder Entfernungen ankommt, gilt nach § 361 HGB ebenfalls das, was am Erfüllungsort üblich ist.

Handelsgeschäftlicher Gutglaubensschutz

Ein besonders examensrelevanter Punkt ist der Gutglaubensschutz des § 366 HGB. Während das BGB nur den guten Glauben an das Eigentum schützt (§§ 932 ff. BGB), erweitert das HGB diesen Schutz auf die Verfügungsbefugnis. Das bedeutet: Wenn ein Kaufmann im Rahmen seines Handelsgewerbes eine bewegliche Sache verkauft, wird der Erwerber geschützt, auch wenn der Verkäufer gar nicht Eigentümer ist – solange er nur glaubte, der Verkäufer sei verfügungsbefugt. Der Hintergrund: Im Handelsverkehr wird oft über fremde Waren verfügt, etwa bei Kommissionsgeschäften oder Eigentumsvorbehalten. Der Verkehr soll hier geschützt werden, weil er auf die Rechtmäßigkeit der Verfügung vertraut.

Umstritten ist, ob dieser Gutglaubensschutz auch gilt, wenn sich der gute Glaube auf die Vertretungsmacht des Veräußerers bezieht. Manche wollen § 366 HGB analog anwenden, andere lehnen das ab, weil das System des Gutglaubensschutzes sonst zu sehr zugunsten des Erwerbers verschoben würde. Schließlich gibt es ja noch den Schutz durch die Regeln über Scheinvollmacht und Bestätigungsschreiben.

Handelsgeschäftlicher Pfandverkauf

Eine weitere praxisrelevante Vorschrift ist § 368 HGB: Wird eine Sache verpfändet und später verkauft, muss der Verkauf nach § 1234 BGB zwar angedroht werden, aber im Handelsverkehr reicht eine einwöchige Frist statt eines Monats. Auch das soll die schnelle Verwertung von Pfandrechten erleichtern.

Kaufmännisches Zurückbehaltungsrecht

Schließlich das kaufmännische Zurückbehaltungsrecht (§§ 369 ff. HGB): Es geht über das allgemeine Zurückbehaltungsrecht des § 273 BGB hinaus, denn es verschafft dem Gläubiger nicht nur ein Leistungsverweigerungsrecht, sondern auch ein pfandartiges Befriedigungsrecht. Das heißt: Ein Kaufmann darf Sachen oder Wertpapiere, die ihm im Rahmen der Geschäftsbeziehung überlassen wurden, als Sicherheit behalten und sich daraus notfalls befriedigen, wenn seine Forderung fällig ist. Voraussetzung ist allerdings, dass beide Parteien Kaufleute sind oder einer der speziellen HGB-Tatbestände eingreift.

Handelskauf

Der Handelskauf ist so etwas wie der Klassiker unter den Handelsgeschäften – ohne ihn läuft im Wirtschaftsleben praktisch nichts. Dabei definiert das Gesetz den Begriff gar nicht ausdrücklich. Erst aus den §§ 373 ff. HGB und der Verweisnorm des § 381 Abs. 1 HGB ergibt sich, worum es geht: nämlich um einen Kaufvertrag (§ 433 BGB) über bewegliche Sachen – also Waren –, der für mindestens eine der Parteien ein Handelsgeschäft darstellt. Wenn also ein Kaufmann etwa ein Grundstück oder eine unverbriefte Forderung kauft, ist das kein Handelskauf im Sinne des HGB.

Das Handelsrecht schaut dabei aber nicht nur auf klassische Waren. Nach § 381 Abs. 1 HGB gelten die Regeln auch für den Kauf von Wertpapieren. Und § 381 Abs. 2 HGB weitet das Ganze auf Werklieferungsverträge aus – also auf Käufe über herzustellende oder zu erzeugende bewegliche Sachen. Selbst der Tausch (§ 480 BGB) oder Verträge über sonstige Gegenstände, die einem Kauf ähnlich sind (§ 453 Abs. 1 S. 1 BGB), fallen darunter. Wer also z. B. bewegliche Anlagenteile oder Bauteile herstellt und liefert, landet über § 650 BGB und § 381 Abs. 2 HGB ebenfalls im Handelskaufrecht – mit allen Konsequenzen, etwa der Pflicht zur unverzüglichen Mängelrüge.

Zur Einordnung ein paar plastische Beispiele: Student Starck kauft am Wochenende im Supermarkt ein – kein Handelskauf. Reeder Rossig bestellt bei der Werft ein neues Schiff – Handelskauf. Briefmarkenhändler Braun tauscht mit Sammler Stoltz Marken – Handelskauf. Programmierer Bitter lädt sich ein Programm von der Cyber GmbH herunter – auch hier liegt ein Handelskauf vor.

Wichtig ist: Der Handelskauf ist das zentrale Handelsgeschäft. Schon ein einseitiger Handelskauf genügt (§§ 373–376, 380 i. V. m. § 345 HGB). Allerdings greifen zentrale handelsrechtliche Besonderheiten – etwa die Mängelrügepflicht (§ 377 HGB) oder die Pflicht zur Aufbewahrung (§ 379 HGB) – nur dann, wenn beide Seiten Kaufleute sind, also beim beiderseitigen Handelskauf.

Die Sondervorschriften des Handelskaufs (§§ 373-381 HGB) dienen einem klaren Ziel: Sie sollen die Geschäftsabwicklung beschleunigen und im Ergebnis meist die Position des Verkäufers stärken. Das hat in der Praxis natürlich eine Schattenseite – nämlich dort, wo einseitige Handelskäufe zugleich Verbrauchsgüterkäufe im Sinne des § 474 BGB sind. Dann steht auf der einen Seite ein Unternehmer (§ 14 BGB), auf der anderen ein Verbraucher (§ 13 BGB). Hier kollidiert also das Schutzinteresse des Verbrauchers mit der Effizienz des Handelsrechts. Deshalb wird vertreten, dass sich ein Verkäufer auf die handelsrechtlichen Sonderregeln nur dann berufen darf, wenn er den Verbraucher ausdrücklich auf ihre Anwendbarkeit hingewiesen hat. Und: Auch ein beiderseitiger Handelskauf kann unter Umständen zusätzlich ein Verbrauchsgüterkauf sein, etwa bei gemischter Zwecksetzung des Käufers.

Annahmeverzug des Käufers

Wenn der Käufer die Ware nicht annimmt, gilt grundsätzlich das allgemeine BGB-Recht über den Gläubigerverzug (§§ 293 ff. BGB). § 374 HGB bestätigt das ausdrücklich: Die Rechtsfolgen ergeben sich also aus §§ 300-304, 323 Abs. 6, 326 Abs. 2, 372, 383, 446 S. 3 BGB.

Handelsrechtlich kommt aber eine Erleichterung hinzu: Nach § 373 HGB darf der Verkäufer die Ware einfacher hinterlegen oder im Wege des Selbsthilfeverkaufs veräußern. So kann er sich schneller von der nicht angenommenen Ware trennen – ganz im Sinne der Beschleunigung des Geschäftsverkehrs.

Bestimmungskauf

Beim Bestimmungskauf vereinbaren die Parteien den Kauf einer beweglichen Sache, deren genaue Eigenschaften noch nicht vollständig festgelegt sind (z. B. Farbe, Maß, Gewicht, Menge). Diese Details soll der Käufer später bestimmen (§ 375 Abs. 1 HGB i. V. m. §§ 315 ff. BGB).

Anders als beim Wahlkauf (§§ 262 ff. BGB), bei dem zwischen mehreren klar bestimmten Leistungen gewählt wird, geht es beim Bestimmungskauf um eine Gattungssache, deren konkrete Ausprägung noch offenbleibt.

Beispiel: Autohändler Verdes bestellt zehn Fahrzeuge der Baureihe Xenia, die Farben will er später festlegen – klassischer Bestimmungskauf. Für weitere zehn Fahrzeuge der Modelle Yenga und Zenito legt er schon die Farbe (ozeanblau) fest, möchte aber erst später sagen, wie viele von jedem Modell geliefert werden sollen – das ist dann ein Wahlkauf.

Die Spezifikation – also die Bestimmung durch den Käufer – ist eine empfangsbedürftige Willenserklärung und muss nach billigem Ermessen (§ 315 BGB) erfolgen.

Ist der Kauf für wenigstens eine Partei ein Handelsgeschäft, wird die Spezifikation sogar zur Hauptleistungspflicht des Käufers.

Kommt dieser mit der Bestimmung in Verzug (§ 286 BGB), hat der Verkäufer drei Möglichkeiten:

  • Erfüllung verlangen – plus Ersatz des Verzugsschadens (§§ 280 Abs. 1, Abs. 2, 286 BGB).
  • Rücktritt oder Schadensersatz statt Leistung – nach §§ 280 Abs. 1, Abs. 3, 281 BGB, § 323 BGB i. V. m. § 375 Abs. 2 S. 1 HGB. Und obwohl § 375 Abs. 2 S. 1 HGB ein „oder“ verwendet, erlaubt § 325 BGB auch die Kombination von Rücktritt und Schadensersatz.
  • Selbstspezifikation: Der Verkäufer kann die Bestimmung selbst vornehmen, sie dem Käufer mitteilen und ihm eine Frist zur abweichenden Spezifikation setzen (§ 375 Abs. 2 S. 1, 2 HGB). Schweigt der Käufer, gilt die Bestimmung des Verkäufers (§ 375 Abs. 2 S. 3 HGB).

Reagiert der Käufer gar nicht oder ist die Spezifikation kalendermäßig festgelegt, gerät er in Gläubigerverzug (§§ 295 f. BGB). Dann darf der Verkäufer die Ware hinterlegen oder im Selbsthilfeverkauf veräußern (§§ 373 f. HGB).

Fixhandelskauf

Der Fixhandelskauf ist ein besonderer Typ des Handelskaufs, bei dem die Leistung „genau zu einer festbestimmten Zeit oder innerhalb einer festbestimmten Frist“ zu erfolgen hat (§ 376 Abs. 1 S. 1 HGB). Juristisch gesehen handelt es sich um ein relatives Fixgeschäft im Sinne des § 323 Abs. 2 Nr. 2 BGB – also eine Vereinbarung, bei der der Termin so wesentlich ist, dass der Vertrag bei Nichterfüllung sofort hinfällig wird. Das steht zwischen der bloßen Terminschuld (bei der nur Verzug eintritt) und dem absoluten Fixgeschäft (bei dem Leistung nach Fristablauf unmöglich wird). Entscheidend ist, dass für mindestens eine Partei klar war: Wenn der vereinbarte Zeitpunkt nicht eingehalten wird, soll der Vertrag insgesamt scheitern.

In der Praxis findet man solche Vereinbarungen oft an kleinen Schlüsselwörtern – „fix“, „exakt“, „spätestens“. Diese sind aber nur Indizien; letztlich zählt, was die Parteien wirklich wollten.

Interessant ist auch: Ein ursprünglich als Fixgeschäft vereinbarter Kauf kann wieder zu einem normalen Handelskauf werden, wenn der Käufer nach Fristablauf eine Nachfrist setzt.

Typische Fälle sind heute „Just-in-time„-Lieferbeziehungen zwischen Herstellern und Zulieferern – also genau getaktete Produktionsabläufe. Ein Fixhandelskauf liegt meist auch dann vor, wenn es um verderbliche oder saisonabhängige Ware geht.

Untersuchungs- und Rügeobliegenheit

Bei Handelskäufen spielt die Untersuchungs- und Rügeobliegenheit nach § 377 HGB eine zentrale Rolle. Ganz grob gesagt: Wer als Käufer im Handelskauf eine Ware bekommt, muss Mängel so schnell wie möglich rügen. Und ja, das gilt nicht nur für offensichtliche Sachmängel, sondern auch für Rechtsmängel. Der Gesetzgeber hat hier bewusst den Begriff „Mangel“ allgemein gehalten, um Ärger bei der Abgrenzung zu vermeiden. Wenn ein Rechtsmangel besonders schwer zu erkennen ist, wird das bei der Fristsetzung nach § 377 Abs. 3 HGB berücksichtigt.

Wichtig zu verstehen: Diese Pflichten sind keine Pflichtverletzungen, die automatisch Schadensersatz des Verkäufers auslösen. Es handelt sich um Obliegenheiten – also Eigenverantwortung des Käufers, damit er seine Gewährleistungsansprüche behält. Wer sie ignoriert, kann aber sehr schnell auf der Strecke bleiben, denn der Verlust der Rechte trifft den Käufer hart.

Untersuchung und Rüge sind dabei nicht gleichrangig. Die eigentliche Gewährleistung sichert sich der Käufer erst durch die rechtzeitige Rüge. Die Untersuchung dient lediglich dazu, den Mangel zu erkennen. Wer den Mangel offensichtlich erkennt, kann auch ohne vorherige Prüfung rügen – Stichwort: Verdachtsrüge oder Meldung eines Mangels durch Dritte.

§ 377 HGB ist übrigens keine Einrede. Das heißt, der Richter prüft von sich aus, ob die Obliegenheit erfüllt wurde. Der Verkäufer kann aber auf den Einwand der verspäteten Rüge verzichten – etwa durch ein vorbehaltloses Versprechen zur Nachlieferung. Eine bloße Übergabedurchsicht oder Verhandlung über die verspätet gerügten Mängel reicht dafür nicht aus.

Nach BGB verliert man Gewährleistungsrechte nur, wenn man die Ware bei Kenntnis des Mangels vorbehaltlos annimmt. Die Verjährung nach bürgerlichem Recht tritt grundsätzlich erst nach zwei Jahren ein (§ 438 Abs. 1 Nr. 3 BGB). Eine Mängelanzeige dient also in erster Linie dazu, dem Verkäufer die Chance zu geben, nachzubessern, und damit die weitergehenden Ansprüche des Käufers zu sichern. § 377 HGB hat drei zentrale Funktionen: Es verkürzt die für Handelskäufe zu langen Verjährungsfristen, ermöglicht dem Verkäufer Schadensfeststellungen und -begrenzung und verhindert Prozesse, die sonst durch Zeitablauf schwer nachweisbar wären.

Beiderseitiger Handelskauf

§ 377 HGB greift nur beim beiderseitigen Handelskauf, also wenn auf beiden Seiten Kaufleute für ihr Handelsgewerbe tätig sind. Bei „dual use„-Fällen, also überwiegend nichtunternehmerischer Nutzung durch den Käufer, wird das komplizierter: Hier kann sowohl das Verbrauchsgüterkaufrecht (§§ 474 ff. BGB) als auch § 377 HGB gelten. Um Konflikte zu vermeiden, wird meist § 377 HGB reduziert oder gar nicht angewandt. Auch bei Mischfällen mit Nichtkaufleuten oder Sondervereinbarungen kann die Rügepflicht ähnlich greifen, insbesondere wenn eine schnelle Mängelbehandlung geboten ist.

Wichtig: Der Kauf muss Waren oder handelbare Wertpapiere betreffen. Finanzierungsleasing fällt nicht darunter. Beim Unternehmenskauf differenziert man zwischen share deal und asset deal. Bei einem Beteiligungskauf greift § 377 HGB nur ausnahmsweise, z. B. bei verbrieften Anteilen, beim asset deal ist es vom konkreten Mangel abhängig.

Ablieferung

Die Ablieferung der Ware ist entscheidend: Erst wenn die Ware so im Machtbereich des Käufers ist, dass er sie untersuchen kann, beginnt die Rügepflicht. Bei Ratenlieferungen gilt die Ablieferung erst bei vollständiger Lieferung.

Mangel

Ein Mangel kann viele Formen haben: Abweichung von Anforderungen, Montagefehler, Falschlieferung oder Rechtsmangel. Nicht betroffen sind Lieferungsverzug, Nebenpflichtverletzungen oder deliktisches Verhalten – hier gelten die allgemeinen Schuldrechtsregeln. Auch die Frage, ob Mehrlieferungen unter § 377 HGB fallen, ist umstritten; Minderlieferungen gelten eindeutig.

Redlichkeit des Verkäufers

§ 377 HGB gilt nur, wenn der Verkäufer redlich ist. Arglistiges Verschweigen oder falsches Vorspiegeln eines Vorteils schließt die Anwendung aus.

Inhalt der Rügelast

Nach Ablieferung muss die Ware unverzüglich untersucht werden, d. h. ohne schuldhaftes Zögern (§ 121 Abs. 1 S. 1 BGB).

Umfang und Art richten sich nach dem üblichen Geschäftsgang, der Ware, Fachkenntnis und den verfügbaren Mitteln.

Bei auffälligen Mängeln genügt die Verdachtsrüge, bei nicht sofort erkennbaren Mängeln muss man unverzüglich nach Entdeckung rügen.

Die Rüge selbst ist eine empfangsbedürftige Handlung, formfrei, aber so genau, dass der Verkäufer reagieren kann. Unvollständige Rügen lassen sich nur ergänzen, wenn sie noch fristgerecht erfolgen. Handelsbräuche oder AGB können die Pflicht konkretisieren, dürfen den Käufer aber nicht unangemessen benachteiligen.

Rechtsfolgen bei nicht ordnungsgemäßer Rüge

Die Konsequenzen einer nicht ordnungsgemäßen Rüge sind drastisch: Die Ware gilt als genehmigt, der Käufer verliert Gewährleistungsrechte, der Verkäufer behält seine Ansprüche.

Bei Mehr– oder Meliuslieferungen kann der Verkäufer die überzählige oder höherwertige Ware nur im Rahmen allgemeiner schuldrechtlicher Regeln zurückfordern.

Rechtsfolgen bei ordnungsgemäßer Rüge

Andersherum: Rügt der Käufer rechtzeitig, bleiben ihm alle Gewährleistungsrechte erhalten.

Bei Falschlieferungen, Montagefehlern oder Anforderungsmängeln greift § 437 BGB.

Bei Nachbesserung gilt: Nur die Mängel, die bei rechtzeitiger Rüge erkannt worden wären, können geltend gemacht werden.

Zwischenhändler haben dieselben Pflichten wie der direkte Käufer: Sie müssen stichprobenartig prüfen, rügen und die Rüge ihrer Abnehmer weiterleiten. Auch bei Distanzgeschäften oder Direktlieferungen gilt: Die Rüge erfolgt entlang der Vertragskette.